Systemrelevant? Oder aus anderen Gründen zur Betreuung in der Schule?

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Kurz vor den Semesterferien bereitet eine ganze Reihe von Themen Eltern, Kindern und Lehrkräften einiges Kopfzerbrechen – auch wenn sich am Termin der geplanten Wiederaufnahme des Unterrichts an den Schulen (8. Februar in Wien und Niederösterreich, eine Woche später im Rest des Landes) vorerst nichts geändert hat. In der Luft schwirren ungelöste Betreuungsprobleme, ungeklärte Regeln zur Notengebung und offene Fragen zur Rückkehr an die Schulen, wenn es denn dann so weit ist.

Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) musste in den vergangenen Wochen und Monaten seine Vorgehensweise im Umgang mit der Pandemie immer wieder adaptieren – und das war nicht zwangsläufig immer der Unberechenbarkeit des Virus geschuldet. Dass die Zahl der Kinder, die trotz Lockdowns an den Schulen zur Betreuung angemeldet sind, stetig steigt – zuletzt auf 25 Prozent im Österreich-Schnitt, mit einzelnen Ausreißern nach oben –, kommentierte Faßmann im ORF-"Report" mit folgender Ankündigung:

"Wir werden mit den Schulleitungen und Eltern sprechen."

Soll das bedeuten, es wird kontrolliert, ob auch sicher kein Kind von Eltern in nicht systemrelevanten Berufen in der Klasse sitzt? Pflichtschullehrergewerkschafter Paul Kimberger (FCG) hatte eine solche Unterscheidung angesichts immer dichter gefüllter Klassen zuletzt angedacht. Und wer gilt überhaupt als "systemrelevant"? Faßmann selbst will diese Unterscheidung erst gar nicht treffen. In seinem Büro verweist man auf den Appellcharakter seiner Aussage. Wer die Möglichkeit habe, die Betreuung neben Jobpflichten irgendwie zu organisieren, solle das Kind wenn möglich nur ein oder zwei Tage pro Woche in die Schule schicken. Grundsätzlich gehe es mehr um Bewusstseinsbildung bei Schulleitungen mit hohen Betreuungszahlen. Da könnten die zuständigen Schulqualitätsmanager schon einmal genauer nachsehen oder ein Schreiben an die Eltern aufsetzen, wenn die Klassen sehr voll sind.

Die Wifo-Arbeitsmarktexpertin Julia Bock-Schappelwein warnt davor, "Systemrelevanz" quasi als Kriterium für den Zugang zur schulischen Betreuung heranzuziehen, zumal dieser Begriff "sehr vage" sei: "Systemrelevanz kann ein Ansatzpunkt sein, aber man muss sich bei der Frage, wer die Betreuung wirklich braucht, vieler Aspekte bewusst sein, vor allem was das für die Individuen bedeutet. Wie ist die berufliche Situation, die Arbeitszeit, der Haushaltskontext?"

Da zeigt sich übrigens ein geschlechtsspezifisches Spannungsfeld, das im ersten Lockdown deutlich wurde. Berufstätige Frauen waren da besonders belastet, weil sie nicht nur in den als systemrelevant verstandenen Bereichen, die offen halten mussten (zum Beispiel Gesundheitsversorgung, Lebensmittelhandel, Apotheken) verhältnismäßig häufiger als Männer beschäftigt waren, sondern auch überdurchschnittlich oft in den als nicht systemrelevant bezeichneten Sektoren, die komplett geschlossen wurden (zum Beispiel Gastronomie, Handel, Friseure, Kultur).

Im Februar 2020, unmittelbar vor dem Lockdown, war fast jede zweite unselbstständig beschäftigte Frau in Österreich in einem solchen systemrelevanten Bereich tätig, bei den Männern fast jeder Dritte. "Diesen Gesamtkontext muss man bei Schulschließungen immer mitbedenken, denn viele haben die Flexibilität bei der Betreuung schlicht nicht", sagt Bock-Schappelwein.

"Das ist nicht die Zeit der Härte, sondern die Zeit der Milde."

Definiere Milde! Nachsicht, Sanftmut, Güte lauten ein paar Synonyme für die Richtung, die Bildungsminister Faßmann bei der aktuellen Halbjahresbeurteilung ausgegeben hat. Im Grundrezept der pandemiebedingt milden Notengebung soll sich diesmal maximal eine Schularbeit sowie eine ordentliche Portion Mitarbeit befinden, wünscht sich der Ressortchef. Das Motto scheint für alle zu gelten, aber nicht für die Kinder und Jugendlichen in den Deutschförderklassen: Hier wird gerade darüber entschieden, wer ein weiteres Jahr als außerordentlicher Schüler in der separaten Sprachförderklasse bleiben muss und wer aufsteigen darf.

"Wir passen uns der Regelung im Personennahverkehr an."

Jugendliche ab 14 Jahren sollen im Unterricht jedenfalls eine FFP2-Maske tragen, erklärt der Bildungsminister. Er wolle sich an der Regelung des Gesundheitsministeriums für den öffentlichen Personennahverkehr orientieren. Die neue Verordnung gibt es seit Donnerstag. Sie sieht zudem vor, dass sich Lehrkräfte verpflichtend einmal pro Woche testen und das Ergebnis dieser Testung bei der Schulleitung vorweisen müssen. Wer das nicht kann, muss ebenfalls verpflichtend mit einer FFP2-Maske ausgerüstet sein. (Lisa Nimmervoll, Karin Riss, 22.2.2021)