Thomas Saier steckt ein bisschen in einer moralisch-wirtschaftlichen Zwickmühle. Persönlich und auch menschlich sehnt er sich, wie so viele andere Menschen auch, nach einem Ende der Pandemie. Für sein Business wäre es aber wohl nicht schlecht, wenn die Menschheit noch ein wenig länger auf einen effektiven Mund-Nasen-Schutz angewiesen wäre. Aber das sagt er freilich nicht.

Während des Gesprächs mit dem Mitgründer und Geschäftsführer von Edera Safety, das eigentlich Schutzausrüstung für Sportler herstellt, hört man eher den leichten Frust, dass die Bürokratie und die vielen notwendigen Zertifizierungen eines Gesundheitsprodukts eben ihre Zeit brauchen – egal wie schnell man selbst auch produziert.

Bereits im April 2020 traf sich Saiers Team, ein interdisziplinäres Designstudio mit Fokus auf Produktentwicklung, Industriedesign und Elektronik, um ein Corona-Brainstorming mit weiteren Partnern abzuhalten. Dabei entstand die Idee, eine transparente, nicht beschlagende Schutzmaske zu entwickeln.

Am Wochenende trug auch Bayern-Präsident Karl-Heinz Rummenigge kurzzeitig die Maske bei einem Bundesligaspiel.

Normalerweise treten Firmen mit Aufträgen oder Problemstellungen an das steirische Start-up heran. Das geschah im konkreten Fall aber nicht. So entschied man sich einmal für einen anderen Weg und produzierte auf eigene Faust in der Hoffnung auf Abnehmer. In Vorleistung zu gehen sei natürlich mit einem unternehmerischen Risiko verbunden, sagt Saier: "Einfach so einen Kredit aufzunehmen und etliche Tausend Stück zu produzieren und zu hoffen, dass es gutgeht, wäre aber unternehmerischer Suizid."

Heimisches Produkt

Und so entschied man sich, zunächst nur kleine Stückzahlen zu produzieren, den Markt zu sondieren und vor allem das direkte Kundenfeedback einzuholen. In Tirol werden die Maskenrahmen per 3D-Druck hergestellt, im oberösterreichischen Mattighofen werden die Teile dann zusammengesetzt.

Seit Dezember sind die ersten beiden Versionen am Markt. Sie sind vorerst noch ein Kompromiss. Da wäre etwa die Light-Variante – besser schützend als ein herkömmlicher Mund-Nasen-Schutz, aber nicht FFP2-zertifiziert. Man habe sich bei der Abdichtung der 59 Gramm leichten Masken für Schaumstoffe entschieden, die noch eine gewisse Luftzirkulation erlauben, um ein Beschlagen der Brille zu verhindern oder zumindest hinauszuzögern, aber gleichzeitig darauf geachtet, dass möglichst wenig Aerosole durchkommen, so der CEO.

Trotz Spezialbeschichtung muss die Maske aber nach spätestens zwei Stunden kurz abgenommen werden, sonst sieht das Gegenüber die Lippen nicht mehr. Perfekt sei das nicht, aber einmal ein guter Anfang, so Saier.

Die FFP2-Frage

Die satten 90 Euro, die man dafür berappen muss, sollen sich vor allem durch die Wiederverwendbarkeit, aber natürlich auch über den Tragekomfort und die offensichtlichen Vorteile der durchsichtigen Scheibe für potenzielle Käufer auszahlen. Wer es besonders komfortabel haben möchte, kann sich mittels einer App und eines Gesichtsscans eine maßgeschneiderte Maske binnen 14 Werktagen zustellen lassen. Kostenpunkt: auch nur 20 Euro mehr als beim Standardmodell. Saier sagt, es sei mit dem Brillenkauf vergleichbar, der "Rahmen im Gesicht" passe nun einmal nicht jedem ideal, und so könne die perfekte Passform garantiert werden.

Für die maßgeschneiderte Maske reicht ein einfacher Gesichtsscan per Handy-App.
Foto: Edera Safety

Wenn schon bald die Pro-Version in FFP2-vergleichbarer Qualität mit beheiztem und deshalb nicht beschlagenem Visier am Markt sei, werde diese sich maximal bei circa 120 Euro einpendeln, glaubt Saier. Das Gehäuse sei schließlich dasselbe, nur die Scheibe eine andere, bessere. Die Zertifizierung dauert aber Monate. Dahingehend ist die aktuelle Verordnung zur FFP2-Pflicht in Öffis und Supermärkten natürlich eine neue Herausforderung für das österreichische Unternehmen.

"Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unser Produkt zeitnah zu zertifizieren", sagt Saier. Ihm ist klar, dass sein Produkt mit solchen Preisen in der absoluten Premiumklasse mitspielt. In ein paar Bereichen sei der aktuelle Zustand aber absolut untragbar. Nicht nur für Menschen mit Hörbeeinträchtigung, die sehr auf das visuelle Element der Kommunikation angewiesen seien, sei es interessant. Sondern auch für Pädagogen, Ärzte, TV-Moderatoren oder Dienstleister. Die Zielgruppe sei kleiner, vielleicht aber bereit, mehr zu bezahlen.

Desinfektion durch Plasma

Die Maske würde sich ohnedies binnen dreier Wochen amortisieren, meint zumindest der CEO. Sowohl für den Restaurantbetreiber, der möchte, dass seine Kellner die Kundschaft anlächeln, bis hin zum Gebärdensprecher bei der nächsten Regierungspressekonferenz, der nicht mehr nur auf das schwache Faceshield angewiesen ist. So teste etwa die ÖBB für ihr On-Board-Personal die Edera-Maske. Auch Österreichs olympisches Team will die Maske im Sommer nutzen – auch wenn die Spiele in Tokio pandemiebedingt gehörig wackeln.

Das Team von Edera Safety steht also noch vor einigen Herausforderungen. Wenig überraschend versuchten sich weltweit schon einige Start-ups am schnellen Geld mit der perfekten Maske. Durchgesetzt haben sich bislang kaum welche. Für Saier zählt neben der Masse an wertvollen Erfahrungen und Synergien mit anderen Betrieben aber ohnehin das angestrebte Gesamtpaket. Gemeinsam mit TDK Electronics soll etwa ein Apparat zur minutenschnellen Desinfektion der Masken hergestellt werden. Dabei wird durch die Erzeugung kalten Plasmas Ozon freigesetzt, was wiederum Viren inaktivieren und die Masken damit desinfizieren kann. Für die nächste Pandemie ist das Know-how also jedenfalls schon einmal extrem gewachsen. (Fabian Sommavilla, 26.1.2020)