Keine Masken, keine Abstände, so lief die Demo am Samstag in Wien ab.

Foto: Christian Fischer

Das gibt es nicht alle Tage. Mehrere Demonstrationen wurden für Samstag in Wien angemeldet, deren Organisatoren schon im Vorfeld offen ankündigten, dass sie das Gesetz brechen werden. Nämlich das Covid19-Maßnahmengesetz. Die Demos wurden genehmigt, die Polizei schritt dann bei den Gesetzesbrüchen auch kaum ein.

Über 10.000 zogen mitten im Lockdown ohne Abstände einzuhalten und fast alle ohne Masken durch die Wiener Innenstadt. In erster Reihe eines Blocks altbekannte Leitfiguren der österreichischen Neonaziszene und auch sehr viele jüngere prominente Rechtsextreme. Die Polizei eskortierte sie.

Stunden nachdem Experten der Bevölkerung erklärt hatten, wie ernst die Lage in Österreich ist und dass der Lockdown verlängert werden müsse. Viele Wienerinnen und Wiener fragten am Samstag zu Recht: Warum dürfen diese Menschen das?

Zahnlose Demo-Richtlinie

Wer steht für die Neuinfektionen, zu denen es in der Folge dieses Massenaufmarsches gekommen ist, gerade? Und wer für die Toten? Wer schützt die Menschen von den quertreibenden Superspreadern? Und wie soll noch irgendjemand die Gesetze ernst nehmen, wenn jene, die dafür bezahlt werden, sie zu beschützen, das nicht mehr tun.

Die vor knapp zwei Wochen von Innenminister Karl Nehammer präsentierte neue Richtlinie, die der Polizei das Untersagen und Auflösen von Kundgebungen von Corona-Leugner erleichtern sollte, griff wohl nicht.

Dass im Vorfeld auf den öffentlichen Seiten jener Gruppierungen, die zur Demo aufriefen, zu lesen war, dass man Masken verweigere und ganz nebenbei die Regierung stürzen wolle, war nämlich egal. Entscheidend für die Genehmigung war, so erklärte es die Polizei dem STANDARD, welche Person die Demo letztlich angemeldet hat. Ist diese unbekannt, kann die ganze Gruppe, für die sie die Veranstaltung anmeldet, im Vorfeld machen was sie will. Eine clevere Umgehung der Richtlinie des Ministers.

Dass auch während der Kundgebung über Lautsprecher dazu aufgefordert wurde, keine Masken zu tragen, was ohnehin kaum jemand tat, war dann offensichtlich ebenfalls egal.

Nur 156 von Tausenden

Es war aber auch nicht so, dass hunderte Polizisten am Samstag untätig waren: Es gab nämlich auch eine angemeldete linke Gegendemo mit rund 500 Teilnehmern. Als sich Teile von ihnen – mit Masken – dem Demozug der Maskenlosen durch unangemeldete Blockaden entgegenstellen wollten, schritt die Polizei zügig ein. Sie wurden aus dem Weg geräumt und dann bei Minusgraden zwei Stunden lang eingekesselt. Die noble Erklärung der Polizei: Es galt das verfassungsmäßige Recht zu demonstrieren der Corona-Leugner zu schützen. Und überhaupt gelte immer die Verhältnismäßigkeit.

Bei der Gegendemo gab es auch einige Festnahmen. Anzeigen nach dem Covid19-Maßnahmengesetz gab es laut Polizei aber insgesamt nur 156. In Worten: Hundertsechsundfünfzig. Zigtausende waren aber dichtgedrängt ohne Maske. Verhältnismäßig war da gar nichts.

Im Umfeld des Innenministers soll es jetzt brodeln. Man will den Polizeieinsatz genau evaluieren. Beruhigend ist es nicht, wenn der Polizeiapparat so offen zeigt, dass er die Vorgaben des Ministeriums und des Gesetzgebers entweder nicht ernst nimmt oder sie tatsächlich nicht umsetzen kann. Dann ist der Ball zurück bei der Politik. (Colette M. Schmidt, 17.1.2020)