Nenda mangelt es nicht an "Attitude" und musikalischem Gespür, wie sie auf "Mixed Feelings" beweist.

Foto: Yuki Gaderer

"Weil mir die Leute fragen, wo meine Wurzeln sein / und 's mir dann nid glauben, wenn i sag', im Ötztal drein", rappt sich die 26-jährige Nenda Neururer auf ihrer ersten Nummer Mixed Feelings von der Seele. Sie verhandelt ihre Identität als Person of Colour, als "Mixed Chick", das im Tiroler Bergdorf umgeben von schneeweißen Menschen aufgewachsen und dann nach London in die große Stadt gezogen ist. Die Newcomerin, die in ihrer Nummer nicht nur Themen wie Mikrorassismus benennt und Fragen nach Zugehörigkeit stellt, gibt mit ihrer Mischung aus Sprechgesang in Tiroler Dialekt und British English auch dem, was man normalerweise mit dem Sound der Alpen assoziiert, ein Update. Ein Gespräch über das Leben in zwei Welten.

STANDARD: Wie war das Aufwachsen im Ötztal für Sie?

Nenda: Im Ötztal bin ich anders behandelt worden als die anderen Kinder, wurde gefragt, woher ich denn wirklich komme, ob ich adoptiert sei. Selbst heute, wenn ich zum Skilift gehe und nach dem Einheimischenpreis frage, bin ich immer noch nervös. Als müsste ich immer noch beweisen, dass ich aus Österreich, aus Tirol bin.

STANDARD: Was ist das Problem mit Leuten, die fragen, woher man "denn eigentlich" kommt?

Nenda: Die Häufigkeit. Es ist ihnen gar nicht bewusst, wie oft am Tag man das gefragt wird. Jedes Mal muss ich meine private Kindheitserfahrung mit einer Person teilen, die ich vor fünf Minuten getroffen habe.

NENDA

STANDARD: Können Sie sich an ein einschneidendes Erlebnis in Ihrer Kindheit erinnern?

Nenda: In der Volksschule rief mir mal ein Kind aus einer anderen Klasse das N-Wort hinterher. Dessen Lehrerin hat mich dann aus dem Unterricht gefischt, mich mit dem anderen Kind zusammengesetzt und von mir, einer Siebenjährigen, verlangt zu erklären, warum man das nicht sagt. Ich bin völlig erstarrt, es war mir so unangenehm und peinlich, weil ich mir sicher war, ich hätte etwas falsch gemacht. Ich habe erst viel später realisiert, dass es die Lehrerin war, die völlig falsch mit der Situation umgegangen ist.

STANDARD: Konnte Ihre Familie Sie auf so etwas vorbereiten?

Nenda: Nein, meine Mutter, die weiß ist, hatte ja selbst überhaupt kein Vokabular dafür, weil sie ja die Erfahrungen selbst nicht gemacht hat. Natürlich hat sie versucht, mich und meine Schwester zu beschützen, aber vorbereiten konnte sie uns nicht.

STANDARD: Hat die Black-Lives-Matter-Bewegung den Diskurs über diese Themen verändert?

Nenda: Ich bin sehr erfreut gewesen, wie viele Leute in Österreich zu diesen Demonstrationen gegangen sind. Gleichzeitig bricht es mir das Herz, dass Menschen sterben müssen, damit so etwas passiert. Aber ich denke, dass es Leuten Mut gemacht hat, mit ihren eigenen Familien über diese Themen zu sprechen.

STANDARD: War der Rassismus ausschlaggebend für Sie nach London zu gehen?

Nenda: Nein, ich wollte eine Schauspielkarriere starten und wusste, dass das in London gut funktioniert. Das hat es bis Corona auch. Ich habe 2020 zwei Filme gemacht, hoffe auch, dass sich das Theater bald wieder erholen wird.

STANDARD: Sicherlich nicht einfach als Nichtmuttersprachlerin?

Nenda: Ich habe es gut geschafft, keinen deutschen Akzent mehr zu haben. Es klingt sehr nach London. Dieses unterschwellige Sich-beweisen-Müssen, das ich seit der Kindheit kenne, hatte dann insofern eine positive Seite, als ich Tag und Nacht geübt habe, diesen Akzent wegzukriegen. Mittlerweile habe ich auch den amerikanischen und jamaikanischen Akzent drauf.

STANDARD: Würde es Sie reizen, auch im deutschsprachigen Raum schauspielerisch tätig zu sein?

Nenda: Wäre schon cool, wenn mich der Opa mal im Tatort sieht!

STANDARD: Ich kann mir vorstellen, dass hier noch klischeehafter gecastet wird als in London. Wie sieht es dort mit Stereotypen aus?

Nenda: In London habe ich wegen meiner "Gemischtrassigkeit" den Vorteil, dass ich quasi als "white enough" durchgehe. Meine dunkelhäutigen Freunde und Freundinnen können für viel weniger Rollen vorsprechen. Das ist natürlich ein Riesenproblem.

STANDARD: "Mixed Feelings" ist ja nicht nur ein Song, sondern auch ein gesellschaftspolitisches Statement. Wie wichtig ist Ihnen diese Komponente in Ihrer Musik?

Nenda: Sie ist mir sehr wichtig, und ich will diese Themen auch weiterhin in meiner Musik behandeln. Wenn sich Menschen wie ich dadurch gesehen fühlen, dann habe ich etwas erreicht. (Amira Ben Saoud, 20.1.2021)