Die vage Hoffnung auf die dritte Wiederauferstehung des Handels hat sich vorerst nicht erfüllt. Die Betriebe kämpfen nun um den Erhalt des Geschäfts vor Ostern.

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Wien – Holger Schwarting ist auf Supermärkte schlecht zu sprechen. Frisch-fröhlich verkauften Spar, Hofer und Lidl in großem Stil alles rund um den Wintersport, ärgert sich der Chef der Handelsgruppe Sport 2000. "Unsolidarisch und erbärmlich" nennt er die anhaltende Weigerung der Lebensmittelkonzerne, Non-Food aus ihren Regalen zu verbannen. "Sie sind ohnehin schon die großen Krisengewinner, dennoch nehmen sie an Geschäft mit, was sie nur können. Und das alles auf dem Rücken der Fachbetriebe."

Wintersaison ist gelaufen

Die vage Hoffnung auf die Wiederbelebung des Handels im Jänner hat sich nicht erfüllt. Ob der dritte Lockdown nach dem 7. Februar enden wird, ist offen. Für viele Betriebe ist die Wintersaison aber ohnehin gelaufen.

Schwarting erzählt von Sporthändlern in Skigebieten, die ihre wichtigsten Monate im Jahr fast zur Gänze abschreiben. Vor allem jene in Tourismusregionen, denen der in Zeiten des Lockdowns erlaubte Skiverleih nichts nützte. Dieser sei im Dezember und Jänner zwischen 90 und 95 Prozent eingebrochen.

Es seien von der Regierung vergessene Branchen, sagt der Sporthändler. Finanzielle Unterstützung habe es für sie kaum gegeben. Ob die neuen Hilfen ausreichen, sei ungewiss.

Mit Krediten überleben

Andere Unternehmer, die auf Österreicher als Kunden vertrauen, sieht er nach dem ersten Schock besser durch die Krise gekommen. Die Wochen vor Weihnachten seien für viele eine Liquiditätsspritze gewesen. Weniger gelitten als Textil- und Schuhhändler habe die Sportbranche auch im Sommer und Herbst.

Dennoch sei kaum einer ohne zusätzliche Bankenkredite über die Runden gekommen. Der Handel sitze auf Winterware, die keiner kaufe, während Mitte Februar das Sortiment fürs Frühjahr vor der Türe stehe, das bezahlt werden müsse. Skier lassen sich auch nächsten Winter noch an Kunden bringen, die Industrie hält sich mit Neuerungen zurück. Die meiste Mode hat freilich ein Ablaufdatum, resümiert Schwarting. "Es ist totes Kapital."

9,7 Milliarden Umsatz fehlen

Rund 3,7 Milliarden Euro an Umsatz kostet der verlängerte dritte Lockdown den Handel, rechnet Ernst Gittenberger, Handelsexperte der Kepler-Uni Linz, vor. Er geht für Jänner und Februar für Ausfälle in Höhe von mehr als 100 Millionen Euro brutto pro geschlossenem Einkaufstag aus. Seit März vor einem Jahr gab es deren mittlerweile 90. Damit seien in Summe 9,7 Milliarden Euro verlorengegangen, ein knappes Drittel des Jahresumsatzes des betroffenen Einzelhandels.

Dass der Konsum nach dem Ende des Lockdowns zügig anspringt, bezweifelt Gittenberger. Zu hoch sei die Arbeitslosigkeit, zu groß die Verunsicherung der Kunden. Die Krise beschleunige den Strukturwandel, wie stark der Handel von Insolvenzen gebeutelt werde, zeige sich aber nicht schon zu Ostern. "Die Nachwehen sehen wir erst in den Jahren danach."

Händler haben alle Reserven aufgebraucht, viele stehen einen Schritt über dem Abgrund, zieht Rainer Trefelik, Handelsobmann in der Wirtschaftskammer, Bilanz. Dennoch könne man nicht mit dem Kopf durch die Wand. Ein Auf- und Zusperren, wie es Südtirol erlebte, wäre fatal gewesen. Auch seien die Probleme mit dem Aufsperren nicht gelöst. Ohne Gastronomen und Touristen als Frequenzbringer steht der Handel allein auf weiter Flur. Offenhalten bedingt zudem den Einsatz von zumindest der Hälfte des Personals.

Fehlende Treffsicherheit?

Trefelik verteidigt die finanziellen Hilfen der Regierung. Der bei 60.000 Euro gedeckelte neue Ausfallsbonus bringe kleinen Betrieben rasch Geld. Größere Unternehmen seien angewiesen, Instrumente wie Fixkostenzuschuss und Verlustersatz zu kombinieren. "Es ist keine leichte Übung. Aber gemeinsam mit Kurzarbeit und Ausfallsbonus kann es funktionieren." Solide Händler würden die Krise bewältigen, auch wenn sie schmerzhaft sei.

Für den Präsidenten des Handelsverbands, Stephan Mayer-Heinisch, entbehren die staatlichen Hilfen jedoch jeder Treffsicherheit. Er spricht von halbherziger Unterstützung, die in Bürokratie steckenbleibe. "Sie sind für Kleine sinnvoll, Große hingegen werden im Regen stehengelassen. Mit 60.000 Euro bezahlen viele Unternehmern gerade einmal die Stromrechnung, andere verlieren jede Woche Millionen Euro." Ihre Hilfen mit 800.000 Euro zu deckeln führe an der Realität vorbei.

Warten auf Geld

"Ende Februar wird bei vielen Betrieben für immer das Licht ausgehen." Mayer-Heinisch fordert mehr Transparenz bei der staatlichen Unterstützung ein. Etliche Unternehmer warteten bereits seit November auf Geld für Kurzarbeit und Zuschüsse für Fixkosten.

Gut durch die Turbulenzen kam hingegen der Möbelhandel, sagt Christian Wimmer, Chef der Service & More, die 300 Fachhändler in sich vereint. Auch wenn in vielen Auftragsbüchern nun Ebbe sei und sich der Jännerumsatz halbierte, erwartet Wimmer, dass die Österreicher ihr Haus und Heim im Homeoffice weiterhin auf Vordermann bringen. "Ich mache mir um unsere Händler keine Sorgen." (Verena Kainrath, 19.1.2021)