Didi Kühbauer lässt sich Emotionen nicht nehmen. Er hat Lehrgeld bezahlt und ist geläutert.

Foto: APA/ERWIN SCHERIAU

Rapid und Sturm Graz eröffnen am Freitag im Allianz-Stadion (19 Uhr) das Frühjahr der Fußball-Bundesliga. Siegen die Wiener, sind sie sogar für ein paar Stunden Spitzenreiter. Den Grazern würde schon ein Remis reichen. Rapid-Trainer Didi Kühbauer ist prinzipiell zuversichtlich. Trotz Corona.

STANDARD: Inwieweit hat Sie die Pandemie verändert? Als Privatperson, als Trainer?

Kühbauer: Wir alle haben so eine Situation wie jetzt mit dem Coronavirus nicht gekannt, höchstens aus schlechten Filmen. Ausgangssperren über einen längeren Zeitraum waren nicht vorstellbar, das Leben ist eingeschränkt. Der Lockdown geht jedem an die Substanz, trotzdem muss man optimistisch bleiben, darf nicht in Depressionen verfallen. Meine ältere Tochter ist 16, da fängt normal das Leben an. Seit einem Jahr kann sie praktisch nichts tun, Homeschooling ausgenommen. Das ist ein sozialer Einschnitt, den wir hoffentlich nie mehr haben werden. Zum Glück kann ich meiner Arbeit nachgehen.

STANDARD: Macht es momentan überhaupt Spaß, Trainer zu sein? Stellt man sich nicht die Sinnfrage, wenn Woche für Woche in leeren Stadien gespielt wird?

Kühbauer: Rapid trifft es hart, wir haben ja einen starken Zuschauerzuspruch. Es ist aber immer noch besser ohne Fans, als gar nicht zu spielen. An einen totalen Stillstand will ich gar nicht denken. Fußball ist Emotion, Emotionen spürt man jetzt nicht wirklich. Trotzdem ist Fußballtrainer ein extrem toller Job. Die Möglichkeiten sind jetzt andere, aber ich muss genauso arbeiten wie vor der Pandemie.

STANDARD: Wie lange hält der Fußball diesen Zustand noch aus? Speziell bei Rapid dreht sich ja sehr viel um Emotionen.

Kühbauer: Jeder Klub auf der ganzen Welt wünscht sich, wieder vor vollen Rängen zu spielen. Da müssen wir durch. Aber meine Burschen machen es gut. Ich ziehe den Hut vor allen, die Leistung bringen. Anderseits sind Fußballer in einer besseren Situation. Was machen die Menschen im Handel oder Tourismus? Die sind weit schlimmer dran.

STANDARD: Sind Sie als Trainer noch mehr gefordert? Sie haben ja mit relativ jungen Leuten zu tun. Wie verhindert man eine kollektive Depression?

Kühbauer: Fußball ist immer ergebnisorientiert. Hast du Erfolge, und die haben wir, ist es leichter. Stehst du hinten drin und spielst grottenschlecht, dann wird es heikel.

STANDARD: Erfolg macht die Lage also gerade jetzt erträglicher. Das heißt, Sie würden nicht gerne mit Austrias Trainer Peter Stöger tauschen.

Kühbauer: Auf keinen Fall, bei allem Respekt vor dem Peter. Bei uns rennt es zum Glück in eine andere Richtung. Über allem steht aber das Coronavirus, es ist echt zach. Auch wenn ich mich wiederhole, Fußballprofis sind privilegiert. Mit und ohne Virus. Es ist ein unglaublich schöner Job. Ich hatte nie Verständnis dafür, dass manche ihr Talent leichtfertig weghauen.

STANDARD: Rapid wurde während Corona Vizemeister, liegt momentan nur einen Zähler hinter Salzburg und Sturm. Sie haben sich kurz vor Weihnachten beschwert, dass die Leistungen von der Öffentlichkeit zu wenig honoriert werden. Warum ist das so?

Kühbauer: Ich habe mich nicht beschwert, ich habe nur ein Fazit gezogen. Es war keine Beschwerde, es war eine Richtigstellung. Wir werden halt genauer beobachtet als andere Klubs. Ich habe nur Statistiken vorgelegt. Trotz Abgängen und Verletzungen haben wir mehr Punkte geholt. Verlieren wir einmal, hat das immer einen fahlen Beigeschmack, wird als Katastrophe eingestuft. Das ist nicht in Ordnung.

STANDARD: In der Europa League ist man allerdings an Molde gescheitert, im Cup mit 2:6 gegen Salzburg ausgeschieden. Seit 2008 gibt es keinen Titel. Liegt nicht darin die Ursache für Kritik? Oder sind die Erwartungen einfach zu hoch?

Kühbauer: Der Druck auf uns ist immer hoch. Wir versuchen trotz Corona wirtschaftlich vernünftig zu arbeiten. Es kommt nicht von ungefähr, dass Salzburg seit mehr als zehn Jahren Serienmeister ist. Die Schere ist auseinandergegangen. Wir versuchen, sie zu schließen. Rapid und andere Klubs wie der LASK sind bereits näher dran. Natürlich wollen wir Meister werden, aber Salzburg hat eben andere Rahmenbedingungen. Und sie machen es gut. Es muss alles funktionieren, um sie zu bezwingen, der Austria ist das einmal gelungen, sie hat sich in einen Rausch gespielt. Ein Titel würde alles erleichtern, aber wir müssen die Kirche schon im Dorf lassen. Wir sind mit unseren Möglichkeiten am Limit. Trotzdem geben wir uns niemals geschlagen.

STANDARD: Im Sommer verlor man die Leistungsträger Stefan Schwab und Thomas Murg, Supertalent Yusuf Demir wird auch nicht in Hütteldorf in Pension gehen. Muss sich Rapid neu positionieren? Die Perspektiven werden nicht unbedingt rosiger.

Kühbauer: Wir müssen andere Wege einschlagen, die Nachwuchsarbeit ist ein Teil davon. Aber auch da ist es schwierig. Die besten Talente gehen ins Ausland oder nach Salzburg. Wir müssen trotzdem Junge heranziehen. Wir werden nie die großen Ablösen zahlen. Das wollen und können wir nicht. Ein Spieler, der statt zum WAC zu Rapid will, kostet auf einmal 500.000 Euro mehr. Obwohl es derselbe Spieler ist.

STANDARD: Ist Rapid trotz der Umstände auf einem guten Weg?

Kühbauer: Behauptet einer, wir sind auf einem schlechten Weg, liegt er falsch. Wir machen es gut, wollen nicht stehenbleiben, haben im Herbst auf hohem Niveau gespielt. Molde und das 0:3 gegen WSG Tirol ausgenommen. Aber es gibt keinen Grund, die Dinge infrage zu stellen.

STANDARD: Trägt Rapid Kühbauers Handschrift? Ihnen wird mitunter vorgeworfen, ein Defensivtrainer zu sein. Was entgegnen Sie?

Kühbauer: Ich war mein ganzes Leben lang kein Defensivtrainer. Wir spielen mit dem und gegen den Ball, kommen zu vielen Möglichkeiten, können auf allen Plätzen gewinnen. Wir dominieren meist, schießen Tore. Ich polarisiere halt, das wird sich kaum ändern. Ich weiß aber, was man mit einer Mannschaft machen kann und was gut für sie ist.

STANDARD: Sie werden im April 50. Sind Sie ruhiger geworden, kein Häferl mehr?

Kühbauer: Ich bin weit weg von dem Menschen, der ich vor zehn Jahren war. Und das ist gut so. Emotionen sollen immer da sein, ich bezahlte Lehrgeld, jetzt mache ich vieles richtig. Ich will als gestandener Trainer und nicht als Häferl gesehen werden. Anhand der wenigen gelben Karten, die ich bekomme, sieht man, dass ich geläutert bin. Kleine Rückfälle kann man nie ausschließen. Es wird aber mehr über die Mannschaft als über mich geschrieben, das freut mich.

STANDARD: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Gibt es Gespräche? Sie wollen wohl bleiben. Notfalls auch für weniger Geld?

Kühbauer: Wir haben noch nicht darüber geredet. Ich mag Rapid über alles, glaube, dass die Entwicklung passt. Und Geld ist nicht alles.

STANDARD: Wie ist die Zusammenarbeit mit Sportchef Zoran Barisic?

Kühbauer: Wir arbeiten zusammen, gegeneinander arbeiten wäre sehr blöd. Wir sind beide clever, wissen, was machbar ist und was nicht.

STANDARD: Am Freitag geht es gegen Sturm Graz. In der Vorbereitung gab es einen Skandal, Stürmer Taxi Fountas hat im Test gegen die Admira einem Gegenspieler ins Gesicht gespuckt. Er wurde ausgeschlossen und von der Liga für vier Partien gesperrt. Rapid hat die Strafe sofort akzeptiert. Anspucken ist ein absolutes No-Go, oder?

Kühbauer: Ja. Fountas hat sich und uns keinen guten Dienst erwiesen. Wir regeln das intern.

STANDARD: Sturm hat seit sechs Partien kein Gegentor kassiert. Wie knackt man die Grazer?

Kühbauer: Sturm arbeitet sehr gut gegen den Ball, es wird ein brutal intensives Spiel. Sie werden uns die Räume eng machen, aber wir werden Lösungen finden.

STANDARD: Ist für die Spieler das dichte Programm zumutbar?

Kühbauer: Jetzt hatten wir eine kurze Pause. Schauen wir die Tabellen in Europa an. Klubs, die dominierten, haben wegen der Dauerbelastung weniger Punkte. Liverpool, Real, Juventus und Barcelona sind ein paar Beispiele. Es wird sich wenig ändern. Aber man soll nicht jammern, darf den Spielern nicht suggerieren, dass es zu viel ist. Dann wird alles nur schlechter. Man kann nur hoffen, dass die Verletzungen im Rahmen bleiben.

STANDARD: Letzte Frage: Lassen Sie sich impfen?

Kühbauer: Selbstverständlich, alles andere wäre fahrlässig und verantwortungslos. Das Virus soll endlich verschwinden. (Christian Hackl, 21.1.2021)