Die Regisseurin Barbara Albert verfilmt gerade Thomas Pletzingers Roman "Bestattung eines Hundes" als Serie. Dem Film bleibt sie dennoch treu.

Foto: Robert Newald

Über zu wenig Arbeit kann Barbara Albert gerade nicht klagen. In ihrer Wahlheimat Berlin bereitet die Wiener Regisseurin den nächsten Dreh für die Sky-Serie Bestattung eines Hundes vor, der im Februar in Bulgarien beginnen soll. Das osteuropäische Land kommt darin gar nicht vor, doch es hat als Schauplatz einiges an schauspielerischem Talent. Sogar für New York gibt es dort ein eigenes Studio, während man bei Außenaufnahmen bei Minustemperaturen ein Fleckchen Finnland einfangen will.

Albert hatte, anders als viele andere in der von Unwägbarkeiten betroffenen Film- und TV-Branche, Glück. Das ganze letzte Jahr hindurch war sie mit der achtteiligen Miniserie über Thomas Pletzingers Roman beschäftigt, der von einem Journalisten erzählt, der sich immer mehr in der Welt eines Schriftstellers verfängt. "Ich hab den Vertrag im März unterschrieben, dann kam Corona. Deshalb hatte ich gar nicht die Zeit, mir ausgiebig zu überlegen, welche beruflichen Konsequenzen die Krise für mich haben könnte", sagt sie im Videogespräch.

Barbara Albert beim Dreh der Miniserie "Bestattung eines Hundes".
Foto: privat

Die Covid-19-Pandemie hat die Produktion nur zu einem geringen Maß beeinträchtigt. Einzelne Drehblöcke mussten verschoben werden, der anvisierte Start in Brasilien fiel aus. Dafür konnte von August bis November im Piemont gedreht werden, trotz der hohen Covid-19-Risikostufe in dieser Region. Bis dahin gab es bereits eigene Corona-Regeln für den Dreh. "Deshalb waren wir total isoliert. Wir hatten eine Ärztin am Set und wurden regelmäßig getestet." Einzelne Erkrankungsfälle traten zwar auf, aber eher am Rande der Produktion.

Kinos müssen gefördert werden

Für Albert, die seit ihrem Debüt Nordrand (2000) als eine der prononciertesten Autorenfilmerin des heimischen Kinos gilt, geht das Seriendebüt mit Perspektivverschiebungen einher. Nicht nur, weil es mit David Dietl, dem Sohn des bayerischen Filmemachers Helmut Dietl, einen Koregisseur gibt. Nach der Lektüre des Drehbuchs habe sie spontan gesagt, sie würde gerne die Folgen drei, vier, fünf und sieben inszenieren. "David meinte, das treffe sich gut, weil es bei ihm quasi genau andersrum sei. Das war wirklich so!" Mehr gemeinsam abzustimmen, nicht mehr ganz allein am Set zu entscheiden, das war für sie eine neue Erfahrung.

Im soeben erschienen Interviewbuch Aus der Werkstatt: Barbara Albert, das eine neue Publikationsserie der Filmakademie Wien eröffnet, blickt sie auf ihre Laufbahn zurück. Man kann darin auch nachlesen, wie stark die 1970 geborene Regisseurin durch das Kino sozialisiert wurde, sei es durch Aki-Kaurismäki-Filme im Stadtkino Wien oder durch Defa-Regisseure wie Frank Beyer aus der ehemaligen DDR. Nicht nur deshalb bereitet ihr die Lage der durch Corona angeschlagenen Kinos Sorge.

Neue Buchreihe: Die Werkstattgespräche mit Barbara Albert machen den Anfang.

Melancholie kann man bei ihr allerdings keine erkennen, der tatkräftige, optimistische Tonfall, der ihr zu eigen ist, verlässt sie auch bei diesem Thema nicht. Albert sieht die Kulturpolitik gefordert, in die Arthouse-Kinos zu investieren. "Wenn diese verlorengehen, würde das ein großes Loch in die Kultur schlagen. Kinos müssten einen ähnlichen Status wie große Theater- und Konzerthäuser oder Museen bekommen. Auch wenn es sein kann, dass es weniger Publikum geben wird – vielleicht wird das Kino selbst musealer. Das können wir derzeit noch schwer einschätzen, es darf aber kein Argument für oder gegen kulturelle Förderung sein."

Der Austausch mit der Realität

Von der Kinosituation, dem Wandel der Öffentlichkeit durch Streamingplattformen ist es im Gespräch kein weiter Weg zur Reflexion des Selbstverständnisses als Filmschaffende. Alberts Filme waren stets auch Auseinandersetzungen mit den Verwerfungen der Gegenwart, eine Bestimmung der Positionen der eigenen Generation, auch wenn sie sich zuletzt mit Licht einem historischen Stoff zuwandte. Im Interviewband leitet sie ihren filmischen Blick von ihrer Kindheit am Stadtrand von Wien ab, wo sie die Rolle des "Beobachterkinds" einnahm, das dort zu den Außenseitern gehörte.

"Das Kino muss schaffen, mit der Realität in Austausch zu sein", sagt Albert. "Als ich begonnen habe, Filme zu machen, war das noch stärker spürbar." Die Suche nach der passenden Form ist schwieriger geworden, das Grübeln stärker. Sie spricht über die Krise der Demokratie, von der autoritär-patriarchalen Renaissance vieler Länder. "Radikalität kann nur aus einer Dringlichkeit heraus entstehen, aus Figuren, die etwas über unsere Zeit erzählen. Als 2015 die großen Flüchtlingsbewegungen nach Europa begannen, wollte ich, wie bereits Anfang der Nullerjahre, unbedingt etwas über die menschenverachtende Reaktion von Politik und Bevölkerung machen. Etwas, das zwingend ist – das ist immer mein Anspruch."

"Ich lese ja auch nicht die ,Bunte'"

Diese Dringlichkeit ist etwas, was sie bei Serien bei aller Professionalität manchmal vermisst. Bei The Crown gehe es etwa auf sehr hohem Niveau vor allem um die Figuren und Ästhetik, meint Albert. "Man kann sich durchaus fragen, warum man sich so viele Stunden lang mit dem englischen Königshaus beschäftigen sollte. Ich lese ja auch nicht die Bunte." Als Mutter eines 13-jährigen Sohnes ist sie jedoch mit dem Netflix-Angebot gut vertraut und argwöhnt, dass es unsere Wahrnehmung von Film stark mitprägt. "Netflix verändert unsere Sehgewohnheiten, egal wie sehr man sich dagegen verwehrt." Schon deshalb ist es wichtig zu überlegen, was Film noch alles sein kann. (Dominik Kamalzadeh, 23.1.2021)