"Ich hoffe, er zieht nach Nordkorea!", sagt die US-amerikanische Schriftstellerin Ottessa Moshfegh über Donald Trump. Aber eigentlich will sie ihre Imaginationskraft nicht mehr an ihn verschwenden.

Foto: Jake Belcher

Sonnenlicht fällt von oben in ein Zimmer mit niedriger Decke, rechts im Hintergrund sitzt ein dicker Stoffbär auf einem Sofa, im Vordergrund: Ottessa Moshfegh, noch etwas müde. Es ist 18 Uhr, als wir zoomen, aber neun Uhr morgens in Pasadena, Los Angeles. Sie ist hübsch anzuschauen, trägt eine Bluse mit buntem Muster und stützt ihren Kopf in die rechte Hand. Ein bisschen sieht sie aus wie eine Prinzessin aus einem Märchen, die da festsitzt, mit diesem Bären, der sie bewacht.

Und tatsächlich sitzt sie fest, denn seit Corona auch in Kalifornien in einer dritten Welle wütet, geht sie kaum noch raus. Lässt sich die Lebensmittel zustellen, sieht keine Freunde, kaum Familie, die Welt kommt zu ihr in Form von Amazon-Paketen, was sie selbst ganz furchtbar findet. "Für so viele Menschen", sagt sie, "war es das absolut schlimmste Jahr ihres Lebens." Sie selbst kann da noch von Glück sprechen: Sie ist selbstständig, kann von zu Hause aus arbeiten, niemand in ihrer Familie ist durch die Pandemie gestorben.

Ihr Leben hat sich dennoch grundlegend verändert. Diejenigen, die sich mit zeitgenössischer Literatur beschäftigen, wissen, wie groß der Hype um die heute 39-jährige US-Autorin Ottessa Moshfegh war, spätestens seit ihr zweiter Roman Eileen 2016 erschienen ist. Ihr Leben bestand aus Reisen, Events, Einladungen und Lesungen. Das ist vorbei. Wie die Präsidentschaft von Donald Trump.

"Reality is flexible."

Das Zoom-Interview mit der Amerikanerin findet in den Tagen zwischen Kapitol-Erstürmung und dem Inauguration Day, der Angelobung Joe Bidens, statt. 2018 schrieb die US-Autorin einen sehr interessanten, fiktionalen Brief an Trump. Darin stand unter anderem geschrieben: "Reality is flexible." Ein Satz, der viel mit der Präsidentschaft Trumps zu tun hat, aber auch mit der Literatur von Ottessa Moshfegh und besonders mit ihrem neuen Roman Der Tod in ihren Händen, der jetzt auf Deutsch erscheint.

Eine Geschichte über eine einsame Witwe, die einem mysteriösen Mord an einer jungen Frau auf der Spur ist, der vielleicht niemals stattgefunden hat. "Sie hieß Magda. Niemand wird je erfahren, wer sie ermordet hat. Ich war es nicht. Hier ist ihre Leiche." Ein Blatt Papier auf dem Boden im Wald ist die einzige Evidenz in dieser dunklen Geschichte.

Abwarten

Auf die Frage, ob die dunklen Trump-Zeiten nun vorbei sind, sagt Moshfegh: "Definitiv nicht", aber man könne bloß abwarten. Ihre Familie, Ottessa hat einen Vater, der ursprünglich aus dem Iran, und eine Mutter, die aus Kroatien kommt, ist beunruhigt, die Schwester trägt schon wieder Hamstereinkäufe nach Hause wie zum Beginn der Corona-Pandemie.

Und weil Moshfegh eine der fantasiebegabtesten zeitgenössischen Schreiberinnen ist, fragt man sie, wie es ihrer Einschätzung nach mit Trump weitergeht. Aber schon bei der Zusammenführung der zwei Wörter, nämlich "fantasy" und "Trump", winkt sie ab. Sie will ihre Vorstellungskraft nicht an ihn verschwenden, sondern nur hoffen, dass das politische System am Ende so fair sein wird, dass sich Trump wegen seiner vielen Strafanzeigen verantworten und für den Rest seines Lebens ins Gefängnis muss.

Vielleicht passiert das aber bloß in einer Fantasiewelt, fügt Moshfegh an. Was wissen wir schon? Sie stockt, das Thema macht die Autorin wütend, das ist spürbar. "Ich hoffe, er zieht nach Nordkorea!", sagt sie und beendet das Thema.

Aber es gibt noch einen weiteren Umstand, der die Politik und ihre Literatur gewissermaßen verbindet, und das ist Macht. "Ich mag Macht", schrieb sie in ihrem sicherlich satirischen Brief an Trump, aber in allen Moshfegh-Büchern ist ihr lustvoller Umgang mit der Macht, die sie als Schriftstellerin über ihre Figuren ausübt, nachzulesen. Sie genießt diese Macht. "Geschichten zu schreiben, Handlungen zu erfinden, Figuren zu kreieren, das ist für mich ein absoluter Thrill!", gibt sie zu, und schon als Teenager wusste sie, dass sie eine Schriftstellerin ist.

Einsamkeit als Leitthema

Die in Boston aufgewachsene Moshfegh war ein sehr ernstes Kind, erzählt sie, manchmal auch ein Kasperl, aber schon als Teenager fokussiert. Sie lernt, spielt Klavier, beide ihrer Eltern, die heute getrennt leben, sind Musiker. Und sie schreibt. Disziplin ist das Wort, das in allen Porträts über sie und Interviews mit ihr immer wieder auftaucht. Disziplin, die auch isoliert.

Schon als Kind hat sie in Monologen gedacht, erzählt sie, hat also andere Menschen immer als Stimmen wahrgenommen, die aber in ihren eigenen Gedanken gefangen, sprich isoliert sind. Sie ist über die Jahre, in denen sie sich oft und viel zum Schreiben zurückgezogen hat, zu einer Isolationsexpertin geworden.

Keine Frage, Einsamkeit ist das Leitthema in Moshfeghs bisherigem Werk. Es zieht sich durch all ihre Bücher. Der gewaltige Seefahrer McGlue (2014), die düster-komische Polizistentochter Eileen (2016), die durchgeknallte New Yorkerin aus Mein Jahr der Ruhe und Entspannung (2018), die sich mithilfe von Antidepressiva und Schlafmitteln in eine Art Winterschlaf versetzen will, und jetzt die verstörende Vesta Guhl aus Der Tod in ihren Händen haben eines gemeinsam: Alle Figuren sind isoliert und gefangen und wollen ausbrechen.

Cover: liebeskind Verlag
Cover: liebeskind Verlag

Man könnte sogar so weit gehen zu behaupten, dass Ottessa Moshfegh, zumindest mit ihren beiden letzten Romanen, die Bücher zum weltweiten Lockdown geschrieben hat, obwohl sie geschrieben wurden, als es noch kein Corona gab. "Das ist tatsächlich ein sehr komischer Zufall", das sagt sie selbst.

Immenses Innenleben

Während Moshfegh erzählt, springt hinter ihr ein kleiner Hund hinten auf das Sofa. "Das ist mein Walter!", sagt die Autorin, lächelt und dreht sich zu ihm um. Sie hat zwei davon: "Das sind meine Kinder", erzählt sie aufgekratzt, und dass Walters Schwester die Hündin ihrer Schwester sei, und die sei gerade schwanger. Bald könnte ihre Familie so etwas wie eine Moshfegh-Hundezucht aufmachen.

Auch Vesta Guhl, die Protagonistin ihres neuen Buchs, hat einen Hund, der heißt Charlie. Den legt sich Vesta zu, nachdem ihr Mann verstorben ist. Der Mann, der im Roman und vor allem in Vestas Gedankenwelt immer wieder viel vorkommt, heißt übrigens Walter, wie Moshfeghs Hund. Wie viele von Moshfeghs Frauenfiguren hat auch Vesta dieses immense, fast monströse Innenleben, bleibt aber dennoch in ihrem kleinen, bedeutungslosen Leben gefangen.

Ihre Antiheldinnen durchleiden so vieles, sind dabei aber nicht einmal sympathisch. Missbrauchte Frauen, die selbst missbrauchen. Außenseiterinnen, die eine ungewöhnliche Stimme erhalten. Das macht ihre Bücher auch politisch. Vielleicht sind das die Spannungsfelder, die Moshfeghs Literatur so interessant machen.

Immer ein Snob

"Manche von uns wollen speziell sein, und manche von uns wollen sein wie alle anderen", sagt sie, und es ist keine Frage, zu welcher Spezies Moshfegh gehört. Manche nivellieren nach unten, um so etwas wie einen gemeinsamen Boden zu finden. Sie war immer ein Snob, zumindest was das betrifft. "Ich habe Spaß daran, mich selbst zu quälen, ich brauche dazu keine anderen Menschen." Das unterscheidet die Schriftstellerin Moshfegh ganz klar von ihren Romanfiguren.

Der New Yorker schrieb 2018 ein tolles Porträt über sie, das klarmachte, dass Moshfegh zu den herausragenden literarischen Stimmen ihrer Generation zählt. Sie weiß, dass sie dadurch heute sichtbarer ist als viele andere, aber sie kann den medialen Rummel, die Aufmerksamkeit ganz gut einordnen. Es wird sie, so scheint es zumindest, nicht aufhalten, weiter gute Bücher zu schreiben.

Lange dachte Moshfegh, dass der Preis dafür, eine gute Schriftstellerin zu sein, darin bestehe, allein und unglücklich zu sein. Aber das stimmte nicht. Im New Yorker-Porträt ist ausführlich nachzulesen, wie das war, als sie ihren heutigen Mann, den Schriftsteller Luke Goebel, kennenlernte. Nur so viel: Er hat sie um ein Interview für ein Magazin gebeten, und sie hat zugesagt. Das Interview hat 27 Tage gedauert.

Gegenseitiges Verständnis

Das Dasein als US-Schriftsteller-Paar generiert viele Fantasien. Sie selbst ist manchmal nicht so alltagstauglich, sagt sie, muss sich Listen schreiben, wo tatsächlich draufsteht: "Geschirr abwaschen" oder "Baden". Wie übrigens ihre Protagonistin Vesta auch: "Spaziergang. Fühstück. Gartenarbeit. Mittagessen. Rudern. Hängematte. Wein. Puzzeln. Baden. Abendessen. Lesen. Bett."

Cover: btb Verlag
Cover: liebeskind Verlag

Für Moshfegh birgt die Beziehung zu Luke vor allem ein großes gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Prozesse, die das Schreiben umfasst. Wir müssen uns das so vorstellen, sagt sie: Zwei sehr komische Menschen mit kruden kreativen Ideen teilen sich einen Alltag. Wie Moshfegh darüber erzählt, macht klar, wie glücklich sie die Beziehung macht.

An einem gewissen Punkt beim Schreiben muss sie aber noch immer komplett allein sein. Isoliert vom Rest der Welt. Da ist dann sogar der Hund zu viel. Kinder, weiß sie, würden das Schreiben sehr viel schwieriger machen.

Die ekstatischen Momente

Wenn sie eine erste Romanversion schreibt, fühlt sie sich immer wie im kompletten Ausnahmezustand. "Mir ist wie zum Kotzen", sagt sie, so als sitze sie in einem Hochgeschwindigkeitszug. In der Überarbeitungsphase wird sie dann sehr reizbar. Und irgendwann lässt sie los. Aber ekstatische Momente können in allen Phasen auftreten, schwärmt sie.

"Eine große Freude" nennt Moshfegh die Tatsache, dass sie weiß, warum sie jeden Tag aufsteht, um zu tun, was sie tut: gute Bücher schreiben. Das Post-it "Work hard, the rest is a mystery", das lange an ihrem Computer klebte, ist durch die Umzüge, die Moshfegh in der Zwischenzeit hinter sich hat, verschwunden. Neulich hat sie es beim Ausmisten während des Lockdowns in einer Kiste wiedergefunden. Die Schrift war ausgebleicht, aber das, was da stand, hat sie mittlerweile ohnehin internalisiert. Der Rest ein Geheimnis.

Limitierter Charakter

Nicht nur ein Geheimnis birgt Vesta Guhl, die einsame Antiheldin aus Moshfeghs Roman Der Tod in ihren Händen. Alles Einbildung oder Wirklichkeit? Wir wissen nicht wirklich viel über sie. Weiß Moshfegh als deren Schöpferin mehr? "Auch ich war nicht ganz drinnen in dieser Figur", verrät Ottessa, anders als bei Eileen oder der jungen New Yorkerin in Mein Jahr der Ruhe und Entspannung.

Vesta war weniger zugänglich, hat sich irgendwann abgespalten vom eigenen Ich. "Sie ist ein limitierter Charakter", findet Moshfegh, und den Ausbruch aus dieser Limitiertheit hat Moshfegh versucht zu beschreiben: eine alte Frau, die noch immer kindlich ist, aber sich auf den eigenen Tod zubewegt. "Es ist ein komisches Buch", sagt Moshfegh selbst.

Sie hat es geschrieben, noch bevor sie Mein Jahr der Ruhe und Entspannung finalisiert hat und bevor Eileen in den USA erschienen ist. Das ist also eine ganze Weile her. Das Setting "Alte Frau legt sich einen Hund zu und verbringt ihren Lebensabend in einer einsamen Hütte in wunderbarer Seelandschaft, nachdem ihr Mann, der sie bevormundet und gedemütigt hat, endlich gestorben ist" könnte auch etwas Positives schaffen. Nicht bei Moshfegh.

Die Geschichte durchläuft jede Menge paranoide Ungereimtheiten und endet in der größtmöglichen Tragödie. Der Tod in ihren Händen ist ein weiteres Indiz dafür, dass Moshfegh mehr an weiblichen Figuren interessiert ist. "Vielleicht stimmt das", sagt die Autorin, aber das Buch, das sie 2020 tatsächlich während der Corona-Pandemie geschrieben hat, wird mehr von Männern handeln. Mehr verrät sie nicht.

Englischunterricht in Wuhan

Apropos Corona. In ihren frühen Zwanzigern hat Moshfegh zwei Jahre in Wuhan verbracht, jener Stadt, die 15 Jahre später weltweit als Wiege des Coronavirus bekannt werden sollte. Sie unterrichtete dort, weil ganz China darauf brannte, die englische Sprache zu lernen. Sie war unglaublich ignorant, erzählt sie heute lachend, wusste nichts über das Land und landete trotzdem ein Jahr nach dem College mit ihrem damaligen Freund in China.

Sie erinnert sich gern an diese verrückte Zeit, während sie in ihrem kleinen Zimmer in Pasadena sitzt. Erzählt von alten, nicht ausgebauten Straßen, die direkt auf einen nagelneuen Campus führten, von Underground-Punkbands und ihrem Ex-Boyfriend, einem Drummer, mit dem sie eine Bar betrieb und mit dem sie in einem Hotel auf einem alten Militärgelände lebte.

In China hielt man sie übrigens meist für eine Inderin, jedenfalls nicht für eine Amerikanerin. Aber auch die Amerikaner, ihre Landsleute, können nicht immer genau einschätzen, in welche Schublade sie passt. Die Tochter eines Iraners, aber nicht muslimisch, die Mutter aus dem osteuropäischen Kroatien. Die meisten denken bloß "hispanic": "Nicht weiß, nicht schwarz, also braun!"

Zwei Jahre, 2008 und 2009, lebte Moshfegh in New York, aber das wurde ihr bald anstrengend. Sie wurde krank, erzählt sie: "Cat-Scratch Fever". Das klingt wie eine Krankheit, die eine ihrer Romanfiguren haben könnte. Sie zog erst zurück zu ihrer Mutter nach Massachusetts, um sich zu erholen, und ging dann für zwei Jahre zur Graduate School an die Brown University. Mit 31 Jahren wollte sie dann weg von der Ostküste und all ihren intellektuellen Attitüden. New York war nicht gut für eine junge Schriftstellerin, die sich dort die hohen Mieten nicht leisten konnte. Also ging Moshfegh nach Kalifornien.

"Das ist so was von nicht ich"

Sie kann bis heute aber kaum glauben, dass sie hier in L.A. lebt. "It is so not me!", sagt sie dazu im O-Ton. Aber dennoch scheint es ihr Schicksal im Moment. Wenn die Corona-Pandemie allerdings vorüber ist und Fliegen wieder eine Option wird, will sie endlich ihrem Mann Kroatien zeigen.

In Zagreb war sie seit Ewigkeiten nicht mehr, auch weil ihre Großeltern nicht mehr leben. An der Uni hat sie sogar kurz einen Serbokroatisch-Kurs belegt. In den Iran will sie nicht reisen, es ist noch immer das Land, das die Familie ihres Vaters 1979 vertrieben hat. Das macht auch sie heute noch wütend.

Im Mai wird sie vierzig. "Es fühlt sich gut an, in der nächsten Dekade zu landen", sagt Moshfegh. Ihre Zwanziger waren die Hölle, die Dreißiger dafür großartig, da gab es viel Zuspruch und Wachstum. Und: Sie fand ihre Liebe. Das Leben wurde zu ihrem Leben.

"Heute", sagt sie, "bin ich dankbar für meine Eitelkeit." Die Eitelkeit, sich nicht zu hassen dafür, dass sie älter wird. Das klingt so gar nicht nach Kalifornien, aber sehr nach Ottessa Moshfegh. (Mia Eidlhuber, 23.1.2021)