Das Team des inhaftieren Kreml-Kritikers Alexej Nawalny hatte ein Video über ein mutmaßlich Präsident Putin gehörendes Anwesen veröffentlicht.

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Am Wochenende kam es zu Großdemonstrationen gegen die russische Regierung – und zu massiver Polizeigewalt.

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Moskau – Russlands Präsident Wladimir Putin hat Recherchen zu seinem angeblichen Luxuspalast an der Schwarzmeerküste zurückgewiesen. "Nichts von dem, was hier als mein Besitz aufgeführt wird, gehört mir oder meinen engen Verwandten, und das hat es auch niemals", sagte Putin am Montag während eines Videogesprächs mit Studenten.

Die Recherchen über das Anwesen hatte das Team des inhaftieren Kreml-Kritikers Alexej Nawalny veröffentlicht. In dem Video mit dem Titel "Ein Palast für Putin" wurden erstmals Bilder, Augenzeugenberichte und Dokumente zu Russlands größtem privatem Anwesen gezeigt. Nawalny hält es für erwiesen, dass das milliardenschwere "Zarenreich" mit Kasino, Eishockey-Arena und Hubschrauberlandeplatz dem Präsidenten gehört.

Am Sonntag soll es neue Proteste geben. Verbündete Nawalnys riefen nach den landesweiten Oppositionsprotesten zu erneuten Demonstrationen auf: "31. Jänner, 12 Uhr. Alle Städte Russlands. Für Nawalnys Freilassung. Für die Freiheit aller. Für die Gerechtigkeit", twitterte der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow am Montag.

Kritik von Human Rights Watch

Bereits am vergangenen Wochenende hatten in mehr als 100 russischen Städten Menschen für Nawalny demonstriert, der zunächst für 30 Tage inhaftiert ist und dem weitere Prozesse und viele Jahre Gefängnis drohen. In Moskau und St. Petersburg prügelten Uniformierte auf Demonstranten ein.

Grundlegende Menschenrechte würden von den russischen Behörden nicht nur ignoriert, sondern mit Füßen getreten, kritisierte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch am Montag. "Immer wieder unterdrücken russische Behörden freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest durch Polizeibrutalität, Gewalt und Massenfestnahmen", heißt es in einer HRW-Mitteilung. "Der 23. Jänner war keine Ausnahme."

Für die Freilassung Alexej Nawalnys gingen zehntausende Demonstranten in ganz Russland auf die Straßen.
DER STANDARD

Streit um Teilnehmerzahl

Wolkow sprach einem Medienbericht zufolge von bis zu 300.000 Demonstranten landesweit. Polizei und kommunale Verwaltungen hatten vielerorts deutlich niedrigere Teilnehmerzahlen veröffentlicht als die Organisatoren. Der Kreml sprach gar von "wenigen Menschen" auf den Straßen. Bürgerrechtler zählten mehr als 3.700 Festnahmen. Alleine in Moskau sollen es laut ovdinfo.org mehr als 1.400 gewesen sein – so viele hatte das Internetportal eigenen Angaben zufolge noch nie zuvor bei einer Protestaktion in der Hauptstadt gezählt.

Die russische Regierung wies Kritik am Vorgehen der Sicherheitskräfte zurück. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow bezeichnete die Proteste als illegal, wie die Nachrichtenagentur Ria berichtete. Das Außenministerium kritisierte auch Facebook und andere soziale Medien dafür, dass sie angeblich nicht entschieden genug gegen falsche Beiträge bezüglich der nicht genehmigten Proteste vorgegangen seien.

Nawalny war vor einer Woche direkt nach seiner Rückkehr nach Russland festgenommen worden. Der 44-Jährige soll während seines Deutschland-Aufenthalts gegen Meldeauflagen in einem früheren Strafverfahren verstoßen haben. Er erholte sich dort von einem Giftanschlag mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok, der im August im sibirischen Tomsk auf ihn verübt worden war.

EU will abwarten

Am Montag berieten auch die Außenminister der EU-Staaten in Brüssel über mögliche Reaktionen auf das Vorgehen der russischen Regierung gegen Nawalny und dessen Anhänger. Diplomaten zufolge will die EU allerdings erst im Februar entscheiden, ob sie weitere Sanktionen gegen Russland verhängt. Demnach soll ein für Anfang Februar geplanter Moskau-Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell abgewartet werden. Er wolle die seit längerem bestehende Einladung des russischen Außenministers Sergej Lawrow annehmen, sagte Borrell. Der Besuch sei eine gute Gelegenheit, klare Botschaften der EU zur aktuellen Lage zu übermitteln.

Die Außenminister der baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen hatten Borrell zuvor schriftlich gebeten, aus Protest gegen die Inhaftierung Nawalnys eine Verschiebung des Moskau-Besuchs zu erwägen. Sie fordern zudem zusätzliche EU-Sanktionen gegen Russland. Für eine schnelle und deutliche Reaktion gegenüber Russland werben in der EU vor allem östliche Mitgliedsstaaten wie Polen, Estland, Litauen und Lettland. Auch Österreich kritisierte die Vorgehensweise scharf. Andere sind allerdings zurückhaltender und wollen erst einmal abwarten, ob Nawalny länger in Haft gehalten wird.

Borrell erklärte am Montag, er halte es für wichtig, mit Moskau zu reden, bevor es im März beim nächsten EU-Gipfel eine strategische Diskussion über die Beziehungen der EU zu Russland gebe. Er werde mit der russischen Regierung auch über Nawalny reden. (APA, red, 25.1.2021)