Könnten Sie sich vorstellen, die Virtual-Reality-Technologie auch im Alltag zu verwenden?

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Die Versprechen der virtuellen Realität (VR) klangen schon von Anfang an gewaltig: Wer sich die Brillen aufsetzt, soll in eine andere, grenzenlose Welt eintauchen – ohne dabei auch nur ein einziges Mal die eigenen vier Wände verlassen zu müssen. Seit den 1960er-Jahren ist die Technologie immer realistischer, vielseitiger und günstiger geworden (siehe Zeitleiste).

Mittlerweile umfasst die virtuelle Realität eine Bandbreite von potenziellen Einsatzgebieten: etwa in der Medizin, um so Phobien zu behandeln, in der Architektur, um Projektpläne zu visualisieren, in den Schulen, um durch die VR-Brillen historische Ereignisse wieder erlebbar zu machen, in der Arbeit, um sich mit den Kollegen virtuell zu treffen, und sogar in der Pornographie, um in virtuelle Sexszenen einzutauchen. Auch Vorurteile wollen Entwickler mit der Technologie abbauen: beispielsweise indem man die Perspektive von diskriminierten oder obdachlosen Menschen einnimmt und so deren Welt besser verstehen lernt.

Viele Hürden

Doch allen Revolutionsrufen und Möglichkeiten zum Trotz ist die Technologie auch 60 Jahre nach ihrer Erfindung von einem Einsatz in allen Bereichen des Alltags immer noch weit entfernt. Zu klobig, zu schwer, zu inhaltslos und zu teuer scheinen die Geräte für viele zu sein. Wer VR erleben möchte, muss meist dicke Brillen aufsetzen und sich oft komplett aus der realen Welt ausklinken – keine immer leicht zu erfüllende Bedingung für jene, deren Räume viele potenzielle Kollisionsgefahren wie Lampen, Tische oder Mitmenschen aufweisen.

Für einige Experten könnte auch gerade der Umstand, dass sich die Technologie so schnell entwickelt, der Grund sein, weshalb die meisten Menschen noch eher mit dem Kauf abwarten. Neue VR-Produkte kommen in relativ kurzen Abständen auf den Markt – jedes von ihnen verspricht, dem anderen wieder um einen wichtigen Schritt voraus zu sein.

Die Kombination dieser Faktoren könnte der Grund dafür sein, weshalb Virtual- und Augmented-Reality("erweiterte Realität")-Technologien abseits der Gaming-Community immer noch eher eine Nische als die Norm sind.

Auch verwundert es in diesem Zusammenhang wenig, dass die meisten Nutzer und Interessierten an der Technologie eher jünger als älter sind. Tatsächlich können die meisten älteren Menschen noch relativ wenig mit VR anfangen.

Durchbruch mit Corona?

Mit der Corona-Pandemie sehen einige Experten die Chance nun endgültig gekommen. An virtuellen 3D-Meetings, Konferenzen und Schulungen teilnehmen, Möbel probeweise virtuell aufstellen oder Kleidung "anprobieren": All das soll die Technologie nun ermöglichen und so die Verkaufszahlen in die Höhe treiben. Einige Prognosen rechnen bereits mit einem deutlichen Wachstum der Technologie in den nächsten Jahren.

Wie bereits in der Vergangenheit scheint der Durchbruch in Kürze bevorzustehen: Entwickler hoffen auf die große Marktreife, Wissenschafter auf neue Einsatzmöglichkeiten und Start-ups, dass sie als Erste mit der Technologie durchstarten können. Nur der Konsument hat sich noch nicht so recht entschieden, ob er das alles eigentlich braucht und will. (Jakob Pallinger, 29.1.2021)