Impfstoff soll nicht im Müll landen, heißt es vom Gesundheitsministerium. in Einzelfällen passierte das trotzdem.

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Gründe, warum Covid-Schutzimpfdosen weggeworfen werden, gab es bisher unterschiedliche. Doch darüber, wie oft das passiert ist, hat niemand den Überblick, immer mehr Einzelfälle werden jedoch publik. In einem Fall aus Ostösterreich soll es um fünf Dosen gehen. Grund war ein Disput zwischen Heimleitung und Arzt, berichtete der Kurier. Der Arzt hätte eine überschüssige Impfdose schon genommen, die Heimleitung sei dagegen gewesen, das Vakzin landete im Müll.

Bei einem Fall in Wien waren es gleich zehn Dosen, die vernichtet wurden. Ursache dafür war, dass man weit und breit niemanden gefunden haben soll, der sich der überschüssigen Dosen erbarmen würde. Dass man überhaupt zu viel hatte, lag in vielen Heimen daran, dass aus einer Phiole des Pfizer-Impfstoffs oft sechs oder gar sieben Dosen gezogen werden können statt der ursprünglich gedachten fünf. Das war auch der Ausgangspunkt jener Bürgermeisterdebatte, die vergangene Woche die Wogen hochgehen ließ.

Bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) sind, was das Vordrängeln angeht, seit vergangener Woche gleich mehrere, teils anonyme Hinweise eingelangt. Diese werden nun geprüft, sagte Sprecher Rene Ruprecht zur APA. In manchen Fällen soll Geld geflossen sein, bei anderen wiederum gehe es um die mögliche Ausnutzung eines Amts

Dilemma und Anordnungen

Ärztinnen und Ärzte bzw. Heimleitungen und Impfbeauftragte stehen also vor einem Dilemma: Einerseits gilt es, des öffentlichen Aufschreis Herr zu werden und niemanden zu impfen, der eigentlich noch nicht dran ist. Immerhin zeigte sich selbst die oberste Regierungsspitze "empört" (Vizekanzler Werner Kogler, Grüne) und "enttäuscht" (Bundeskanzler Sebastian Kurz, ÖVP) über Drängler.

Andererseits – und das wurde von Anfang an auch so aus dem Gesundheitsministerium kommuniziert – soll es auf keinen Fall zu einem Verwurf der Impfdosen kommen. Und wenn, müsse dieser dokumentiert und "auf Aufforderung" gemeldet werden, wie es in einem Schreiben an die Impfbeauftragten heißt.

Der Stoff ist knapp, Österreich ohnehin nicht so flott im Impfen – da auch noch Dosen in den Müll zu werfen mutet absurd an. Nur: Wie oft das eigentlich passiert, ist keiner öffentlichen Stelle bekannt und kaum kontrollierbar. Im Gesundheitsministerium weiß man nur von den Fällen, die dort aufschlagen, das seien "Einzelfälle", hieß es am Wochenende aus dem Ministerium zum STANDARD. In den Ländern wiederum ringt man um Überblick.

Nur Einzelfälle bekannt

So heißt es etwa aus Kärnten, es sei "momentan nichts bekannt", was weggeworfene Dosen angehe. Einmal sei eine Phiole zu Bruch gegangen, das sei gemeldet worden, sagt ein Sprecher. Es gebe zwar Listen darüber, für wen wie viele Impfdosen angefordert wurden und wie viele tatsächlich verimpft wurden, diese würden aber nicht grundsätzlich kontrolliert.

Vom Impfkoordinator in Salzburg, Robert Sollak, heißt es, auch er wisse von keinen Fällen, in denen Dosen verworfen worden seien. Aber mit der Kontrolle sei das so eine Sache. Missbrauch könne es immer geben, man könne aber schlicht nicht bei jeder Impfaktion daneben stehen, "wir müssen uns darauf verlassen, dass die Vorgaben eingehalten werden". Auch aus Vorarlberg, der Steiermark und dem Burgenland heißt es, es seien zumindest keine Fälle bekannt. Aus Tirol heißt es, die abgerufenen Dosen würden "bisher sehr gut" mit den verimpften Dosen korrelieren.

Kontrollmechanismen nach Pannen

In Büro des Wiener Gesundheitsstadtrats weiß man abseits des eingangs erwähnten Falles mit zehn verworfenen Dosen von einem weiteren. Beide beziehen sich auf die Zeit zwischen 27. und 30. Dezember, also unmittelbar nach dem Impfstart. Mittlerweile habe man ein System eingerichtet, das Verwurf verhindern soll: Es gebe nun Backup-Listen, sollten diese nicht ausreichen, schicke der Einsatzstab impfwillige Personen vorbei, heißt es von einem Sprecher. Amtsärzte kontrollieren außerdem stichprobenartig, ob die Impfungen reibungslos ablaufen.

Bei der MA 15, zuständig für Impfungen, ist außerdem noch Fall aus dem Jänner bekannt. Das Problem bei diesem sei gewesen, sagt eine Sprecherin, dass es bereits sehr spät war, als Impfstoff übrig geblieben sei. Daher habe man niemanden mehr gefunden, der sich impfen lassen wolle. Das soll nicht noch einmal vorkommen, sagt die Sprecherin, da gebe es noch "Optimierungsbedarf".

Franz Schützeneder, der Impfkoordinator Oberösterreichs, sagt: "Eine Impfdose wegzuwerfen ist absolut unmoralisch." Dass das in Oberösterreich passiert sei, schließe er aus. Immerhin gebe es Rückmeldungen darüber, welcher Impfstoff in welcher Menge verimpft worden sei – auch wenn der Überblick komplizierter werde, wenn etwa wegen Personen, die zum Impftermin erkranken, die Zahlen nicht mehr übereinstimmen. Doch: "Man kann alles verimpfen", ist Schützeneder überzeugt. Selbst wenn dafür auf den letzten Abdruck ein Bürgermeister herhalten müsse. (Gabriele Scherndl, 25.1.2021)