Seinen zweiten Arbeitstag, jenen am Donnerstag, begann Joe Biden (im Bild mit seiner Frau Jill) mit einer religiösen Andacht im Weißen Haus.

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Zwei Büsten stehen jetzt neben dem Kamin im Oval Office: Martin Luther King und John F. Kennedy. Der Bronzeschädel des Bürgerrechtspredigers, den auch Donald Trump nicht aus seinem Büro verbannte, soll Joe Biden offenbar an seine Anfänge erinnern. In New Castle war er einst in den Gemeinderat gewählt worden, weil er schwarzen Bewohnern der Kleinstadt in Delaware das Gefühl vermittelt hatte, dass er sich ihrer Probleme annehmen werde.

Die Bilder aus den Südstaaten, knüppelnde Polizisten im Einsatz gegen afroamerikanische Bürgerrechtler, waren Biden als Teenager dermaßen unter die Haut gegangen, dass er überhaupt erst eine politische Karriere anstrebte. Und die Nähe zu Kennedy, wie Biden ein Praktiker der politischen Mitte, stellt er immer wieder heraus. Nicht zuletzt wegen der gemeinsamen irischen Wurzeln und der Tatsache, dass JFK der erste Katholik im Oval Office war. Biden ist nun der zweite.

Neue, alte Möblierung

Auch Franklin D. Roosevelt ist neuerdings vertreten im wichtigsten Raum des Weißen Hauses. Auf einem Gemälde. Weichen musste Andrew Jackson, der populistische Präsident der 1830er-Jahre. Der blaue Teppich, der den sandfarbenen Trumps ersetzt, lag schon einmal im Oval Office, nämlich zu Zeiten Bill Clintons. Das Arbeitszimmer also wurde neu dekoriert – übrigens an nur einem Tag.

Mit einem administrativen Kraftakt hat Biden auch die politische Renovierung in Angriff genommen. Am Donnerstag unterzeichnete er ein Strategiepapier zur Bekämpfung der Corona-Krise. "Amerika verdient eine Antwort auf die Covid-Pandemie, die von der Wissenschaft, von Daten und der öffentlichen Gesundheit bestimmt wird, nicht von der Politik", ist zu lesen. Wobei sich das englische Original, "politics", vielleicht treffender mit "politische Spielchen" übersetzen ließe.

Der Geheimdienst kann arbeiten

Bereits am Mittwoch, sechs Stunden nach seiner Vereidigung, hatte Biden 17 Anweisungen unterschrieben. Ein Blitzstart. Bei Trump waren es vor vier Jahren gerade einmal zwei Dekrete gewesen, bei Barack Obama kein einziges. "Ich glaube, angesichts der Lage, in der sich die Nation heute befindet, haben wir keine Zeit zu verlieren", so Biden. Seine Minister sollten möglichst schnell bestätigt werden, ließ es am Donnerstag dem Senat ausrichten – doch dieser ziert sich noch ein wenig.

Am Mittwoch hatte einzige Bidens Kandidatin für den Posten als Geheimdienstkoordinatorin, Avril Haines, das Placet des Gremiums erhalten. Dort ist – oder: bleibt – auch ein anderer Posten schon besetzt. Christopher Wray soll weiterhin Chef der Bundespolizei FBI bleiben, teilte Biden mit. Zweifel daran hatte es zwar ohnehin kaum gegeben, bei einer Pressekonferenz am Mittwochabend aber hatte die Regierungssprecherin Jen Psaki gesagt, sie wisse noch nicht, was Biden mit der Position vorhabe. Die restlichen Posten sind derweil amtsführend mit Karrierebeamten besetzt, die schon bisher – ohne politische Nominierung – im Ministerium gearbeitet hatten.

Fauci reist virtuell zur WHO

Zu diesem Zeitpunkt war schon einiges geschehen. Der Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen ist rückgängig gemacht, laut Prozedere dauert es nun 30 Tage, ehe der Wiedereintritt besiegelt werden kann.

Außerdem werden die USA wieder Mitglied der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Schon am Donnerstag sollte der Topinfektiologe Anthony Fauci an einer ihrer Krisensitzungen teilnehmen. In allen US-Bundesgebäuden müssen fortan Schutzmasken getragen werden, ebenso in Flugzeugen, Fernbussen und Zügen. Auch der Staatschef wird mit Mund-Nasen-Schutz am Schreibtisch sitzen – für Trump eine Zumutung.

Ein Erlass, der Bürgern mehrerer islamisch geprägter Länder die Einreise verbietet, gilt nicht mehr. Der Bau der Mauer an der Grenze zu Mexiko ist gestoppt, die Genehmigung für die Fertigstellung der umstrittenen Pipeline Keystone XL widerrufen. Menschen, die de facto, aber nicht de jure Amerikaner sind, nachdem sie im Kindesalter mit ihren Eltern illegal über die Südgrenze kamen, müssen nicht mehr befürchten, abgeschoben zu werden. Und die "1776 Commission" wird eingestellt. Laut Trump sollte sie dafür sorgen, dass an den Schulen ein "patriotisches" Geschichtsbild vermittelt wird. Medienberichten zufolge plant Biden auch den letzten großen atomaren Abrüstungsvertrag "New Start" mit Russland zu verlängern.

Bessere Medienkontakte

Am Mittwochabend trat dann Psaki in den Briefing Room und versprach, sich fortan an jedem Wochentag den Fragen der Journalisten zu stellen. Neu ist das nicht, nahezu tägliche Pressekonferenzen gab es schon unter Bill Clinton, George W. Bush, Barack Obama. Vor der Trump-Zeit war sie Kommunikationsdirektorin, davor Sprecherin des Außenministeriums. Nun kehrt sie zurück auf die große Bühne, als Pressesekretärin des Präsidenten.

Die 42-Jährige aus Connecticut beherrscht die Kunst, den Dingen einen Dreh zu geben, der die Regierung in möglichst günstigem Licht dastehen lässt. Doch sie hat auch etwas zutiefst Symbolisches, die Rückkehr zur alten Routine: Unter Trump gab es zuletzt kaum noch Briefings, und wenn, dann konzentrierte sich Kayleigh McEnany darauf, der Presse feindselige Absichten zu unterstellen. "Es wird Zeiten geben, in denen wir nicht einer Meinung sind", sagt Psaki, nachdem sie die Kehrtwende zur Normalität angekündigt hat. "Aber das ist okay." (Frank Herrmann aus Washington, 21.1.2021)