
Die grüne Abgeordnete Ewa Ernst-Dziedzic (ganz rechts) besuchte im März das Flüchtlingslager Moria auf Lesbos. Ihre parteiinterne Entmachtung sorgt für Unruhe im grünen Klub.
Die Ablöse von Ewa Ernst-Dziedzic als stellvertretender Klubobfrau der Grünen im Parlament sorgt parteiintern für Rumoren und einige Diskussionen. Teile des Klubs befürchten, dass damit der kritische Flügel innerhalb der Partei geschwächt wird. Ernst-Dziedzic hat sich konsequent für eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Lesbos und für ein stärkeres Engagement ihrer Partei in Menschenrechtsfragen eingesetzt, teils auch zum Ärger des Koalitionspartners ÖVP. Andere im Klub sehen für die Ablöse der Abgeordneten, die fest in der schwul-lesbischen Gemeinschaft verankert ist, einen ganz banalen Grund: Ernst-Dziedzic und Klubchefin Sigi Maurer könnten nicht miteinander und seien einander bereits seit geraumer Zeit spinnefeind. Also sei es nur logisch, dass sich Maurer jetzt eine Stellvertreterin im Klub sucht, mit der sie besser zusammenarbeiten kann.
In einer Klubsitzung am Dienstag soll die Klubleitung großflächig umgebaut werden. Maurer argumentiert das damit, dass im Zuge eines neuen Statuts, das man sich gegeben habe, die Arbeit neu organisiert und verteilt werden müsse. Ernst-Dziedzic soll am Dienstag als stellvertretende Klubchefin von Meri Disoski abgelöst werden, beide kommen aus der Wiener Landespartei. Auch die zweite Stellvertreterin Maurers geht: Die Salzburger Abgeordnete Astrid Rössler macht Platz für die Kärntner Biobäuerin und Abgeordnete Olga Voglauer. Auch andere Strukturen in der Klubleitung sollen in der Sitzung am Dienstag neu geordnet werden. Maurer will damit auf die Erfahrungen reagieren, die man nach einem Jahr im Parlament – und wohl auch in der Koalition mit der ÖVP – gesammelt habe.
Das Engagement für Moria macht Ernst-Dziedzic niemand streitig, allerdings heißt es, dass auch alle anderen diese Linie mittragen würden. Und auch andere haben mehr Einsatz von der Klubführung, also von Maurer, in dieser Angelegenheit gefordert und die lahme Haltung der Parteiführung kritisiert. Und das durchaus lauter und nachdrücklicher, als es Ernst-Dziedciz parteiintern geäußert hat.
Doppelte Nachfolgerin
Disoski, die seit vergangenem Jahr auch Sprecherin der Grünen Frauen ist und in dieser Position ebenfalls Ernst-Dziedzic nachgefolgt ist, wird nachgesagt, sie sei mehr auf Parteilinie, das Mitregieren werde mit ihr in der Klubführung leichter. Wenn man in den Klub hineinhört, nimmt man eine starke Unterstützung für Disoski wahr, die bisher schon viel interne Organisationsarbeit erledigt habe, während Ernst-Dziedzic in erster Linie für sich selbst tätig gewesen sei.
Und da Politik auch Wettbewerb ist, wird im Klub auf ein anderes Konkurrenzverhältnis zwischen Ernst-Dziedzic und Disoski hingewiesen: Beide würden bereits darauf hinarbeiten, bei der regulär 2024 anstehenden Nationalratswahl als Erste auf der Wiener Landesliste in den Wahlkampf zu ziehen.
Ernst-Dziedzic war bereits Bundesrätin, sie gilt als extrem ehrgeizig und sei perfekt in der Selbstdarstellung. Disoski war Büroleiterin der früheren Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou, sie ist ebenfalls bestens in der Partei vernetzt.
Beide Frauen haben zudem einen migrantischen Hintergrund: Ernst-Dziedzic wurde in Polen geboren und kam im Alter von zehn Jahren nach Österreich, Disoski wurde als Tochter mazedonischer Eltern in Wien geboren – und sie hat eine Vergangenheit als STANDARD-Redakteurin, für den sie drei Jahre lang geschrieben hat.
Umbau bei Wiener Grünen, Hebein legt Funktion zurück
Bei den Wiener Grünen steht ebenfalls die Frage der Parteiführung auf der Agenda. Die Ex-Vizebürgermeisterin und Spitzenkandidatin bei der Wien-Wahl, Birgit Hebein, hat am Montagabend – wie im Dezember angekündigt – ihre Funktion zurückgelegt. An ihre Stelle als Parteivorsitzender rutscht Landesparteisekretär Peter Kristöfel – er wird bis zur Wahl einer neuen Spitze den Posten innehaben.
Über das genaue Prozedere der Chefwahl, sie soll noch vor dem Sommer auf einer Landesversammlung abgehalten werden, dürfte erst beraten werden. Offene Fragen sind etwa, ob das erstmals für die Wahl der Spitzenkandidatin angewandte aufwendige Single-Transferable-Vote-System zum Einsatz kommt, oder ob es eine einfache Abstimmung über die Kandidaten geben wird. Ebenso dürfte noch unklar sein, wer sich um den Job überhaupt bewerben kann. Bei der Spitzenwahl konnten sich auch Sympathisanten der Grünen bewerben, die sonst nicht in der Partei aktiv sind. (Oona Kroisleitner, Michael Völker, 18.1.2021)