Der Vorhang in den Theatern bleibt noch länger zu.

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Wien – Die Intendantin des Vorarlberger Landestheaters, Stephanie Gräve, kann der gestrigen Entscheidung, den Lockdown zu verlängern und Mitte Februar eine Evaluierung über eine Öffnung der Theaterhäuser zu machen, durchaus etwas abgewinnen, wie sie klarstellt. Sie finde es gut, nun "eine gewisse Hoffnung zu haben": "Wir haben nach Gesprächen mit dem Staatssekretariat zuletzt zwar auf Mitte Februar gehofft, aber gleich bis Ostern zuzusperren, fände ich schlimmer."

"Ich habe nie zu den Leuten gehört, die laut Planungssicherheit gefordert haben. Dass es diese nicht gibt, liegt ja an der Pandemie und nicht an der Politik." An sich könne sie mit einem Vorlauf von rund zwei Wochen ihr Haus wieder hochfahren, allerdings würde es mindestens eine 50-Prozent-Platzquote bzw. mindestens 250 Plätze pro Abend brauchen, um wieder einen sinnvollen Spielbetrieb zu haben. Mit der für März geplanten Opernpremiere von Händels "Jephta", die heute, Montag, ihren Probenstart hat, stelle sich vor allem die Frage: "Welchen Sinn hat es, wenn wir eine so teure Produktion für ein so kleines Publikum spielen?"

Das praktisch fertig geprobte Familienstück "Pünktchen und Anton" habe man bereits in die kommende Saison verschoben, die für 12. Februar geplante Premiere von Arthur Millers "Alle meine Söhne" wird auch erst später stattfinden können. "Es ist anstrengend, aber es macht mir auch nichts aus, alle zwei Wochen einen neuen Plan zu machen", erklärte die Theaterleiterin. "Viel schlimmer finde ich die steigende allgemeine Belastung durch die Pandemie. Ich mache mir große Sorgen um die ohnehin in der Gesellschaft Benachteiligten."

"Schmerzlich, aber nachvollziehbar"

Als zwar "schmerzlich", aber aufgrund der Infektionslage "gesundheitspolitisch für alle nachvollziehbar" bezeichnete Yvonne Gimpel, Geschäftsführerin der IG Kultur, die Verlängerung des Lockdowns. "Die Eindämmung des Virus muss an erster Stelle stehen", sagt sie. Grundsätzlich gelte es, Vorkehrungen "rechtzeitig zu treffen", damit wir von der Gesundheitskrise "nicht in eine veritable Kulturkrise schlittern und uns die Vielfalt weg bricht". Insofern gelte es, nicht nur an die großen Institutionen zu denken, "sondern an das gesamte breite Spektrum, die vielen freien Künstler und ehrenamtlichen Kulturarbeiter, die oft nicht gesehen werden".

Der NPO-Fonds, der von der Regierung für gemeinnützige Vereine zur Unterstützung in der Coronakrise eingerichtet wurde, "fängt die Frage des schieren Überlebens auf", so Gimpel. "Aber wenn man es ernst meint damit, dass das Kulturleben vor einer Durchimpfung wieder stattfinden soll, dann bräuchte es mehr Unterstützung, um die notwendigen Maßnahmen zu realisieren." Damit sprach sie allfällige Eintrittstest, die FFP2-Maskenpflicht und die Abgeltung von personellen Mehrkosten an. "Das ist für die Vielzahl der Akteure weder logistisch noch finanziell noch personell umsetzbar. Von einem Neustart in absehbarer Zeit kann jedenfalls nicht die Rede sein."

"Unsere Befürchtung für 2021 ist, dass vieles weg bricht an Strukturen, aber auch an Know-how der Künstler und Kulturarbeiter, die sich notgedrungen nach etwas anderes umsehen müssen." Das werde im Kulturbereich zwar schon länger artikuliert, mittlerweile gebe es aber ähnliche Statements aus der Gastro- und Tourismusbranche. Die IG Kultur als Interessensvertretung sei aktuell jedenfalls im Dialog mit dem Kulturministerium, "um maßgeschneiderte Lösungen für kleine und mittelgroße Kulturorganisation" zu erarbeiten, so Gimpel.

Aktuelle Situation "frustrierend"

Als "frustrierend" bezeichnete Barracuda-Music-Geschäftsführer Ewald Tatar die aktuelle Situation. Für Konzertveranstalter habe sich durch die Lockdown-Verlängerung zwar nicht wirklich etwas verändert, aber: "Wir stehen still und das zum Großteil seit mittlerweile fast einem Jahr." Er hoffe dennoch, "dass wir ab Mai bzw. Juni in allen Kapazitäten spielen können. Die aktuelle Entwicklung ist zwar nicht unbedingt förderlich, aber wenn man das Impfen vonseiten des Gesundheitsministerium irgendwann mal ordentlich in den Griff bekäme, wäre das Licht am Ende des Tunnels rasch wieder heller." Mit "Teilen der Regierung" gebe es Gespräche, "die auch ab und an fruchten", so der Veranstalter von Großfestivals wie dem Nova Rock. "Auf der anderen Seite scheinen wir Veranstalter für das Gesundheitsministerium nicht zu existieren, von dieser Seite kam leider so gut wie nichts bis jetzt."

"Zweifelsohne frustrierend"

Roland Geyer, Intendant des Theaters an der Wien, drückt nicht zuletzt sein Mitgefühl für die Kulturschaffenden aus: "Obwohl ich Teil der Intendantenrunde bin, ist diese sehr schmerzliche Entscheidung der Verlängerung des Lockdowns für die Kulturwelt und Kunstschaffenden in Österreich zweifelsohne frustrierend." Und ganz hat man im Theater an der Wien die Hoffnung auf einen Spielbetrieb in absehbarer Zeit noch nicht aufgegeben – auch wenn der bereits als Ersatztermin für die vorgesehene Premiere von Massenets "Thais" am 26. Jänner nun dank des verlängerten Lockdowns fix nicht stattfinden wird. Sollte Mitte Februar entschieden werden, dass die Opernhäuser im Februar noch öffnen dürfen, sei man bereit, diese in den letzten Februartagen über die Bühne gehen zu lassen. "Wir arbeiten stetig parallel an Alternativen, und unsere Künstlerensembles sind meist flexibel, was natürlich wunderbar ist", so Geyer. Klar ist, dass man die Inszenierung von Altmeister Peter Konwitschny am Mittwoch aufzeichnet, um diese später einmal auf DVD und im Fernsehen zeigen zu können.

Wichtig sei aber vor allem die Wiederaufnahme des Spielbetriebes. "Ich kann mir sehr wohl vorstellen, dass wir vor einer begrenzten und getesteten Anzahl von BesucherInnen möglichst bald spielen, denn ich finde es essenziell, dass wir nicht nur über die Möglichkeiten eines Spielbetriebs nachdenken, sondern aktiv werden. Sonst wird auch die geistige und emotionale Gesundheit unserer Gesellschaft geschädigt!" (APA, 18.1.2020)