"Früher gab es für viele Schüler und Studenten nichts Schöneres als Skilehrern. Jetzt sind wir auf Auswärtige angewiesen."

Foto: Hirner

Unter normalen Umständen ist Ernst Hinterseer jun. in der Skischule "Rote Teufel" für rund 200 Skilehrer zuständig, aktuell leidet auch sein Geschäft wegen Corona sehr. Er sieht den Skisport in Österreich auf einem hohen Niveau, das es zu halten gelte, und glaubt nicht, dass man "großartig etwas Neues erfinden" müsse.

STANDARD: Ist der Skisport noch zu retten?

Hinterseer: Ich kann es mir nicht vorstellen, dass der Skisport stagniert. Viele Leute sitzen wochenlang im Nebel. Wenn sie die Bilder im Fernsehen sehen, wolkenloser Himmel, schöner Schnee, dann wirkt das. Die Leute haben Lust auf die Natur und die Berge. Und dafür geben sie gern Geld aus.

STANDARD: Viele klagen, dass sich Skifahren zu einer schwer leistbaren Freizeitgestaltung verändert hat.

Hinterseer: Klar, im Vergleich zum Sommerurlaub ist der Winterurlaub teurer. Man kann ihn nicht mit einem Badeurlaub vergleichen, aber man bekommt auch viel geboten. Wenn etwas da ist, was etwas wert ist, darf es aber auch etwas kosten. Die Bergbahnen modernisieren ja auch die Lifte, und da sind wir in Österreich schon Weltspitze. Außerdem ist Skifahren bei uns im Verhältnis zu anderen Ländern billig.

STANDARD: Wie werden sich die wirtschaftlichen Folgen von Corona auf den Skitourismus auswirken?

Hinterseer: Natürlich ist es heuer schwer zu sagen, wie die Zukunft wird und wie die finanziellen Möglichkeiten für viele Leute ausschauen. Wie lange brauchen sie, bis sie sich wieder von der ganzen Geschichte erfangen haben? Wie kann die Regierung das abfangen? Heuer sparen sie vielleicht viel Geld, weil sie nicht auf Winterurlaub fahren. Die Frage ist: Brauchen sie das Geld, um zu überleben? Es ist schwierig.

STANDARD: Die Klimaveränderung setzt dem Skisport zu. Weiße Kunstschneebänder in brauner Umgebung sehen wenig verlockend aus. Zudem wird mit Schneekanonen ein großer Aufwand betrieben, der dem Klima schadet. Ist das vertretbar?

Hinterseer: Nur ein Schneeband ist für das Auge oft ein Problem. Aber inzwischen sind sie bei den Bergbahnen technisch so weit, dass sie in zwei oder drei Tagen das gesamte Skigebiet zugeschneit haben, sodass es perfekt zum Skifahren geht. Sie haben fast 1200 Schneekanonen. Der Energieverbrauch ist klarerweise hoch, aber im November haben wir genügend Reserven. Bis die ganze Stadt voll hochgefahren ist, bis die Gäste alle da sind, ist die Grundbeschneiung schon vorbei. Und Wasser haben wir genug. Kleinere Skigebiete haben natürlich oft nicht die Möglichkeiten. Aber für uns ist die Kosten-Nutzen-Rechnung einfach: Wenn wir es nicht machen, haben wir keine Leute in den Hotels. Dann wäre es wie jetzt ein Fiasko.

STANDARD: Wie sehr leidet aktuell das Geschäft in der Skischule?

Hinterseer: Wir haben natürlich offen, solange die Bergbahnen offen haben. Sie müssen große Umsatzverluste hinnehmen und müssen wirtschaftlich denken. Der Skilehrerbetrieb ist sehr eingeschränkt, weil man nur Leute aus einem Haushalt unterrichten darf. Der Umsatzrückgang beträgt 95 Prozent. Wir leben von der Masse, das ist ein Riesenproblem.

STANDARD: Werden die Massen nach Corona wiederkommen?

Hinterseer: Viel wird wahrscheinlich von der Impfung abhängen. Die Engländer werden sicher länger brauchen, aber die Deutschen scharren schon. Aber es wird dauern, bis sich das Ganze erholt hat. Aber wir hoffen, dass wir wieder in einen halbwegs normalen Bereich kommen, es muss ja nicht gleich wieder alles explodieren.

STANDARD: Wie hat sich der Skilehrerjob über die Jahre entwickelt?

Hinterseer: Sehr stark. Wir haben heute Skilehrer aus Holland, Deutschland, England, auch Russland. Die Leute wollen Native Speaker. Da kommst du mit deinem Bauernenglisch unter Anführungszeichen nicht immer durch. Früher war es fein, da ist es auch um andere Sachen gegangen. Jetzt geht es nicht mehr ums Halligalli, der Skilehrer im Mittelpunkt, am Tisch und Holadrio. Früher gab es für viele Schüler und Studenten nichts Schöneres als Skilehrern. Jetzt haben sie scheinbar alle Geld, nicht mehr so viel Zeit und müssen viel lernen. Wir sind auf Auswärtige angewiesen, sie machen es gern.

STANDARD: An dem Klischee, dass Skilehrer bis zum Abwinken in den Hütten herumtanzen ...

Hinterseer: ... und jede Frau abschleppen – das hat sich geändert, wird es aber noch geben, das ist ja logisch. Es ist ein sehr schöner Job, in dem man in kurzer Zeit gutes Geld verdienen kann. Was gibt es Schöneres, als im Freien an der frischen Luft sein Hobby zum Beruf machen zu können?

STANDARD: Wie hat sich das Publikum verändert?

Hinterseer: Für Kitzbühel sind der englische und der deutsche Markt sehr wichtig. Und in den Ferien auch der österreichische. Dazu Holland und Russland, wobei heuer natürlich alles anders ist.

STANDARD: Wie hat sich der Anteil an Kindern entwickelt?

Hinterseer: Es sind mehr Kinder geworden. Wobei es früher eine ganz andere Gruppendynamik gegeben hat. Das Gesellschaftliche war wichtiger. Jetzt geht es mehr darum, schnell zu lernen.

STANDARD: Viele Leute bekritteln, dass der Skisport Privilegien genießt. Ein berechtigter Vorwurf?

Hinterseer: Schwierig. Natürlich ist es gut, dass wir Skifahren können. Die Bergbahnenlobby hat Druck gemacht, das ist klar, aber die Bergbahnen sehen jetzt auch, dass es nicht das Riesengeschäft ist, solange es Reisewarnungen gibt. In Großstadtnähe funktioniert es, aber sie haben ein anderes Problem, einen Riesenansturm. Dass es da einen gewissen Unmut gibt, ist verständlich. Aber bei uns sieht man fast keine Leute auf der Piste, dann ist es auch schwierig. Ich habe das Problem, dass meine Kinder gute Tennisspieler und Fußballspieler sind. Dass man gar nicht Tennis spielen darf, wo man immer Abstand hat, das verstehe ich nicht ganz. Tennis wäre nicht das große Problem. Fußball ist etwas anderes.

STANDARD: Haben Ischgl und auch Jochberg einen spürbaren Imageschaden verursacht?

Hinterseer: Natürlich, wenn die Medien die Vorfälle in Ischgl in die ganze Welt hinausblasen. Für das in Jochberg können wir nichts, weil wir nichts davon wussten. Dabei hat es sich um eine aktuell nicht erlaubte Vorbereitung für eine Berufsausbildung gehandelt. Wir mussten einen offiziellen Anwärterkurs auf unbestimmte Zeit verschieben, weil wir uns das jetzt nicht mehr erlauben können. Das war erlaubt, weil es eine Berufsausbildung ist. Für Einheimische. Aber wenn von uns am Berg ein Foto gemacht worden wäre, hätte es geheißen, jetzt sind die Wahnsinnigen noch immer unterwegs, haben nichts gelernt.

STANDARD: Es gibt viele Ausbildungsmöglichkeiten für Skilehrer. Können Sie einen Überblick geben?

Hinterseer: Die Anwärterausbildung muss jeder Skilehrer haben, das ist die unterste Stufe. Dann kommen die Landeslehrerausbildung und die staatliche. Und es gibt etwa auch englische Firmen, die Vorbereitungskurse durchführen. Deren Klienten müssen aber auch den Anwärter machen, wenn sie bei uns arbeiten wollen. Der deutsche Landeslehrer wird bei uns nur als Anwärter anerkannt, weil die Ausbildung viel kürzer ist.

STANDARD: Muss sich der Skisport verändern, um attraktiv zu bleiben?

Hinterseer: Der Skisport ist in Österreich auf einem hohen Niveau. Sowohl die Gastronomie, als auch die Hotellerie, die Bergbahnen und die Skischulen. Das zu halten ist schon mal wichtig. Ich weiß nicht, ob man großartig etwas Neues erfinden muss.

STANDARD: Muss sich der Skirennsport Gedanken machen, weil die Vorbildwirkung gerade für Kinder durch die vielen Verletzungen in den vergangenen Jahren gelitten hat?

Hinterseer: Die Entwicklung mit der Taillierung ist brutal, am Limit. Es ist im Hochleistungssport immer schwierig, einen Schritt zurückzugehen. Auf alte Skier zurückgreifen geht nicht. Sie fahren heute mit unglaublich hohen Kurvengeschwindigkeiten. Hochleistungssport wird an die Spitze getrieben und es ist schwierig, ein Mittelding zu finden. Aber der Rennsport lebt auch von solchen Sachen, weil viele sehen schon gern zu, weil es irgendwann einen zerreißt.

STANDARD: Wie wird der Skilehrerjob in 20 Jahren aussehen?

Hinterseer: Es geht sicher nicht mehr auf Halligalli zurück, mit der Ausbildung sind wir auf sehr hohem Niveau. Viel wird sich nicht ändern.

STANDARD: Wann waren Sie das letzte Mal Skifahren?

Hinterseer: Gestern. Heute muss ich wieder rauf, weil ich bei den Rennen für die Vorläufer zuständig bin. Sonst bin ich mehr drinnen, weil wir zu Spitzenzeiten alles für an die 200 Skilehrer organisieren müssen und man im Büro das Geschäft macht, nicht auf der Piste. (Thomas Hirner, 21.1.2021)