Ihren 33. Geburtstag hatte sich Angelique Kerber ganz anders vorgestellt. Klar, die große Feier wäre am Montag in Melbourne sowieso nicht drin gewesen, doch zumindest wollte Kerber ein paar Bälle auf dem Tennisplatz schlagen, dazu Sonne und frische Luft im australischen Sommer tanken. Daraus wird aber längere Zeit nichts: Nach ihrer Einreise befindet sich die dreimalige Grand-Slam-Siegerin in strikter Quarantäne, eine vernünftige Vorbereitung auf die Australian Open (ab 8. Februar) ist kaum mehr möglich.

Statt zumindest täglich fünf Stunden Ausgang für Training und Behandlungen zu genießen, darf die Deutsche wie mindestens 46 weitere Profis ihr Hotelzimmer zwei Wochen lang gar nicht mehr verlassen. "Wir sind informiert worden, dass eine Person unseres Fluges einen positiven Test hatte", schrieb Kerber am Samstag bei Twitter. Neben ihrem Flug aus Abu Dhabi ist auch ein Flug aus Los Angeles betroffen. Weitere Fälle sind nicht ausgeschlossen, da am Sonntag noch nicht alle Tests ausgewertet waren.

So bereitet sich der Australier Bernard Tomic auf sein Heimturnier vor. Er schaut sich ausführlich den Schläger an
Foto: AFP/West

Chancengleichheit ist aber schon längst nicht mehr gegeben, die Vorbereitung auf die Australian Open verkommt zur Farce: Während etwa Alexander Zverev, dessen Anreise ohne Zwischenfälle verlief, ab Montag zwei Stunden täglich auf den Tennisplatz darf, müssen sich Kerber und Co im Hotelzimmer bestmöglich fit halten. Angesichts dieses krassen Nachteils ließen einige Betroffene ihrem Ärger freien Lauf.

Für die Katz

"Wochenlanges Training und harte Arbeit sind für die Katz, weil in einem zu drei Vierteln leeren Flugzeug eine Person Covid-positiv ist", twitterte die Französin Alize Cornet und schimpfte: "Sorry, aber das ist Wahnsinn." Und auch die Schweizerin Belinda Bencic machte ihrem Unmut Luft. "Wir beklagen uns nicht darüber, in Quarantäne zu sein", schrieb sie: "Wir beklagen uns wegen ungleicher Trainings- und Spielbedingungen vor ziemlich wichtigen Turnieren." Viktoria Asarenka und Bianca Andreescu sind ebenfalls zum Daumendrehen verdammt. Der US-Amerikaner Tennys Sandgren wurde daheim positiv getestet, erhielt aber eine Ausnahmegenehmigung für die Absolvierung des Fluges. Sandgren war schon im November mit dem Virus infiziert gewesen.

Doppelspezialist Kevin Krawietz, der Deutsche darf seinen Beruf ausüben, leidet mit seinen Kollegen mit. "Ich hoffe, für die gibt es noch eine Lösung, dass sie irgendwie trainieren können", sagte er. Dass sich die lokalen Gesundheitsbehörden in ihren strengen Vorgaben erweichen lassen, ist aber unwahrscheinlich. Nachdem Australien das Virus nach monatelangem Lockdown halbwegs in den Griff bekommen hat, ist die Austragung in der Bevölkerung ohnehin höchst umstritten.

Zu mehr Akzeptanz trägt auch nicht bei, dass die zuständige Behördenchefin Emma Cassar bereits von ersten Quarantäneverstößen berichtete. So soll etwa ein Profi seine Zimmertür geöffnet haben, um sich mit anderen Spielern über den Hotelflur zu unterhalten. Er muss mit eine Geldbuße von bis zu 12.700 Euro rechnen. Wer wiederholt die Vorschriften missachte, so Cassar, könne in ein anderes Hotel mit Polizisten vor den Zimmertüren geschickt werden.

Kerber und ihren Leidensgenossen bleibt also nichts anderes übrig, als allein im Hotelzimmer kreativ zu werden. So spielte Bencic Tennis mit der Fensterscheibe, der Uruguayer Pablo Cuevas und die Kasachin Julia Putinzewa droschen Bälle gegen Matratzen an der Wand. Freilich ist das nicht mehr als ein Zeitvertreib. Nach der Isolation würde sie "mindestens drei Wochen brauchen, um wieder in einer anständigen Form zu sein", schrieb die Rumänin Sorana Cirstea.

Butterseite

Jedoch bleibt nach der Quarantäne nur noch rund eine Woche für Training auf dem Court. Eine erneute Verschiebung der Australian Open schloss Turnierdirektor Craig Tiley in einem Interview mit Channel Ninebereits aus und versprach: "Wir werden alles dafür tun, für die Profis akzeptable Umstände zu schaffen. Wir wussten immer, dass es in der Pandemie ein gewisses Risiko gibt."

Topstars wie Dominic Thiem, Novak Djokovic und Rafael Nadal sind auf die Butterseite gefallen. Sie verbringen die Quarantäne in Adelaide, dort herrschen weitaus bessere Bedingungen. Sie dürfen nämlich raus zum Tennisspielen. (sid, hac, 17.1.2021)