In unsicheren Zeiten steigen die psychischen Belastungen und Erkrankungen von Arbeitenden. Vorgesetzte tragen eine Mitverantwortung für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden.

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In unsicheren Zeiten wie den aktuellen steigen die psychischen Belastungen und Erkrankungen von Arbeitenden. Und ihre Führungskräfte? Sie schauen oft weg, wenn sie bei einem Mitarbeiter oder einer Mitarbeiterin eine entsprechende Verhaltensänderung feststellen – auch weil sie unsicher sind. Trete ich dem Mitarbeiter zu nahe, wenn ich ihn darauf anspreche? Oder empfindet sie es als ein Einmischen in ihre Privatsphäre? Verschlimmert sich die Situation eventuell sogar dadurch?

Die genannten Fragen zu beantworten ist für Führungskräfte nicht leicht, denn ihre Wahrnehmung ist stets subjektiv. Trotzdem ist es ihre Aufgabe, Verhaltensänderungen bei Beschäftigten nicht nur zu erkennen, sondern daauf auch adäquat zu reagieren. Das setzt voraus, dass Vorgesetzte in regelmäßigem Kontakt mit den Mitarbeitenden stehen.

Vorgesetzte tragen Mitverantwortung

Aber woran erkennen Sie belastete Teammitglieder? Indizien für eine starke psychische Belastung oder gar Erkrankung können folgende sein:

  • Die Fehlzeiten steigen.
  • Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin reagiert schnell gereizt und wirkt ausgelaugt.
  • Das Erledigen der Alltagsaufgaben dauert länger.
  • Der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin macht häufiger Fehler.
  • Er oder sie zieht sich sozial zurück.

Wie auf die "Alarmsignale" reagieren? Wenn Sie als Führungskraft bei Beschäftigten solche Veränderungen registrieren, ist es nicht Ihr Job als Laie, eine medizinische oder psychologische Diagnose zu erstellen. Sie sollten die Situation jedoch nicht ignorieren, sondern ansprechen. Die Sorge, dass diese sich hierdurch noch verschlimmert, ist meist unbegründet – sofern hinter Ihrem Ansprechen ein echtes persönliches Interesse am Wohlbefinden der Person steckt. Dann erlebt der Betroffene Ihr Aktivwerden als Ausdruck persönlicher Wertschätzung und Angebot einer Unterstützung.

Je früher psychische Überlastungen und sich anbahnende Erkrankungen erkannt werden und ihnen entgegengewirkt wird, umso besser ist dies auch für das Team. Denn auch dieses leidet darunter, dass ein Kollege oder eine Kollegin überlastet ist.

Tipps für Führungskräfte

Schritt 1: Wahrnehmen der Veränderung

  • Um Veränderungen zu erkennen, bedarf es eines regelmäßigen Kontakts mit dem Team.
  • Sprechen Sie über anhaltende (Verhaltens-)Veränderungen einer Person nie hinter deren Rücken mit Kollegen oder Teammitgliedern.

Schritt 2: Ansprechen der Beobachtungen

  • Suchen Sie das Vier-Augen-Gespräch mit der betroffenen Person.
  • Sprechen Sie Ihre Beobachtungen in konkreten Situationen an, um Missverständnisse zu vermeiden.
  • Vermeiden Sie eigene Interpretationen und Beurteilungen der Situation.
  • Sollte die Person Ihre Beobachtungen nicht teilen, nehmen Sie die Rückmeldung hin.
  • Bieten Sie Ihre Unterstützung an.

Schritt 3: Veränderungsinitiative ergreifen

  • Fragen Sie nach, ob, und wenn ja, welche Unterstützung er oder sie sich von Ihnen, dem Team und dem Unternehmen wünscht.
  • Sichern Sie Ihre Unterstützung zu, und vereinbaren Sie gegebenenfalls konkrete Maßnahmen.
  • Sollten sich Ihre Beobachtungen nach dem Gespräch nicht ändern, führen Sie erneut ein Gespräch mit der betroffenen Person.
  • Beleuchten Sie betriebliche und, sofern möglich, auch private Ressourcen für eine positive Veränderung.

Schritt 4: Leitungsfunktion wahrnehmen

  • Führen mehrere Gespräche nicht zu einer Verbesserung, sollten Sie dazu übergehen, Ihre Erwartungen zu formulieren. Zum Beispiel die Inanspruchnahme unterstützender Maßnahmen.
  • Beziehen Sie (außer-)betriebliche Hilfe ein.

Fazit: Eine offene und frühzeitige Kommunikation darüber, wie das Wohlbefinden und die Arbeitsfähigkeit eines Teammitglieds wieder hergestellt werden können, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine gute Lösung für alle Beteiligten gefunden wird. Daher sollten Sie als Führungskraft in jedem Fall aktiv werden. Denn letztlich geht es darum, dass ein bewährter Mitarbeiter oder Mitarbeiterin Ihrem Betrieb erhalten bleibt. (Sabine Machwürth, 21.1.2021)