Die ehemalige Ombudsfrau im Bildungsministerium, Susanne Wiesinger, hat am Wochenende von sich reden gemacht. Sie arbeitet wieder als Volksschullehrerin in Wien-Favoriten und hat "einen großen Leistungsabfall der Schüler" beobachtet, sagt sie im "Profil". Die einzige Lösung, die Wiesinger parat hat: Die Schüler sollen die Klasse wiederholen.

Wiesingers Lösung ist keine, weil sie das Problem lediglich verschiebt und die schwächsten Leidtragenden der Krise bestraft. Auch ohne Pandemie haben diese Kinder mit mehr Hürden zu kämpfen als Gleichaltrige. Oft leben sie in beengten Verhältnissen, haben keine eigenen Laptops und zudem Eltern, die nicht im Homeoffice arbeiten und so zumindest theoretisch für Lernunterstützung verfügbar wären.

Würde man diese Kinder jetzt alle negativ bewerten und eine Klasse wiederholen lassen, würde man sie für die bildungspolitischen Versäumnisse der letzten Jahrzehnte bestrafen. Stichwort: Förderung der Mehrsprachigkeit und interkulturellen Lehrerbildung, Digitalisierung – um nur einige vernachlässigte Baustellen zu nennen.

Besser wäre es, darauf zu achten, was die Krise den Kindern gebracht hat. Gerade jene, die von den Eltern wenig Hilfe erwarten können, haben in den letzten Monaten gelernt, selbstständiger zu arbeiten. Das Schuljahr sollten alle positiv abschließen. Das wäre ein Schritt zur Abschaffung der Noten. Diese gehören ohnehin der pädagogischen Vergangenheit an. (Olivera Stajic, 25.1.2021)