Die wohl größte Impfaktion in der Menschheitsgeschichte ist voll angerollt, rund 50 Millionen Menschen weltweit haben bereits ein Vakzin gegen Covid-19 erhalten. Aber wie wird die Impfung 2021 unser Leben verändern, wie wird die neue Normalität aussehen? – nicht zuletzt angesichts neuartiger Mutationen des Virus.

Über diese Fragen diskutierte eine hochkarätige Expertenrunde beim Videotalk "STANDARD mitreden". Los ging es mit guten Nachrichten. Die Immunologin Ursula Wiedermann-Schmidt erzählte über neueste Erkenntnisse, insbesondere aus Israel, wo bereits ein Drittel der Bevölkerung geimpft worden ist. "Es schaut sehr gut aus", sagte Österreichs oberste Impfexpertin. Neue, schwere Nebenwirkungen seien zu den schon in den Zulassungsstudien beschriebenen nicht dazugekommen. Auch sei eine erste Tendenz ablesbar, wonach die Impfung auf die Übertragbarkeit der Erkrankung Auswirkungen haben könnte. Wie sie darauf kommt? Sie finden die Antworten im Video.

Simulationsforscher Niki Popper argumentierte, dass es auch in Österreich mit Impfeffekten sehr schnell gehen könnte. Gelingt es, die über 65-Jährigen wie von der Regierung geplant bis Ende März weitgehend zu impfen, werde sich das bei Spitalsaufnahmen und Todesfällen stark bemerkbar machen.

Virus erwischt Jüngere mit Vorerkrankungen

Hier wurde es richtig spannend: Gesundheitsökonom Thomas Czypionka ließ mit einer Warnung aufhorchen. Wenn ältere Menschen geimpft sind, werde der Druck sehr rasch zunehmen, die Maßnahmen zu lockern, so Czypionka. Doch das wäre gefährlich. "Wir haben einen erheblichen Anteil der unter 65-Jährigen, die Vorerkrankungen haben", sagt der Experte. Typ-I- und -II-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas. All das führe zu schwereren Verläufen. Für diese Gruppe könnte es noch Monate keinen Impfstoff geben – und entsprechend müssten auch Einschränkungen des Alltagslebens weiter bestehen bleiben, die aber immer schwerer zu rechtfertigen sein werden.

Auch die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack, die in der Bioethikkommission sitzt, zerstreute Hoffnungen auf eine rasche Rückkehr in die Normalität. Auch weil ungewiss sei, ob die Impfung gegen die Virusmutationen wirken werde.

Wie lange müssen wir Rücksicht nehmen?

Aber wie ist es, wenn einmal allen in der Gesellschaft eine Impfung angeboten wird, sich aber eine große Gruppe weigert? Müssen wir dann auch auf diese Menschen Rücksicht nehmen, oder braucht es uns dann nicht mehr zu kümmern, wenn hier Corona wütet? Prainsack: "Die Menschenwürde gebietet es, auch jene zu schützen, die sich nicht impfen lassen wollen, weil sie denken, dass das ein unzulässiger Eingriff in ihre körperliche Integrität ist. Diese Menschen völlig aus der Gleichung herauszulassen würde ich problematisch sehen."

Mit dabei bei der Diskussion war auch der Philosoph Peter Kampits. Er leitetet auf die Fragen über, welche langfristigen Änderungen in der postpandemischen Welt auf uns zukommen werden. Kampits sprach von einer globalen Zäsur, ein Zurück zur Normalität sei unmöglich. "Die Pandemie ist ein Anzeichen, dass wir in der Moderne auf dem falschen Weg sind. Der bisherige Weg einer globalen Konzentration auf Leistung, Ökonomie und Konsum ist ein Weg, den wir so nicht mehr aufnehmen werden können." Da werde auch die Impfung nichts daran ändern, die Verwundbarkeit unserer Gesellschaften in der bisherigen Form sei zu deutlich geworden.

Privilegien kommen

Wo sich alle einige waren: Für all jene, die sich impfen lassen, werde es in der Gesellschaft von morgen Privilegien im Alltagsleben geben. Wieso die Expertenrunde so argumentiert und welche Privilegien das sein könnten? Finden Sie die Antworten im Video. Außerdem: Warum die Impfexpertin Wiedermann-Schmidt trotz der Meldungen über Todesfälle nach Corona-Impfungen in Norwegen nicht beunruhigt ist. Und: Wie genau schützt die Impfung gegen die Corona-Mutationen, und reicht es, das Vakzin einmal zu bekommen, oder wird es regelmäßige Impfkampagnen brauchen? Auch diese Antworten gibt es im Video. (Video: Ayham Yossef, András Szigetvari, 21.1.2021)