In der brasilianischen Stadt Manaus steigt die Zahl der Infizierten aktuell stark an.

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Ist es möglich, sich nach einer Corona-Erkrankung erneut zu infizieren? Immer wieder gibt es Berichte über Reinfektionen mit Sars-CoV-2. Mehrere Studien bestätigen das – allerdings wird die Gefahr, sich erneut mit dem Virus anzustecken, als sehr gering eingeschätzt.

In einer Untersuchung aus Katar, in die 133.266 Probanden eingeschlossen waren, erkrankten 54 erneut symptomatisch. Das Risiko, sich nach einer ersten Infektion erneut anzustecken, lag demnach bei 0,02 Prozent. Weitere Ergebnisse gibt es auch aus Großbritannien. Laut einer dort durchgeführten Studie an 20.000 Krankenhausmitarbeiterinnen und -mitarbeitern reduziert sich das Risiko, nach einer Infektion erneut symptomatisch zu erkranken, um 95 Prozent.

Erneuter Anstieg

Nun, da mehrere Varianten des Virus im Umlauf sind, stellt sich die Frage, wie effizient die Immunantwort von Genesenen auch gegen neue Virusvarianten schützt und wie heftig die Symptome einer weiteren Erkrankung ausfallen könnten. In noch nicht begutachteten Preprints berichten Forschende aktuell von zwei Fällen aus Brasilien, die sich trotz nachweisbarer Antikörper erneut infizierten, und zwar mit einer der neuen Virusvarianten.

Auch in der brasilianischen Stadt Manaus steigen aktuell die Infektions-, Hospitalisierungs- und Todeszahlen stark an, obwohl im Herbst berichtet wurde, dass damals bereits etwa 75 Prozent der Bevölkerung infiziert waren. Dort wird daher vermutet, dass der erneute Anstieg der Fälle mit zwei neuen Virusvarianten zusammenhängt. Nachgewiesen ist dieser Zusammenhang allerdings nicht. "Die Bedeutung der Virusvarianten für das Risiko von Reinfektionen oder Infektionen nach einer Impfung ist aus meiner Sicht noch nicht klar", kommentiert Jörg Timm, Virologe am Universitätsklinikum Düsseldorf.

Erste Untersuchungen zeigen jedoch, dass Viren mit einer bestimmte Mutation (E484) das Potenzial haben könnten, den schützenden Effekten von bereits gebildeten Antikörpern gegen Sars-CoV-2 teilweise zu entgehen. Das bedeute aber nicht zwingend, dass eine Impfung oder eine natürlich erworbene Immunität nach Infektion gegen diese Varianten unwirksam ist oder es trotz Immunität auch zu schweren Verläufen kommt, so Timm. Das bestätigt auch der Immunologe Hannes Stockinger von der Med-Uni Wien: "Was wir derzeit an Impfstoffen haben, schützt gegen alle Varianten, die herumgeistern", sagt er.

Impfstoff anpassen

Friedemann Weber, Virologe an der Justus-Liebig-Universität Gießen, hält es für wahrscheinlich, dass das Reinfektionsrisiko durch neue Virusvarianten steigt. Er erwartet dadurch aber keine sprunghaften Änderungen, sondern eher einen schrittweisen Anstieg der Reinfektionen und eventuell auch Impfdurchbrüche, also Fälle, in denen Menschen trotz Impfung erkranken. Diesen kann allerdings mit einer Anpassung des Impfstoffs begegnet werden. Das bestätigt auch Stockinger: "Falls sich tatsächlich eine viel infektiösere Variante durchsetzt, haben wir mit den mRNA-Impfstoffen eine Technologie, mit der wir sehr rasch darauf reagieren können", so der Immunologe.

Dass Menschen positiv getestet werden, obwohl sie bereits geimpft sind, davon berichten Medien aktuell in Israel. Einem Artikel von "Haaretz" zufolge wurden 5.348 Personen innerhalb einer Woche und 5.585 innerhalb von acht bis 14 Tagen nach ihrer ersten Impfdosis positiv auf Sars-CoV-2 getestet. 69 Personen sollen außerdem an Tag 22 bis 28 positiv getestet worden sein, nachdem sie bereits ihre zweite Impfdosis erhalten hatten. Ob diese Personen Symptome zeigten, ist nicht klar.

Ein Großteil dieser Menschen dürfte sich noch vor der Impfung angesteckt haben, sie konnte also noch keine Wirkung zeigen. "Das Immunsystem braucht eine bis zwei Wochen für eine ordentliche Reaktion", sagt Stockinger dazu. Zudem reagiert das Immunsystem jedes Menschen anders auf eine Impfung. Möglicherweise entwickeln sich auch nur Antikörper im Blut, aber nicht in den Schleimhäuten, erklärt Stockinger, der Ähnliches etwa auch bei Keuchhusten-Infektionen beobachtet hat. Es könnte also sein, dass Menschen nach einer Impfung zwar vor einer Erkrankung geschützt, aber dennoch Träger des Virus sind – ein PCR-Test wäre dann positiv.

Stärke der Krankheit

Dass prinzipiell eine erneute Infektion möglich ist, kommt für Immunologen nicht überraschend. Vor allem wenn die Symptome der ersten Infektion mild waren, ist die Abwehrreaktion des Immunsystems durch Antikörper oder eine zelluläre Immunantwort womöglich nicht so stark wie bei Menschen mit heftigen Symptomen. "Die Immunität nach einer Infektion korreliert grob mit der Stärke der Krankheit. Milde Verläufe erhöhen also die Wahrscheinlichkeit einer Reinfektion", erklärt Weber.

"Auch bei anderen Coronavirus-Stämmen scheint die erworbene Immunität nicht absolut und eher kurzlebig zu sein. Patienten können sich nach etwa einem Jahr wieder infizieren. Die zweitinfizierenden Viren müssen dafür nicht unbedingt eine Mutation aufweisen", sagt dazu Julian Schulze zur Wiesch, Infektiologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.

Zudem sind die Symptome einer erneuten Infektion meist schwach, so der Düsseldorfer Virologe Timm: "Wichtig ist, dass es bei diesen Reinfektionen üblicherweise nicht zu schweren Verläufen kommt, sodass trotzdem ein Schutz besteht", sagt er und meint, dass die Abwehrreaktion der ersten Infektion durchaus Effekte zeigt, und zwar indem sie die Symptome der zweiten Erkrankung abschwächt.

Erinnerung fürs Immunsystem

Dass der Körper erneut mit dem Virus in Berührung kommt, hat übrigens auch etwas Gutes: Je öfter das passiert, desto besser rüstet das Immunsystem gegen das Virus auf – das ist auch das Prinzip hinter jenen Impfungen, die in zwei Dosen verabreicht werden. Die zweite ist sozusagen ein Booster oder eine Erinnerung für den Körper an den Erreger und daran, dass er bekämpft werden muss.

Allerdings scheint eine Impfung wesentlich besser zu wirken als natürlich erzeugte Antikörper im Blut, also eine durchschnittliche Infektion – "die mRNA-Impfung enthält mindestens dreifach höhere Pegel an neutralisierenden Antikörpern", erklärt Weber. Impfen ist also in jedem Fall die bessere Lösung. Und vor allem gilt: Auch Genesene mit einem positiven Antikörpertest sollten sich weiter an die Hygieneregeln halten. (Bernadette Redl, 20.1.2021)