Nach zehn Monaten Krisenmodus mit unabsehbarem Ende ist vielerorts Schluss mit Überbrückung und Überperformance. Es geht schlicht die Kraft aus.

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Ein Thema eint die heterogene Landschaft der Unternehmen und Organisationen derzeit. Es ist die Suche nach dem sozialen Klebstoff, der die Leute, verteilt auf Schichtbetrieb und Homeoffice und die notwendige Büropräsenz hinter Plexiglasstürzen, zusammenhält, damit das große Ganze – eben die Firma – überhaupt sein kann.

Denn nach zehn Monaten Krisenmodus mit unabsehbarem Ende ist vielerorts Schluss mit Überbrückung und Überperformance besonders guter Führungskräfte oder besonders engagierter Mitarbeiter, die auch noch ein soziales, ein menschliches Anliegen mit den Kolleginnen und Kollegen haben. Es geht schlicht die Kraft aus. Im Homeoffice wie im Schichtbetrieb.

Jeden Tag dasselbe, gut gelernte "Social Clearings" auf Teams und Zoom haben sich ebenso verbraucht wie die noch im Sommer beliebten gemeinsamen virtuellen Drinks oder die morgendlichen Yoga-Viertelstunden. Das alles kann nicht mehr den Grad an Engagement erzeugen, den Unternehmen in anhaltend außerordentlich schwierigen Umfeldern benötigen. Energie für Change oder Transformation schon gar nicht. Es ist zäh geworden rundherum mit all der nicht wiederzufindenden Planbarkeit.

Mehr als ein Marketing-Gag

Was also kann zusammenhalten? Geht es nach der Weiterbildungsindustrie, dann gibt es einen Werkzeugkoffer voller aufgefrischter Tools. Alles agil, alles instant und alles darauf abgestimmt, eine Art Kontrolle zu behalten.

Das ist wunderbar – was wirklich gebraucht wird, nämlich dieser soziale Klebstoff, der einen selbstverständlich mehr tun lässt, als das Jobprofil vorschreibt, für die Kollegen, für die gemeinsame Idee, die gemeinsame Mission, entsteht so allerdings nicht. Die Patentlösung dafür ist noch nicht erfunden. Aber es bietet sich doch an, was so lange belächelt oder als simpler Marketingschmäh missbraucht wurde: der Sinn.

Dieser lässt sich für Recruitingzwecke nicht locker "worden". Verordnen schon gar nicht. Führungskräfte, die noch immer meinen, sie könnten ihren Untergebenen "Sinn geben", täuschen sich in Selbstüberhöhung. Auch Sinn im Job kommt von innen. Und kann nur von unten nach oben in seiner Ausformulierung erarbeitet werden. Das dauert. Das berührt alle wunden Punkte einer Firma und bringt sie ans Licht der Besprechbarkeit.

Sobald Zugrundeliegendes allerdings besprechbar gemacht wurde, geht ein Prozess los. Dann wissen die Beteiligten auch relativ schnell, ob sie dazugehören wollen oder lediglich das geregelte Einkommen benötigen. Beides ist okay, denn es ist klar: Wenn eine Organisation ihren Mitarbeitenden die Chance gibt, ihre Motive für diese Arbeit wirklich zu erforschen, dann hat sie gewonnen. Und die haben verloren, die da eigentlich eh nicht mitwollen. (Karin Bauer, 26.1.2021)