Der Blaue Johann Tschürtz ist ein leidenschaftlicher Wahlkämpfer. In Mattersburg hat er sich als Bürgermeisterkandidat ins Spiel gebracht. Aber damit auf Parteigranit gebissen.

APA/Robert Jäger

Erst im frühen Herbst 2022 finden die burgenländischen Kommunalwahlen statt. Es sind die nächsten regulären Wahlgänge. Bis dahin ist also, wie man so sagt, noch ein Ranterl Zeit. Gleichwohl werfen die fernen Wahlen schon einen leichten Schatten ins Heute, als wäre das nicht eh schon turbulent genug.

Gründe für dieses vorzeitige politische Wurlertwerden gibt es einige. Zuvorderst den Umstand, dass im Burgenland – anders als in Niederösterreich, der Steiermark und dem Sonderfall Wien – die Bürgermeister direkt gewählt werden. Treten sie vorzeitig zurück, gibt es Neuwahlen.

Es sei denn, der Rücktritt erfolgt ein Jahr vorm Wählen. Im heurigen Herbst wird es also ein verbreitetes Zurücktreten geben im Burgenland.

Neu gemischt

Gegen amtierende Bürgermeister und -innen ist nur selten ein oppositionelles Kraut gewachsen. Bei Rücktritten – insbesondere solchen von im Amt gewissermaßen Versteinerten – wird das Spiel neu gemischt. Lange bloß abseits Gestandene atmen Hoffnung.

In Felsőpulya/Oberpullendorf und in Mattersburg – zwei sogenannte Bezirks-Vororte und darum jeweils innerparteilich von einigem Gewicht – ist dieses zarte Pflänzchen schon erblüht. Dort hat der seit 2007 amtierende ÖVP-Bürgermeister Rudolf Geißler seinen vorzeitigen Rückzug angekündigt; hier die seit gar 1999 regierende Ingrid Salamon den ihren.

Im schwarzen Oberpullendorf überlegt man laut Geißler noch "bis ins Frühjahr" die Nachfolge. In Mattersburg dagegen pfeifen die Spatzen von den Dächern seit längerem schon den Namen Claudia Schlager. Die Schuldirektorin hat vor einem Jahr Salamon bereits im Landtag abgelöst. (Ein männlicher Nachfolger scheint eher unwahrscheinlich. In Mattersburg ist es ein bisserl wie grad in Deutschland: Man traut einem Mann das Amt der Bürgermeisterin nicht wirklich zu.)

Appetithappen

Für die ÖVP ist der angekündigte Rücktritt ein willkommener Appetithappen. Immerhin läuft gerade ein U-Ausschuss zum Thema Commerzialbank. Landesgeschäftsführer Patrik Fazekas stellte klarerweise einen oppositionell gut form- und formulierbaren Zusammenhang her: Verstrickung ins Bankdesaster.

Tatsächlich ist die Stadt schwerst in Mitleidenschaft gezogen durch die haarsträubenden Macheloikes in der Bank. Immerhin standen die Pläne für ein neues Stadtzentrum inklusive Rathaus in den Pucher’schen Büchern. Und damit jetzt in den Sternen.

Gfrett

Aber nicht nur die ÖVP – seit sie 2015 im Landtag auf der Oppositionsbank Platz hat nehmen müssen, versucht sie verzweifelt, wieder Tritt zu fassen im Burgenland – blickt hoffnungsfroh auf 2022. Das tut auch die im vergangenen Jänner aus der Regierung gefallene FPÖ.

Aber, aber: Für die pannonische FPÖ gilt, was der alte Josef Weinheber einst über ganz Wien gesungen hat. Es wäre wohl nicht Pannonischblau, "wann net durt, wo ka Gfrett is, an's wurdt". Seit einem Jahr taumelt die FPÖ so sehr durch ihre innerparteilichen Fisimatenten, dass Bundeschef Norbert Hofer sich beim Rückzug tummeln musste, um als Interims-Landeschef nicht selber hineingezogen zu werden ins Schlamassel seiner Heimat. (Falls es, wider Erwarten, diesbezügliche Feinspitze geben sollte: Hier und hier wäre was zum Nachlesen.)

Neu-Mattersburger

Diesmal nahm das Gfrett seinen Ausgang bei Erwägungen des Alt-Landeschefs und jetzigen Klubobmanns Johann Tschürtz. Der ist nämlich seit kurzem Mattersburger und also sowohl aktiv als auch passiv dort wahlberechtigt. Via "Krone" überlegte er laut, im Herbst 2022 als Bürgermeisterkandidat anzutreten. Zur Not auch als Parteifreier.

Das freilich kam weder in der Stadtpartei noch im Bezirk besonders gut an. Bezirkschef Christian Spuller, verärgert: "Das geht so nicht. Tschürtz lässt einmal mehr jeglichen Respekt vor der ehrenamtlichen Parteibasis vermissen. Sich selbst als Kandidat auszurufen, noch dazu als ‚parteifreier‘, eigentlich unfassbar." Tschürtz, verschnupft: "Wenn ich keine Unterstützung spüre, dann lasse ich es eben – das ist auch kein Problem."

Welch ein Irrtum! Die Probleme fingen damit erst so richtig an. Was Tschürtz nämlich übersehen hat: Sein Heimatbezirk ist seit eh und je ein blaues Minenfeld. Und das Sich-Bewegen wie auf rohen Eiern beherrscht er halt nicht wirklich aus dem Effeff.

Anfang und Ende

Im Mattersburger Gemeinderat sitzt zur Zeit nur ein Blauer: Siegfried Steiner. Der ist auch Stadtparteiobmann. Zur Tschürtz’schen Erwägung hatte er deutliche Widerworte gefunden und sich dadurch, so Steiner grantig, "eine schriftliche Verwarnung von Landesparteiobmann Petschnig" eingehandelt. Die Konsequenz: Jetzt ist er – und mit ihm das Mandat – von selber ausgetreten.

Der Obmann geht nicht allein. Er sagt: "Die Stadtgruppe hat sich de facto aufgelöst." Unter anderem verließ auch der Landesseniorenchef und eine Gemeinderätin aus der Nachbargemeinde Wiesen die Partei. Und Bezirkschef Spuller wurde gegangen. Steiner prophezeit den Verbliebenen: "Wenn sie so weitermachen, ist das nur der Anfang vom Ende."

Unabkömmlichkeiten

Am kommenden Donnerstag hat Parteichef Alexander Petschnig zu einem Bezirks-Versöhnungstreffen geladen. "Wir werden uns am Donnerstag Corona-konform zusammensetzen. Alle können ihre Bedenken oder Anregungen äußern. Jeder kann seine Sichtweise darlegen. Das ist am sinnvollsten."

Dummerweise ist da zeitgleich Landtagssitzung. Klubobmann Tschürtz wird dort eher unabkömmlich sein. (Wolfgang Weisgram, 26.1.2021)