Zwischen Größenwahn und ängstlichem Misstrauen. Plácido Domingo als Nabucco.

Pöhn

Nachdem alles vorbei war, sang ihm der Staatsopernchor noch ein Ständchen; auch manch Orchestermusiker spielte begeistert einige "Happy Birthday"-Wendungen mit. Am Donnerstag war Placido Domingo ja 80 geworden.

Gäbe es kein Corona, es wäre am Freitag an der Staatsoper wohl zu einer großen Feier gekommen. So blieb die Zeremonie auf den Bühnenbereich beschränkt. Irgendwie allerdings passend, dass gerade dieser rastlose Senior, der im Zuge der MeToo-Bewegung mit Vorwürfen überhäuft wurde und in Amerika auf Auftritte verzichten musste, eben jener ist, der dann doch auf der Bühne steht. Obwohl zur Zeit kulturell praktisch nichts geht.

Solide Sache

Wie auch immer. Die Aufführung von Verdis "Nabucco" an der ansonsten "stillgelegten" Staatsoper, bei der nur fieberfreie (es wurde gemessen) Medienvertreter und ORF3-Kameras (Ausstrahlung am Sonntag) anwesend waren, erwies sich als durchaus solide.

Man wird am Sonntag auf ORF3 einen Domingo erleben, der mit gewaltigem Vibrato startete, sich jedoch im Laufe der Aufführung stabilisierte und doch zu einigen delikaten Momenten fand. Natürlich ist das alles mittlerweile ein bisschen Stimmen-Roulette. Ob ein Ton in der Tiefe wegbricht, nur angedeutet wird oder zu hören ist, scheint zufallsgeprägt unberechenbar.

Ab der Mittellage jedoch ist der typische Domingo-Klang nach wie vor zugegen. Der Sound verbindet sich beim Routinier bisweilen mit einer eleganten Linienführung. Somit war seine Darstellung des dem Größenwahn verfallenden Nabucco auf durchaus passablem Niveau.

Hass und sanfte Töne

In dieser ziemlich oratorialen Inszenierung von Günter Krämer zeigte sich der Tenor Freddie De Tommaso hingegen in exzeptioneller Form (als Ismaele). Imposant dramatisch schleuderte daneben Anna Pirozzi (als Abigaille) ihren Hass heraus; hin und wieder wich der herbe Charme ihrer beweglichen, eindringlichen Stimme auch sanfteren Tönen. Durchaus robust Riccardo Zanellato (als Zaccaria) und Szilvia Vörös (als Fenena).

Das Orchester unter dem immer enthusiastischen und dann eben auch Tutti-Bombast nicht scheuenden Marco Armiliato tönte hingegen zumeist kultiviert und wirkte engagiert, obwohl im Orchestergraben und auf der Bühne mehr Menschen versammelt waren, als im Zuschauerbereich. (Ljubisa Tosic,23.1.2021)