Die friedliche Machtübergabe von einem Präsidenten an den anderen sehen die USA eigentlich als zentrale Errungenschaft ihrer Demokratie. Die Bilder aus Washington lassen dies derzeit nicht vermuten.

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So richtig angekündigt war sie ohnehin nicht – aber zumindest am Wochenende hat die Revolution in den USA auch nicht stattgefunden. Nur wenige Dutzend bewaffnete Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden sich in einigen Hauptstädten der Bundesstaaten vor den Regionalparlamenten ein, um gegen das bevorstehende Ende der Amtszeit von US-Präsident Donald Trump zu demonstrieren.

Für Beruhigung sorgt das im Washingtoner Sicherheitsapparat vorerst aber nicht. Die Nervosität vor der Angelobung von Joe Biden zum neuen Präsidenten und Kamala Harris zu seiner Stellvertreterin am Mittwoch ist weiterhin groß. Schon mehrfach hat die Polizei mittlerweile bewaffnete Personen beim Versuch aufgegriffen, in die eigentlich unzugängliche Sicherheitszone rund um das Kapitol von Washington, D.C. vorzudringen.

Fast das gesamte Zentrum der US-Hauptstadt ist jedenfalls weiterhin eine Hochsicherheitszone. Dass Biden seinen Amtseid am Mittwoch tatsächlich auf den Stufen vor dem Westportal des Kapitols ablegen wird, gilt dennoch nicht als ganz sicher. Seine Mitstreiter beharren weiterhin darauf, die Zeremonie unter freiem Himmel abzuhalten, genauso wie das seit 1985, als Präsident Ronald Reagan wegen der Kälte ins Innere des Gebäudes ausweichen musste, stets gewesen ist. Allerdings hieß es am Sonntag auch: Das sei zumindest bisher der Plan. Das soll heißen, neue Erkenntnisse, etwa durch den US Secret Service, können diesen noch ändern.

Rechte Gruppen im Fokus

Das hängt wohl auch davon ab, wie viele mögliche Gefährder man bis dahin noch findet. Am Montag meldete die Washington Post, das Justizministerium habe bisher rund hundert Menschen wegen Beteiligung an den Ausschreitungen vom 6. Jänner angeklagt. Hunderte weitere könnten dem Bericht nach folgen. Besonders auffällig seien unter den bisher amtsbekannten Randalierern die Mitglieder dreier paramilitärischer Gruppen.

Es handelt sich um die in unterschiedlichen Schattierungen rechtsradikalen Oath Keepers, Three Percenters und Proud Boys. Sie hätten sich, so die Beobachtungen der Ermittler, bei der Erstürmung durch ihr offenbar militärisches Training bemerkbar gemacht – und dadurch, dass sie wussten, wohin sie sich im Gebäude zu bewegen hatten.

Nicht alle aber legten auch danach noch viel Geschick an den Tag. Ein Mitglied der Oath Keepers, Jon S. aus Indianapolis, Indiana, etwa wurde laut der Zeitung von Hinweisgebern erkannt, weil er als Mitglied einer Hardrock-Band bekannt ist. Michael D. aus Georgia hatte laut CBS schon zu Weihnachten auf Social Media ein Foto von tausend Patronen gepostet, deren Spitzen er in pinke Farbe getaucht hatte – "antiliberale Patronen", wie er schrieb. Weil er auch am 6. Jänner mit seiner Leistung prahlte, einen Absperrungszaun überwunden zu haben, wurde er dingfest gemacht.

Pelosis Festplatte

Riley W. aus Pennsylvania wiederum wurde laut CNN von einem ehemaligen Partner verraten. Dieser wirft ihr in einer Aussage dem FBI gegenüber vor, sie habe einen Laptop "oder eine Festplatte" aus dem Büro der demokratischen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, entwendet und vorgehabt, diesen nach Russland zu senden, damit er dem dortigen Geheimdienst übergeben werde.

Ungeachtet des Chaos um seine Wahl ist aus dem Team von Joe Biden am Montag mehr dazu durchgedrungen, was er an seinem ersten Tag im Amt machen will. Demnach ist nicht nur – wie bisher schon bekannt – geplant, via Dekret den Wiedereinstieg der USA in das Klimaabkommen von Paris zu besiegeln. Biden plane auch einen Erlass zur Zusammenführung von an der Grenze getrennten Familien und laut kanadischen Medien einen zum Stopp des Pipelineprojekts Keystone XL.

Gnade nicht für alle

Zuvor ist aber noch einmal Trump am Zug. Laut einem Bericht von CNN plant dieser, am Dienstag rund hundert Personen zu begnadigen. Er selbst soll allerdings nicht darunter sein. Weniger Gnade lässt Trump bei jenen Menschen walten, die nach Bundesrecht zum Tod verurteilt sind. Zum Ende seiner Amtszeit hat sein Justizministerium noch eine Hinrichtungswelle angeordnet. Drei waren es zwischen 13. und 16. Jänner dieses Jahres, zwölf insgesamt seit vergangenem Juni – mehr in sechs Monaten als in den sechs Jahrzehnten zuvor, schreibt die liberale Höchstrichterin Sonia Sotomayor: "Das ist nicht Gerechtigkeit."

Sie hatte einen Widerspruch zur Entscheidung ihrer Kolleginnen und Kollegen in jenem Fall verfasst, in dem der Supreme Court die Hinrichtung des wegen Beihilfe zum Mord verurteilten Dustin Higgs, der seine Schuld stets abgestritten hatte, erlaubte. Er wurde am Samstagabend mit der Giftspritze getötet, nur vier Tage vor Bidens Amtsantritt. Dieser lehnt die Todesstrafe mittlerweile ab. (Manuel Escher, 18.1.2021)