Österreich hat eine ausgewachsene Corona-Jänner-Depression. Es ist wohl nicht übertrieben, das zu behaupten. Ob in der Apotheke, im Supermarkt oder beim Video-Call: Viele Köpfe hängen derzeit tief, der Satz "Es dauert schon viel zu lange" ist ein geflügeltes Wort. In einer solchen Stimmung erzeugen Geschichten über Bürgermeister, die sich Impfvorteile verschaffen, ungefähr denselben Effekt wie ein Tropfen Wasser auf heißes Öl. Es zischt gewaltig.

Lokale Politiker sollen zu früh geimpft worden seien.
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Man erzählt sich auch, dass lokale Ortskaiser beileibe nicht die Einzigen seien. Man munkelt, dass es da und dort die Impfung sofort für so und so viel Euro bar auf die Hand gebe, dass "Vitamin B" die Wartezeit auf Impfungen drastisch verkürze. Dieser giftige Gerüchtebrei mischt sich mit den Erfahrungen der eigenen betagten Verwandten, die noch immer keine FFP2-Masken zugeschickt bekamen, wird gewürzt mit Erzählungen über Lücken bei Testungen in Altersheimen, Schulen, etc. ... Am Ende stehen Verdruss und Skepsis gegenüber dem Pandemie-Management der Regierung – und wachsende Unlust, selbst die Pandemie-Regeln akkurat einzuhalten.

Für die Politik ist das brandgefährlich, denn mit dieser negativen Einstellung wird das Durchhalten in diesem und in möglichen weiteren Lockdowns bis zum Sommer – oder bis zu einer halbwegs sicheren Durchimpfungsrate – schwierig. Insofern ist es unverständlich, dass der Bundeskanzler die vordrängelnden Bürgermeister zwar verurteilt, die Verantwortung für deren Tun aber wieder den Ländern zuschiebt.

Schulterschluss

Wenn es schwierig wird, ist es mit dem neuen "nationalen Schulterschluss" offenbar gleich wieder vorbei. Föderale Autonomie hilft hier nicht. Es braucht einheitliche Regeln, die überall und für alle gleich gelten.

Schon das Vormerksystem fürs Impfen weist gravierende Unterschiede auf. In einem Bundesland kann man Risikofaktoren angeben, im anderen nicht, im dritten nur beim Arzt. Vormerkzeiträume variieren je nach Alter und Bundesland. Weitgehend ungeklärt ist, wer bei übriggebliebenen Dosen spontan geimpft werden darf – und wer noch länger warten muss. Dies alles muss detailliert und zentral geregelt werden.

Bund und Länder sollten ihre jüngst – bei der Verkündung der Lockdown-Verlängerung – demonstrierte "Einheit" tatsächlich dafür nutzen. Und es gäbe noch wesentlich mehr Themenfelder, wo österreichweit derselbe Standard geschaffen werden muss: etwa bei der Verteilung und Anordnung von Corona-Tests für bestimmte Berufsgruppen und in Schulen. Zudem muss es nachvollziehbare, transparente und öffentlich einsehbare Grundsätze geben, wann krisengeschädigte Unternehmen eine Förderung erhalten und wann nicht – inklusive Begründung der Förderentscheidung.

Nur so werden die Menschen im Land das Gefühl bekommen, dass es trotz andauernder Krise wenigstens gerecht zugeht. Wenn das nicht gelingt, bekommen Verschwörungstheoretiker und Demagogen Oberwasser. Das wäre im Kampf gegen die Pandemie alles andere als hilfreich. (Petra Stuiber, 22.1.2021)