Wien – Harald Pyrek hat Jahrzehnte für Julius Meinl Rohkaffee eingekauft. Er hat so ziemlich alles gesehen, was es am internationalen Kaffeebohnenmarkt zu sehen gibt. In Wien sagt man über so jemanden, dass man ihm nichts vormachen könne. Die rohen Kaffeebohnen, die er seinem Sohn Philipp zum Rösten aussucht, sind demnach von höchster Qualität.

Philipp und sein Vater Harald Pyrek beim Kaffeerösten in Wien. Das Ergebnis nennt sich Edition Trieste.
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Philipp Pyrek steht in der Josefstadt an der kleinen Fünf-Kilogramm-Rösttrommel und vollbringt dort wahre Wunder. 80 Prozent Arabica- und 20 Prozent Robustabohnen werden zur Edition Trieste geröstet, aus der sich der derzeit vermutlich beste Espresso der Stadt extrahieren lässt. Und weil Verknappung die Nachfrage ankurbelt, gibt es den Edition Trieste ausschließlich in den beiden Espressogeschäften namens Vettore am Alsergrund und in Margareten zu kaufen.

Exklusive Marken

Vettore hat sich auf italienische Röstereien spezialisiert und führt weitere Marken exklusiv in Österreich: Caffè Haiti Roma, Toscaffè, Torrcaffè, Caffè Armeno und Lollo Caffè. Drittelboss Philipp Wanivenhaus besitzt – so wie seine Mitarbeiter – die seltene Gabe, sein galaktisches Wissen zum Thema Kaffee stets auf Augenhöhe zu vermitteln. Als Kunde ist man dort nie der Blöde, Zucker zum Espresso ist ebenso okay wie ein Schuss Milch.

Das Vettore ist eines von den kleinen, sehr schicken und angesagten Geschäften, in denen es richtig guten Kaffee gibt.
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Affektiertes Distinktionsgewinnlergehabe findet man in den Fachgeschäften für italienisch vulgo dunkel geröstete Bohnen eher nicht. Dieses bleibt den hell röstenden Geschäften der dritten Kaffeewelle vorbehalten – ebenso wie ihr saurer Espresso. Vettore hat sich, mit Ausnahme von Harry & Phil’s, auf italienische Röstereien spezialisiert. Allein die Designs der Verpackungen sind schon einen Besuch wert, der Duft von frisch zubereitetem Caffè und die chromblitzenden Lelit-Espressomaschinen sorgen für einen atmosphärischen Trip nach Italien.

Dass auf dem Weg vom Rohkaffee hin zum Espresso in der Tasse schöne Gewinnmargen abzuholen sind, hat sich offensichtlich herumgesprochen. Nach der Initialzündung durch Alt Wien Kaffee haben immer neue Kleinröstereien als Epigonen von Naber und Santora in Wien aufgesperrt. Akrap, Rauwolf, Kaffeefabrik, Süssmund, Rösthaus, um nur einige zu nennen. Und auch die Händler stellen zum Teil ihre eigenen Mischungen aus Arabica- und Robustabohnen zusammen und lassen diese von Profis zu schick verpackten Imageträgern rösten.

Maschinen und Mühlen

In Währing, gegenüber dem Schubertpark, gibt es seit Herbst ein neues Fachgeschäft für Espresso: Espressorado hat eine sehr persönlich zusammengestellte Auswahl unterschiedlichster Röstereien im Sortiment, vom Mühlviertel (Suchan) bis Catania (Epos) kann man seine Vorlieben ausweiten. Wer auf dichte, schokoladig-malzige Caffès steht, greift zu Mischungen mit hohem Robusta-Anteil.

Wer das Fruchtige sucht, die Eleganz und eine leichte Säure im Kaffee zu schätzen weiß, wird sich reine Arabicas von Chef Bernd Richter empfehlen lassen. Richter hat auch für jedes Budget die richtige Maschinen-Mühlen-Kombination, bietet deren Service an und veranstaltet Barista-Kurse.

Zu den Empfehlungen gehört auf jeden Fall das Urmeter des Espressogeschäfts in Wien, das Taste it auf der Wollzeile. Geile Maschinen, tolle Bohnen – das Taste it war für viele der erste Dealer der Stadt.

Kaffeespende erwünscht

Aber auch Patrick Schönberger ist ein positiv Verrückter der Branche. Beim ihm auf der Wieden bekommt man ebenso alles für das private Espressoglück – und zusätzlich ist die denkmalgeschützte ehemalige Naber-Filiale entzückend schön, unglaublich stimmungsvoll und in Wahrheit die erste echte Aperitivobar Wiens – lange bevor dies ein Trend wurde. Bezeichnend für den Menschen Patrick Schönberger ist die Möglichkeit, in seinem Café auch einen Caffè sospeso bestellen beziehungsweise spenden zu können: eine Schale besten Kaffees für jene Mitmenschen, denen das Geld dafür fehlt.

Auf der Landstraße kann man einerseits im Beans seine Bohnen kaufen, andererseits ein paar Schritte weiter stadtauswärts im Wake up. Das Wake up ist sicherlich die nerdigere Hütte, die Auswahl ist nicht so breit, dafür exzellent. Robusta-Mischungen, die es in sich haben, warten auf ihren Besitzerwechsel. Auch stehen regelmäßig renovierte, wunderschöne Vintage-Siebträger mit Handhebel in der Auslage. Für diese hat Patron Mario Sciurti nämlich ein Faible.

Farben, Licht, Duft, Exotik, Italianità – wer in diesen Jännertagen etwas gegen den sich ausbreitenden Trübsinn machen möchte, sollte einen Espressotandler aufsuchen. Diese haben als Lebensmittelhändler auch im Lockdown geöffnet. (Gregor Fauma, 23.1.2021)