Was tun mit überschüssigen Impfdosen? In Kärnten und Oberösterreich prüfen die Behörden, ob es zu unrechtmäßiger Weitergabe von Impfungen kam.

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Aus ganz Österreich mehren sich Berichte, wonach Personen, die gar nicht zum definierten Hochrisikobereich etwa in Altenheimen oder auf Covid-Stationen zählen, trotzdem bereits die erste Impfdosis erhalten haben. Angesichts der Knappheit der verfügbaren Impfdosen sorgen diese Meldungen für Unmut und riefen etwa in Kärnten und Oberösterreich die Behörden auf den Plan. Doch nicht immer steckt böse Absicht dahinter, oft ist schlichtweg noch Impfstoff übrig, berichten die Länder.

Im Gesundheitsministerium betont man, dass Impfstoffe nicht weggeworfen werden sollen. Prinzipiell könne ein Heim nur so viele Dosen bestellen, dass Bewohner und Mitarbeiter geimpft werden können. Springe jemand ab, brauche es Notfalllisten mit Personen aus dem heimnahen Umfeld, an die man überschüssige Dosen verimpfen könne. "Wenn Personen geimpft werden, die gar nichts mit dem Heim zu tun haben, dann entspricht das klar nicht den Vorgaben", sagt dazu ein Sprecher dem STANDARD.

Anzeige und Nachprüfungen in Kärnten

In Kärnten soll das passiert sein. Offenbar haben in einem Fall "heimfremde Personen" Impfstoff erhalten, der eigentlich für Bewohner eines Pflegeheims vorgesehen war. Es läuft bereits eine Anzeige. Eine Untersuchung des Landes hat laut Landespressesprecher Gerd Kurath ergeben, dass sich in dem fraglichen Heim herausgestellt hatte, dass aus den von Biontech gelieferten Phiolen nicht fünf, sondern sechs Impfdosen gewonnen und verabreicht werden können.

"Weil der aufgetaute Impfstoff schnellstmöglich auch verabreicht werden muss, sind die Heimleitungen aufgefordert worden, Ersatzlisten von Impfwilligen anzulegen und die Dosen in diesem Fall weiteren Impfwilligen zugänglich zu machen. Letztlich wurden daher in besagtem Heim nicht wie geplant 120, sondern 151 Personen geimpft. Darunter waren 91 Bewohnerinnen und Bewohner, 31 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie 29 Externe – 20 von ihnen waren Angehörige", sagt Kurath. Dessen ungeachtet seien nun in allen Heimen Nachprüfungen eingeleitet worden, da zusätzliche Hinweise auf möglichen Missbrauch aufgetaucht seien.

Bürgermeister in Oberösterreich unter Verdacht

In Oberösterreich nimmt derzeit die Heimaufsicht des Landes das Innviertler Alten- und Pflegeheim Eberschwang genauer unter die Lupe. Konkret geht es um die "Nebenwirkungen" einer Corona-Impfaktion Anfang Jänner. Dabei wurden offenbar nur 16 Personen aus dem Heim, dafür aber 30 externe Personen geimpft.

So wurden in dem Pflegeheim nur acht Bewohner und acht Mitarbeiter geimpft, weil am geplanten Impftag viele Menschen krank waren. Dafür kamen Bürgermeister Josef Bleckenwegner (SPÖ) und zwei Vizebürgermeister von der SPÖ und der FPÖ, aber auch drei Angehörige von Senioren sowie der Hausarzt und die Ordinationsmitarbeiter zum Zug. Der Bürgermeister rechtfertigt das mit der Vorbildwirkung für Menschen, die an der Impfung zweifeln.

Heimaufsicht erkennt Fehler

Die Heimaufsicht untersuchte den Fall und deckte in ihrem Bericht mehrere Fehler auf. Bei der Listenerstellung für die Vakzinbestellung sowie der Verteilung der Restdosen seien die Vorgaben der Priorisierung durch die Impfkoordination des Landes Oberösterreichs nicht eingehalten worden, informierte das Büro von Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ).

Beim Verimpfen des Restes passierte zudem eine weitere Panne: Sechs Dosen gingen an Ordinationsassistenten eines anwesenden Arztes außer Haus. Laut Herstellerempfehlung sei "der hergerichtete Impfstoff aber nicht transportfähig, da ein Schütteln der verdünnten Dispersion zu vermeiden ist." Dem Bürgermeister wollte Gerstdorfer "aus rechtlicher Sicht kein Fehlverhalten" vorwerfen, allerdings erinnerte sie, dass sich Politiker "an hohen moralischen Maßstäben" orientieren sollten.

Klare Reihenfolge in der Steiermark

Der steirische Volkshilfe-Chef Franz Ferner unterstreicht indes, dass seine Organisation eine klare Impfanordnung für die Volkshilfe-Heime erlassen habe. In einem der Volkshilfe-Heime waren ebenfalls Vorwürfe laut geworden, dass Impfdosen an Externe vergeben wurden. Übrig gebliebene Kapazitäten würden sofort an Hausärzte weitergegeben, die diese anhand einer "Notfallliste" vergeben, sagt Ferner. Geimpft werden laut Ferner auch "Personen, die regelmäßig in die Heime kommen, nahe Verwandte, Mitglieder des Hospizvereins, Seelsorger, Besuchsdienste, impfende Ärzte und deren Teams oder ehrenamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen".

In der Steiermark rechnet die Landesregierung wegen der Lieferschwierigkeiten bei Pfizer/Biontech mit einem um eine Woche verzögerten Start der nächsten Impfwelle. Bis dahin werde man mit dem "angesammelten" Impfstoff das Auslangen finden, sagt Impfkoordinator Michael Koren.

Nur Einzelfälle in Salzburg

In Salzburg hat man für den Fall, dass in Alten- und Pflegeheimen Impfdosen übrig bleiben sollten, vorgesorgt, wie man im Büro von Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) erklärt. In den Heimen selbst ist jeweils ein Impfkoordinator für die Bestellung der benötigten Dosen zuständig. Weil es in Einzelfällen zu Änderungen kommen kann, hat man vorsorglich eine Liste mit Personengruppen erstellt, die sozusagen einspringen können, wenn in einem Heim bestellter Impfstoff übrig bleiben sollte.

In Salzburg werden Impfungen in solchen Fällen zuerst Personen des sogenannten Besucherdiensts angeboten, der Heiminsassen besucht, die sonst keine Kontakte hätten. Danach können enge Angehörige, die regelmäßig zu Besuch kommen, und wiederum danach die Heimseelsorge in den Genuss überschüssiger Impfungen kommen. Insgesamt handle es sich dabei aber um Einzelfälle, da bisher nur sehr selten zu viel Impfstoff bestellt worden sei.

Tiroler "Überlinge" an Bürgermeister

In Tirol hat die Landesregierung in Abstimmung mit den Altenwohn- und Pflegeheimen die Zielgruppen vorgegeben, die in der laufenden Phase eins prioritär geimpft werden sollen. Ursprünglich ging man dabei gemäß der Zulassung davon aus, dass aus einem Impffläschchen des Impfstoffs der Firmen Biontech und Pfizer fünf Impfdosen verimpft werden können. Wie sich aber in der Praxis herausgestellt habe, können nun "aus einem Impffläschchen dem Grunde nach sechs Impfdosen verimpft werden".

Deshalb sei es in einigen Fällen dazu gekommen, dass Impfdosen als "Überling" übrig geblieben sind. Im Rahmen der Zulassungsänderung zu Biontech/Pfizer seien nun seit kurzer Zeit offiziell sechs Dosen je Fläschchen zugelassen. In Abstimmung mit den behandelnden Ärzten sei diesbezüglich vereinbart worden, dass je nach ärztlicher Einschätzung und Möglichkeit weitere Risikopersonen oder Gesundheitspersonal geimpft werden sollen.

Doch da kommt es auch dort zu Fällen, die Fragen aufwerfen. So blieben auch in einem Altenheim in Unterperfuss Impfdosen übrig. Freuen durfte sich laut einem Bericht der "Tiroler Tageszeitung" der Bürgermeister des Nachbarorts Kematen, Rudolf Häusler, der spontan geimpft wurde. Häusler sei als Obmann des Altenheimverbands oft im Haus und zudem Risikopatient. Warum auch seine Frau geimpft werden durfte, wollte er der Zeitung nicht beantworten. Andere Tiroler Gemeinden verimpften die "Überlinge" an Gemeindemitarbeiter. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) appellierte, sich an die Vorgaben zu halten.

Vorarlberg hat aus Fehlern gelernt

Aus Vorarlberg heißt es, dass es "derzeit aufgrund der engen Impfstoffkapazitäten keine 'überschüssigen' Impfdosen gibt". Wenn einzelne Dosen in Pflegeheimen nicht mehr verimpft werden können, werden diese noch an diesem Standort an Mitarbeitende aus weiteren Alten- und Pflegeheimen oder der mobilen Hauskrankenpflege weitergegeben.

Die einzelne Weitergabe von Impfdosen an Angehörige von Rotkreuz-Mitarbeitern, die im Rahmen der ersten Impfaktion im Vorarlberger Impfzentrum publik wurde, sei sofort nach Bekanntwerden korrigiert worden, betont man im Landhaus in Bregenz. Dennoch erhob die Feldkircher Ärztin Susanne Furlan Vorwürfe gegen Bürgermeister Wolfgang Matt (ÖVP). Sie habe ihm zunächst die Impfung verweigert, doch Matt habe darauf bestanden, geimpft zu werden, sagte die Ärztin zum ORF. Der Bürgermeister habe damit argumentiert, dass er viele Besuche in Alters- und Pflegeheimen machen müsse. Matt bestätigte die Impfung. (Gabriele Scherndl, Markus Rohrhofer, Walter Müller, Steffen Arora, red, 18.1.2021)