Wir befinden uns auf einer der größten südböhmischen adeligen Grundherrschaften, Krumau (Český Krumlov), in nächster Nähe zu Oberösterreich und Bayern. Immer wieder brachen dort — wie überall in der Habsburgermonarchie — epidemische Krankheiten aus, meist Typhus und Fleckfieber, selten auch die Pest. Für die Jahre 1715, 1727, 1738-1740 und 1772 haben sich im staatlichen Gebietsarchiv Třeboň Akten der grundherrschaftlichen Verwaltung erhalten, die sowohl in den Maßnahmenkatalog zur Seuchenbekämpfung der unterschiedlichen Behörden als auch in Problemfelder frühneuzeitlicher Behördenkommunikation spannende Einsicht geben.

Grenzschließungen, Abstandsregeln und Gebet

Der Maßnahmenkatalog im Fall des Ausbruchs einer epidemischen Krankheit spiegelt den damaligen Glaubens- und Wissensstand und die tatsächlichen Möglichkeiten der Epidemiebekämpfung im 18. Jahrhundert wider. Bei der Bekämpfung der Krankheiten verließ man sich einerseits auf praktische Maßnahmen wie die Quarantäne (40 Tage), das Schließen der Grenzen zu Bayern (was einen großen wirtschaftlichen Schaden anrichtete), das Ausstellen von Gesundheitspässen, die Einschränkung des Personen- und Warenverkehrs, strikte Abstandsregeln bei Behördengängen, die komplette Sperrung einzelner Dörfer und die Absonderung und Behandlung der Kranken in eigenen Häusern.

Andererseits setzte man auf religiös motivierte Handlungen und Hausmittel. Da die Ursache einer solchen Krankheit in den Sünden der Menschen gesucht wurde, sollte die Geistlichkeit die Menschen zu Buße, Ablass und Gebet anhalten. Räuchern, das Verbrennen von Kleidung und Bettzeug sowie spezielle Hausmittel rundeten den Maßnahmenkatalog ab.

Die Pestsäule in Wien.
Foto: Matthias Cremer/derstandard

Dabei stellt sich in einer Zeit ohne Internet und Fernsehen auch die Frage, wie diese Maßnahmen kommuniziert wurden. Die höchste Instanz war der Landesherr, in diesem Fall Kaiser Karl VI. (1685–1740) und seine Tochter Maria Theresia (1717–1780) als König beziehungsweise Königin von Böhmen. Die landesfürstliche Zentralverwaltung trat mit Ausnahme der Verhängung der Quarantäne allerdings nicht in Erscheinung. Ausschlaggebend für die örtliche Umsetzung von Maßnahmen waren die Verordnungen des adeligen Grundherrn, später auch die Anweisungen der königlichen Kreisämter.

Epidemieverordnungen des Grundherrn

Fürstin Maria Ernestina von Eggenberg (1649–1719) legte mit ihrer Verordnung 1713 die Vorlage für zahlreiche spätere Instruktionen in Krumau, wobei ein Charakteristikum der grundherrschaftlichen Kommunikation die Einbettung der Epidemie in das Herrschaftsverständnis des 18. Jahrhunderts ist.

Die ersten Absätze beschäftigen sich deswegen immer mit der religiösen Ursache, der Sünde, und ihrer Bekämpfung, der Buße und dem Gebet. Damit berief sich die Fürstin sowohl auf tatsächliche Glaubensgrundsätze der Menschen als auch auf die Grundfeste frühneuzeitlicher Herrschaft. Immerhin begann sie ihre Verordnungen stets mit den Worten "Wir von Gottes Gnaden…".

Detail aus der Verordnung von Fürstin Maria Ernestina von Eggenberg.
Foto: SOA Třebon/Český Krumlov, Schwarzenbergische Zentralkanzlei Hluboka nad Vltavou, alte Abteilung, Herrschaften in Böhmen überhaupt, B 4 E 7
Fürstin Maria Ernestina von Eggenberg, geborene Gräfin von Schwarzenberg, auf einem Gemälde aus dem Schloss von Český Krumlov.
Foto: Public Domain

Ein weiteres Charakteristikum grundherrschaftlicher Kommunikation ist die paternalistische Sorge des Grundherrn um seine Untertanen. Darunter fallen Maßnahmen wie die extra Auslieferung von Getreide an die Bevölkerung, das Bereitstellen von Rezepten, das Aussenden von Ärzten, Chirurgen und Apothekern beziehungsweise die Anweisung, den fachlichen Austausch dieser Personen zu verbessern und ihre Bezahlung zu regeln.

Behördenkommunikation und Informationsdefizite

Neben den Verordnungen gibt es auch Akten, die die Umsetzung der praktischen Maßnahmen durch grundherrschaftliche Beamte vor Ort – und ihre Problemfelder – dokumentieren. So kam das Oberamt 1713 zu der bestürzenden Erkenntnis, dass die Separation von Infizierten und die Sperrung von Dörfern zu spät eingeleitet worden waren. Dadurch könne die Krankheit nun nur noch durch die strengste, sorgfältigste und unbarmherzigste Umsetzung aller Maßnahmen eingedämmt werden, so das Amt.

Informationsdefizite bestanden dabei auf mehreren Ebenen, etwa wenn die Krankheit nicht eindeutig identifiziert werden konnte oder keine Nachrichten von abgelegenen Behausungen vorlagen. Die Zahl der Infizierten zu eruieren war daher schwierig. Wurden 1715 noch grobe Schätzungen anhand der Aussagen von Pfarrern nach Begräbnissen gewonnen, so konnten 1772 erstmals über Konskriptionstabellen (statistische Daten zum Bevölkerungsstand) einfachste Übersterblichkeitsberechnungen erstellt werden. Allein in Wittingau starben 1772 zweieinhalb Mal so viele Menschen an epidemischen Krankheiten wie in anderen Jahren. Damit begann das vormoderne "Verwalten" von Epidemieopfern. (Veronika Hyden-Hanscho, 26.1.2021)