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Die letzten Bilder stammen vom Flughafen, als Alexej Nawalny aus Berlin zurückgekommen ist.

Foto: Reuters TV

Moskau – Das Team des russischen Oppositionspolitikers und gerade erst nach Russland zurückgekehrte Kreml-Kritiker Alexej Nawalny veröffentlichte am Dienstag eine großangelegte Recherche über einen angeblichen Geheimpalast Präsident Wladimir Putins veröffentlicht.

Unter dem Titel "Ein Palast für Putin. Die Geschichte der größten Bestechung" posteten Nawalnys Mitarbeiter am Dienstag ein fast zwei Stunden langes Youtube-Video, in dem der Oppositionsführer dem russischen Staatsoberhaupt vorwirft, sich für 100 Milliarden Rubel (1,1 Milliarden Euro) ein "Königreich" gebaut zu haben, das 39 Mal so groß sei wie Monaco. Innerhalb einer halben Stunde wurde der Film auf Youtube fast eine halbe Million Mal angeklickt. Aus dem Kreml gab es zunächst keine Reaktion.

Zurückgekehrt und verhaftet

Der gerade erst nach Russland zurückgekehrte Nawalny wird derzeit in der Hauptstadt Moskau in einem besonders gefürchteten Untersuchungsgefängnis festgehalten. Nawalny sei am Montagabend in die Haftanstalt "Matrosenruhe" gebracht worden, schrieb ein Sprecher von Moskaus ziviler Beobachtungskommission am Dienstag in seinem Telegram-Kanal. Zuvor hatte auch Nawalnys Team diese Befürchtung geäußert.

In dem Gefängnis gab es immer wieder rätselhafte Todesfälle – unter anderen starb dort im Jahr 2009 der Anwalt Sergej Magnitski. Ein Teil der Untersuchungshaftanstalt wird laut dem Chef von Nawalnys Anti-Korruptions-Stiftung, Iwan Schdanow, vom Inlandsgeheimdienst FSB kontrolliert. "Eben der FSB, der versucht hat, Nawalny zu vergiften", so Schdanow. Nawalny sitze nun zum ersten Mal in einem richtigen Untersuchungsgefängnis, schrieb seine Sprecherin Kira Jarmysch. Es sei fast unmöglich, dort mit ihm Kontakt aufzubauen.

"Wieder in der Heimat"

Angaben der zivilen Beobachtungskommission zufolge soll es Nawalny in der Haft verhältnismäßig gut gehen. Er sei "froh, wieder in der Heimat zu sein", die Gefängniswärter übten bisher "keinen moralischen und physischen Druck" auf ihn aus.

Die Behörden äußerten sich weiter nicht zum Aufenthaltsort des 44-jährigen Oppositionellen, der am Sonntagabend direkt nach seiner Ankunft aus Deutschland am Flughafen festgenommen worden war. Dort war er nach einem Giftanschlag mit dem Nervengift Nowitschok im August im sibirischen Tomsk behandelt worden.

Neues Video zeigt Putins Palast

Weiteres Verfahren

Am Mittwoch soll Nawalny in einem weiteren Verfahren wegen Verleumdung eines Weltkriegsveteranen vor ein russisches Gericht gestellt werden. Ob der Oppositionelle wegen der üblichen 14-tägigen Corona-Quarantäne nach seiner Einreise überhaupt vor den Richtern erscheinen kann, war nach Angaben seines Anwalts Wadim Kobsew zunächst offen. "Wir haben keine Ahnung", sagte Kobsew im Radiosender Echo Moskaus.

Das Verfahren wegen Verleumdung war bereits im Juli vergangenen Jahres begonnen worden; nach dem Giftanschlag auf Nawalny und dessen anschließender Behandlung in Deutschland wurde es jedoch ausgesetzt. Die Justiz wirft dem 44-Jährigen "unwahre" und "beleidigende" Äußerungen über einen Weltkriegsveteranen vor. Dieser hatte sich im Fernsehen für das Verfassungsreferendum von Russlands Präsident Wladimir Putin ausgesprochen.

Berüchtigtes Gefängnis

Direkt nach seiner Ankunft wurde Nawalny am Montag in einem umstrittenen Schnellverfahren mit 30 Tagen Haft belegt. Ihm wird vorgeworfen, gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen zu haben. Nawalny und sein Team kritisieren das Verfahren als politische Inszenierung mit dem Ziel, ihn zum Schweigen zu bringen. "Ein normaler Mensch kann diese Absurdität nicht verstehen", schrieb seine Sprecherin Jarmysch am Dienstag auf Twitter. Nawalny rief seine Anhänger zu Protesten auf.

Im Matrosskaja-Tischina-Gefängnis wird der Oppositionelle Alexej Nawalny einen Monat lang festgehalten.
Foto: AFP / Natalia Kolesnikova

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte das Vorgehen der russischen Behörden. Die "beispiellose Überraschungsanhörung" Nawalnys am Montag sei "absurd" und eine Verhöhnung der Justiz. Bis zum letztmöglichen Moment sei dem Kreml-Kritiker der Zugang zu seinem Anwalt verweigert worden. "Diese absurde Theatralik entlarvt die Verzweiflung der russischen Behörden, Alexej Nawalny zum Schweigen zu bringen", betonte Natalia Zviagina, Direktorin des Moskauer Amnesty-Büros, in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

Politische Auseinandersetzung

Die russische Führung schwieg weitgehend zu dem Verfahren um Nawalny. Außenminister Sergej Lawrow gab in Moskau zwar eine Online-Pressekonferenz, betonte aber, er sei für die rechtliche Seite des Falls in Russland nicht zuständig. Das sei Sache der russischen Sicherheitsorgane. Gleichwohl forderte er Deutschland erneut dazu auf, Beweise für eine Vergiftung Nawalnys vorzulegen.

Die Forderung der deutschen Regierung und anderer Staaten nach einer Freilassung Nawalnys wies der Kreml entschieden zurück. "Das ist eine innere Angelegenheit der Russischen Föderation, wir erlauben es nicht, sich da einzumischen", so Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Agentur Interfax zufolge. Als "Unsinn" bezeichnete Peskow Nawalnys Vorwürfe, dass Putin "Angst" vor dem Oppositionellen habe und ihn deshalb habe einsperren lassen. Für Putin gebe es hier keinen besonderen Anlass, sich in den Fall Nawalny einzuschalten.

Disput mit Deutschland

Die russische Generalstaatsanwaltschaft warf Deutschland unterdessen vor, Rechtshilfeersuchen wenig aufschlussreich beantwortet zu haben. "Das zeigt die Absicht der ausländischen Kollegen, die wahren Umstände des Vorfalls zu verbergen, um die unbegründeten Anschuldigungen gegen die russische Seite fortzusetzen", hieß es. Am Freitag hatten die deutschen Behörden mitgeteilt, sie hätten die russischen Gesuche beantwortet. Berlin forderte Moskau zudem erneut auf, das Verbrechen an Nawalny aufzuklären.

Nawalny und sein Team machen Russlands Präsidenten Wladimir Putin und den FSB für den Giftanschlag mit dem Nervengift Nowitschok verantwortlich. Putin und der FSB weisen die Anschuldigungen zurück. (APA, AFP, red, 19.1.2021)