Merkel richtete sich beim digitalen Parteitag per Übertragung an die CDU-Mitglieder.

Foto: epa

Berlin – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat ihre Partei vor der Wahl eines neuen Vorsitzenden zur Einigkeit aufgerufen. "Ich wünsche mir, dass ein Team gewählt wird, das die Geschicke unserer stolzen Volkspartei in die Hand nimmt und dann gemeinsam mit allen Mitgliedern die richtigen Antworten für die Aufgaben der Zukunft findet", sagte Merkel am Freitagabend beim Online-Wahlparteitag der CDU. Es dürfte der letzte CDU-Wahlparteitag sein, an dem Merkel als Kanzlerin teilnimmt.

Auf die Arbeit ihrer 2018 als Wunschnachfolgerin im Parteivorsitz und in der Kanzlerschaft gestartete CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer ging Merkel nicht ein. Lediglich zu Beginn sprach sie Kramp-Karrenbauer zur Begrüßung mit deren Vornamen an.

Rückblick auf zahlreiche Krisen

Merkel erinnerte an Herausforderungen in ihrer bisherigen Amtszeit seit 2005, darunter die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die EU-Schuldenkrise und die Migration. Es seien keine ruhigen Jahre gewesen, sagte Merkel. Nun gebe es das "Jahrhundertereignis" der Corona-Pandemie, welche den allermeisten Menschen viel abverlange. In all diesen bewegten Jahren hätten Deutschland und seine Bürger aber Stärke gezeigt, sagte die deutsche Kanzlerin. Sie sei überzeugt, das werde auch nach der Pandemie so sein. Deutschland habe immer wieder zu neuer Stärke finden können.

Die Welt werde sich in den kommenden 15 Jahren noch schneller wandeln als in den vergangenen 15 Jahren, so Merkel. Es müssten immer wieder ausgleichende Antworten gefunden werden, um regierungsfähig zu bleiben – zwischen Generationen, Stadt und Land, Ökonomie und Ökologie. Das Verständnis für alle Teile der Gesellschaft und alle Facetten der Herausforderungen schütze vor vorschnellen Festlegungen und zu einfachen Antworten, "wie sie ja manch andere Parteien zur Genüge haben". Sie wünsche sich, dass der Parteitag die richtigen Entscheidungen für die Zukunft treffe.

Appell an Pragmatismus

Merkel sagte, man erlebe "fundamentale, grundlegende Veränderungen, und alle diese Veränderungen gleichzeitig". Sie nannte die Digitalisierung, den Klima- sowie den demografischen Wandel. Wenn man in einer globalen Welt Interessen und Werte durchsetzen wolle, "dann werden wir europäisch gemeinsam handeln müssen". Die CDU werde sich den Aufgaben stellen und gute Antworten finden. Dies werde auch deswegen gelingen, "weil wir pragmatisch an die Dinge herangehen, nach Lösungen im täglichen Leben suchen und nicht einfach am theoretischen Reißbrett".

Zu siegessicher

Die Union steht nach Ansicht des bayrischen CSU-Chef Markus Söder nicht nur wegen der Coronakrise in diesem Jahr vor besonders großen Herausforderungen. "Es geht um Leitentscheidungen für die nächsten zehn Jahre in unserem Land", sagte der bayerische Ministerpräsident in seinem Grußwort.

Söder warnte erneut davor, dass die Union angesichts der aktuellen Umfragewerte zu siegessicher in die Bundestagswahl gehe. So sei es eine völlig neue Herausforderung, ohne Noch-Kanzlerin Angela Merkel als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf zu ziehen. Zudem habe sich durch die Pandemie in der Gesellschaft "mehr verändert, als wir denken". Die Union brauche für eine erfolgreiche Wahl ein neues Konzept, welches keine alten Antworten auf neue Fragen gebe. Mit Blick auf die am Samstag anstehende Neuwahl des CDU-Chefs betonte Söder, dass er und die CSU mit allen drei Kandidaten gut zusammenarbeiten könne.

Neustart für transatlantische Beziehungen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat sich für einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen ausgesprochen. Sie sagte in einem Grußwort auf dem Parteitag mit Blick auf den Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden als Nachfolger von Donald Trump am nächsten Mittwoch, dies sei der Moment, auf den viele vier Jahre lang gewartet hätten.

Die EU wolle die Chance für einen Neustart nutzen. Als Beispiel nannte von der Leyen die Klimaschutzpolitik. Außerdem gehe es darum, großen digitalen Plattformen wirksame Grenzen zu setzen. (APA, 15.1.2021)