Die WKStA fühlte sich beleidigt.

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Fünf Staatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sowie die Behörde selbst haben erfolglos die Journalistin Anna Thalhammer angezeigt. Sie sahen in einem Artikel der "Presse"-Redakteurin die Tatbestände der üblen Nachrede, der Verleumdung und der Beleidigung einer Behörde verwirklicht. Anlass der Aufregung war ein Artikel, der am 20. November 2020 erschienen war. Darin analysierte Thalhammer eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs (OGH) und einen dazugehörigen Kommentar des einstigen OGH-Präsidenten und Kurzzeit-Innenministers Eckart Ratz.

In diesem argumentierte Ratz, dass Staatsanwaltschaften bei Hausdurchsuchungen besser darauf achten müssten, nur fallrelevante Daten zum Akt zu nehmen. Thalhammer verband diesen Text mit der Arbeit der WKStA in den Causen Casinos, BVT und Eurofighter und gab an, dass sich im Casinos-Akt Daten zur sexuellen Orientierung eines Beschuldigten befunden hätten. Außerdem verwies sie auf die breite Kritik an der Führung des BVT-Verfahrens, wo es beispielsweise zu Durchsuchungen im Büro der nur als Zeugin geführten Extremismusreferatsleiterin gekommen war.

"Ermächtigung zur Strafverfolgung"

Bei der WKStA sorgte der Artikel für helle Aufregung. So hatte Thalhammer geschrieben, dass über den Ermittlungsakt die Namen "verdeckter Ermittler" im Verfassungsschutz in den U-Ausschuss gelangten. Das weist die WKStA strikt von sich. "Wenn Thalhammer noch im November 2020 bewusst einen Artikel so formuliert, dass der Eindruck entsteht, die WKStA habe diese Namen dem UA (Untersuchungsausschuss, Anm.) bekanntgegeben, so tut sie das definitiv wider besseren Wissens", schrieb die fallführende Staatsanwältin Ursula Schmudermayer in einer internen E-Mail.

Als Reaktion auf den Artikel veröffentlichte die WKStA eine "Klarstellung" und beschwerte sich, dass keine Stellungnahme eingeholt worden war. Fünf Staatsanwälte gingen allerdings weiter und forderten eine strafrechtliche Verfolgung der Journalistin als Privatperson. Zehn Tage nach dem Erscheinen des Textes erteilte Eberhard Pieber, Stellvertreter von Behördenleiterin Ilse Vrab-Sanda, die Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen Thalhammer im Namen von fünf Oberstaatsanwälten sowie der Behörde selbst. Dabei handelt es sich um einen außergewöhnlichen Vorgang: Bei einer Verurteilung hätte Thalhammer sogar eine Freiheitsstrafe gedroht.

Kein Anfangsverdacht

Die Staatsanwaltschaft Wien sah jedoch keinen Anfangsverdacht und leitete somit Ermittlungen gar nicht erst ein. "Der gegenständliche Artikel wird vom Leser bei objektiver Betrachtung (...) lediglich dahingehend verstanden, dass durch die bisherige Praxis der Staatsanwaltschaften, unter anderem auch der WKStA, in der Vergangenheit bisweilen Daten in die Strafakten gelangten, die mit dem strafrechtlichen Vorwurf nichts tun hatten", heißt es in der Einstellungsbegründung. Der Vorwurf, die Staatsanwälte der WKStA hätten " ein unehrenhaftes Verhalten an den Tag gelegt, eine strafbare Handlung oder eine Verletzung von Amts oder Standespflichten begangen, wird hingegen nicht erhoben", so die Staatsanwaltschaft Wien. Auch die von der WKStA monierten Falschdarstellungen im Artikel änderten daran nichts.

Dass die WKStA versucht hat, Ermittlungen gegen eine Journalistin auszulösen, dürfte für helle Aufregung sorgen. Schon jetzt befindet sich die Behörde im Dauerstreit mit anderen Behörden, etwa mit der Polizei oder der Fachaufsicht in Form der Weisungskette. In einem politisch stark aufgeladenen Konflikt beklagt die WKStA, von ÖVP-nahen Kreisen in ihrer Arbeit behindert zu werden. So attestierte die Behörde Johann Fuchs von der Oberstaatsanwaltschaft Wien und Sektionschef Christian Pilnacek Befangenheit im Casinos-Verfahren. Erst vor wenigen Wochen wurden die beiden erneut von der WKStA angezeigt, weil sie den U-Ausschuss falsch informiert und E-Mails nicht geliefert haben sollen. Ein Justizinsider hatte der WKStA zuvor E-Mails und Memos zukommen lassen, die Widersprüche zu Fuchs' und Pilnaceks Aussagen im U-Ausschuss aufzeigen.

Im Justizministerium prüfen nun zwei Generalanwälte der Generalprokuratur einen Vorhabensbericht der Staatsanwaltschaft Innsbruck, die die Anzeige gegen Pilnacek und Fuchs geprüft hat. Zwar bestehen deutliche Widersprüche zwischen deren Wortmeldungen im U-Ausschuss und den vom Insider überlieferten E-Mails, ein Verfahren wegen Falschaussagen wird jedoch nicht erwartet. Dieses ist schwer zu führen, muss doch die vorsätzliche Lüge nachgewiesen werden: also dass Fuchs und Pilnacek dem U-Ausschuss absichtlich Informationen vorenthielten, anstatt Sachverhalte vergessen oder falsch interpretiert zu haben. (Fabian Schmid, 17.1.2020)