St. Pölten – Anfang Dezember erteilte die niederösterreichische Landesregierung einen Großauftrag an eine Firma. Das wäre nicht weiter berichtenswert, würde es sich beim Auftrag nicht um ein Massentestsystem für die Schulen des Bundeslandes handeln – und bei der Firma nicht um ein Unternehmen, an dem ein Landtagsabgeordneter der ÖVP beteiligt ist: Die Artichoke GmbH, ursprünglich ein IT-Unternehmen, das bald nach Beginn der Pandemie auf Corona-Test-Logistik umgesattelt ist und das zu 20 Prozent dem schwarzen Mandatar Anton Erber gehört. DER STANDARD berichtete.
Keine Ausschreibung
Die zuständige Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) verteidigt die Vergabe ohne Ausschreibung in einer Anfragebeantwortung an die Neos im Landtag: Gemäß Vergaberecht hätten "äußerst dringende, zwingende Gründe" bestanden, auf ein Vergabeverfahren zu verzichten. Ein solches hätte, selbst im beschleunigten Modus, 15 Tage plus zehn Tage "Stillhaltefrist" gedauert, womit der Start der Tests an Schulen am 9. Dezember 2020 nicht möglich gewesen wäre.
Im Fall der bestellten Tests sei aber "die Errichtung der Teststraßen und die entsprechende Ausweitung der Testkapazitäten im Schulbereich dringend geboten, um infizierte Schüler rechtzeitig zu identifizieren, infizierte Personen und deren Kontaktpersonen zu isolieren und somit eine weitere Ausbreitung des Virus zu vermeiden". Die Entscheidung für Lamp-Tests sei gefallen, weil die Qualität gut sei und die Auswertung von PCR-Tests zu lange dauere.
Zwei Mitbewerber
Unter "Bemühung um größtmögliche Transparenz und Aufrechterhaltung des freien und lauteren Wettbewerbs" seien dann drei Unternehmen zu Angeboten eingeladen worden, die zur Erfüllung des Auftrags imstande gewesen seien: die Cura GmbH aus Linz, die Medlog Medizinische Logistik und Service GmbH aus St. Pölten und eben die Artichoke Computing GmbH aus Göstling an der Ybbs.
An letztere ging dann der Auftrag, für den die Fixkosten laut Anfragebeantwortung 202.320 Euro pro Monat betragen. Pro Test verrechnet die Artichoke demnach 28,20 Euro.
Neos sehen keinen Grund für Direktvergabe
Neos-Landessprecherin Indra Collini hält das Vorgehen der Landesregierung für "aufklärungswürdig": "Die Landesrätin selbst hat noch im Dezember in den Medien von einer transparenten Ausschreibung gesprochen. Diese hat jedoch trotz der hohen Fixkosten für das Projekt von über 200.000 Euro im Monat nachweislich nie stattgefunden", sagt Collini. "Das Argument, wonach eine Direktvergabe ohne Einholung von Vergleichsangeboten durch ein nicht vorhersehbares Ereignis erlaubt sei, ist im 8. Monat der Corona-Pandemie nicht nachvollziehbar."
Gerade bei Vergaben an Unternehmen von politisch nahestehenden Personen gebe es "auch eine moralische Verpflichtung und den Anspruch, über jeden Verdacht erhaben zu sein", sagt Collini. (Sebastian Fellner, 19.1.2020)