Flusspferde sind streitlustig – und nicht nur gegenüber Artgenossen.
Foto: Raul ARBOLEDA / AFP

Sie sind eines der exotischeren Beispiele für biologische Invasionen in jüngerer Vergangenheit, und ein besonders schlagzeilenträchtiges obendrein – Stichwort "Kokain-Hippos". Flusspferde breiten sich im Nordwesten Kolumbiens aus, eingeflogen einst im Auftrag von Drogenbaron Pablo Escobar höchstselbst. Der bestückte seinen Privatzoo auf der 3.000 Hektar großen Hacienda Nápoles mit allerlei Großtieren. Die meisten davon wurden nach seinem Tod im Jahr 1993 abtransportiert oder waren schon vorher an Vernachlässigung gestorben.

Die Flusspferde aber blieben und gediehen prächtig, immerhin finden sie in der Region Umweltbedingungen vor, die denen in ihrer afrikanischen Heimat entsprechen. Aus dem ursprünglichen Quartett sind bei der jüngsten Zählung im Jahr 2020 schon 80 geworden, und wenn man nicht eingreift, wird die Kurve steil nach oben geben. Eine Studie der University of California prognostizierte, dass man es in ein paar Jahrzehnten schon mit tausenden Tieren zu tun haben könnte. Nun plädieren Forscher für den Abschuss der Tiere, weil keine andere Maßnahme geholfen hat.

Bild nicht mehr verfügbar.

Einige Flusspferde leben noch immer nahe der Hacienda Nápoles, andere hat es schon weit ins Umland gezogen.
Foto: AP Photo/Ivan Valencia

"Unsere Ergebnisse zeigen die dringende Notwendigkeit, dass die kolumbianischen Behörden kritische Management-Entscheidungen treffen, um das Populationswachstum und die Ausbreitung der Flusspferde zu begrenzen", schreibt ein Team um David Echeverry von der regionalen Umweltagentur CORNARE im Fachblatt "Biological Conservation". Gemeint ist damit: Abschuss.

Zuvor hatte man es mit sanfteren Methoden wie Sterilisation oder Kastration versucht, was aber pro Flusspferd mit immensem Aufwand verbunden und in Summe daher nicht effektiv ist. "Die Option, sie zu töten, war immer auf dem Tisch", sagte Echeverry. "Allerdings ist es sehr schwierig, sich vorzustellen, dass dies im Moment passieren könnte." Der Grund: Die Tiere sind in der Bevölkerung erstaunlich beliebt – selbst der Umstand, dass sie Felder verwüsten, hat dem noch keinen Abbruch getan. Sie sind mittlerweile sogar zur Touristenattraktion geworden.

Bild nicht mehr verfügbar.

Noch haben die Tiere in der Region einen Status zwischen Maskottchen und inoffiziellem Wappentier. Ihre Beliebtheit macht es schwierig, ihre Ausbreitung zu begrenzen.
Foto: AP Photo/Ivan Valencia

Biologen hingegen gruselt es, wenn sie mitansehen müssen, wie die Tiere mitten durch Dörfer trotten und Menschen in ihrer Nähe für Selfies posieren oder die Flusspferde sogar füttern. In ihrer afrikanischen Heimat werden Flusspferde wegen ihrer hohen Aggressivität zu Recht gemieden: Sie können Boote zum Kentern bringen, aber auch an Land attackieren – und laufen trotz ihrer Masse schneller als jeder Mensch. Pflanzenfresser greifen in der Regel zwar nur an, wenn sie sich, ihren Nachwuchs oder ihr Revier verteidigen wollen. Das ist auch bei Flusspferden im Prinzip nicht anders, nur legen sie die Selbstverteidigung deutlich offensiver an als andere Huftiere.

Außerdem warnen Forscher vor den ökologischen Folgen, die eine weitere Ausbreitung der Flusspferde mit sich bringen würde. Die Unmengen an Kot, die die Kolosse ausscheiden, verändern die Wasserqualität deutlich, wie Untersuchungen zeigten – einheimische Wassertiere sind die Leidtragenden.

Eine Tötung sei daher vermutlich die einzige Maßnahme, um das Problem in den Griff zu bekommen, lautet das Fazit der Studie. Doch ist den Forschern bewusst, dass ihre Empfehlungen vorerst noch kaum umsetzbar sind – allen vernünftigen Erwägungen stünde immer noch das Charisma der Tiere im Wege. (jdo, 20.1.2021)