Die "Presse"-Redaktion verwahrt sich in einer Erklärung gegen den Versuch mehrerer Oberstaatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), eine "Presse"-Redakteurin wegen eines kritischen Artikels strafrechtlich verfolgen zu lassen.

Screenshot: Die Presse

Wien – Der Redaktionsausschuss und die Chefredaktion der Tageszeitung "Die Presse" verwahrten sich am Dienstag in einer Erklärung gegen den Versuch mehrerer Oberstaatsanwälte der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), eine "Presse"-Redakteurin wegen eines kritischen Artikels strafrechtlich verfolgen zu lassen. "Schluss mit Einschüchterung", forderte auch der Konzernbetriebsrat der Styria Media Group in einem offenen Brief.

  • Update, 21.1. – Kritik kommt auch von der Organisation Reporter ohne Grenzen Österreich (RSF): "Es darf keinerlei Einschüchterungen von JournalistInnen in Form von Klags-Drohungen geben. Diesen schändlichen Versuch, unabhängigen und kritischen Journalismus einzuschränken, verurteilen wir massiv. Wir fordern eine Entschuldigung der WKStA bei der betroffenen Journalistin", erklärte RSF-Österreich-Präsidentin Rubina Möhring am Donnerstag in einer Aussendung.

Stein des Anstoßes war der "Presse"-Artikel "Weniger Intimes darf in die Akten" vom 20. November 2020 über einen Spruch des Obersten Gerichtshofs, der regelt, dass künftig nur verfahrensrelevante Beweismittel gesammelt werden sollen. In dem Artikel waren auch Bezüge zu WKStA-Ermittlungen zum Ibiza-Video hergestellt worden. Fünf Oberstaatsanwälte hatten eine Klage eingebracht, die Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hatte grünes Licht gegeben.

Natürlich stehe es einer Behörde zu, inhaltliche Kritik zu äußern, heißt in der auf der "Presse"-Website veröffentlichten Erklärung von Redaktionsausschuss und Chefredaktion. "Inakzeptabel" sei es aber, "wenn strafrechtliche Anzeigen gegen Redakteure erstattet werden, weil einem der Artikel nicht gefällt. So, wie die Justiz ermitteln können muss, ohne Repressalien zu fürchten, muss auch kritischer Journalismus möglich sein, ohne Anzeigen oder gar eine strafrechtliche Verfolgung durch die Justiz zu fürchten."

"Vorwürfe nicht berechtigt"

Der "Presse"-Redakteurin wurde im konkreten Fall üble Nachrede, die öffentliche Beleidigung einer Behörde sowie Verleumdung (Strafdrohung: bis zu fünf Jahre Haft) vorgeworfen. Dass diese Vorwürfe nicht berechtigt waren, zeigt laut der "Presse"-Erklärung "die Entscheidung der mit dem Fall befassten Staatsanwaltschaft Wien, die Anzeigen bereits mangels Anfangsverdachts zurückzulegen". Der Artikel werfe der WKStA nämlich entgegen ihrer Meinung gar keine Verletzung der Amts- oder Standespflichten vor, wie die Staatsanwaltschaft Wien erklärte. Der Text sei durch die freie Meinungsäußerung gedeckt.

"Es wäre schon schlimm genug, wenn hier die journalistische Freiheit ausschließlich der 'Die Presse'-Kollegin im Fadenkreuz gestanden wäre", heißt es im offenen Brief des Styria-Betriebsrats. Es gehe aber um "die Freiheit in der Berichterstattung für alle Journalist*innen in Österreich". Diese Freiheit müsse "garantiert sein und abgesichert werden".

"Pressefreiheit gewährleisten"

"Was für die Justiz gilt, gilt auch hier. Die Unabhängigkeit journalistischer Arbeit von staatlicher und politischer Einflussnahme ist unabdingbare Verfassung des demokratischen Österreich. Journalismus kommt der wichtigen Aufgabe nach, unabhängig und gewissenhaft darzustellen und zu erläutern, was ist", sagt Markus Mair, CEO der Styria Media Group: "Dies gilt für die 'Presse' wie für alle anderen unabhängigen Qualitätsmedien in unserem Land. Alle politisch Verantwortlichen sind weiterhin dazu aufgerufen, Pressefreiheit und unabhängigen Journalismus zu gewährleisten und zu verteidigen, im Interesse aller Bürgerinnen und Bürger." (red, 19.1.2021)