Künstlerische Darstellung der Mutante B.1.1.7, die sich durch höhere Infektiosität auszeichnet. Ob sie auch tödlicher ist als die ursprüngliche Variante von Sars-CoV-2, ist noch unklar.

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Alles Leben auf dieser Erde und damit auch Viren sind in ständiger Veränderung begriffen. Das liegt unter anderem daran, dass es immer wieder zu "Abschreibfehlern" im genetischen Code kommt. Sars-CoV-2 gehört zu den Coronaviren, die im Vergleich zu Influenzaviren eher langsam mutieren, was unser Glück ist. Dennoch gibt es mittlerweile tausende Subtypen mit jeweils minimalen Abweichungen.

Doch seit Dezember sind drei bedrohliche Mutanten ins Rampenlicht der Weltöffentlichkeit gerückt, weil sie jeweils gleich mehrere Veränderungen aufweisen und sich deshalb auch anders verhalten als die ursprüngliche Form von Sars-CoV-2. (Das bedeutet nicht, dass es nicht noch andere gefährliche Virusvarianten irgendwo gibt – nur sind sie noch nicht entdeckt.)

Viele der Eigenschaften der drei Mutanten müssen erst noch genauer erforscht werden, weshalb die folgenden Steckbriefe auch nur vorläufig sind. (Einen ständig aktualisierten Überblick über die drei Mutanten und ihre Verbreitung finden Sie hier.)

B.1.1.7, die "britische" Mutante

Sie war die erste Mutante, die der Welt bewusstmachte, dass uns durch die beständigen genetischen Veränderungen des Virus neue und unerwartete Gefahren drohen. Bekannt wurde sie als "britische Variante", doch ob B.1.1.7 tatsächlich auf der Insel entstanden ist, weiß niemand. Sicher ist, dass sie am 20. September in Kent entdeckt wurde und dass der älteste Nachweis mittlerweile von einer alten Virenprobe vom 1. Mai datiert.

Klar ist auch, dass sie mit insgesamt 17 Mutationen besonders viele genetischen Veränderungen aufweist, darunter auch die Veränderung N501Y (mittlerweile als "Nelly" bekannt). Diese Mutation befindet sich auf dem sogenannten Spike-Protein, mit dem das Virus an den Zellen andockt und in die Zellen eindringt, und dürfte für die höhere Infektiosität verantwortlich sein, die man zunächst auf plus 70 Prozent schätzte.

Mittlerweile geht man eher von rund 35 Prozent aus, was immer noch zu einer Verfünffachung der Fälle in einem Monat führt. Aus Dänemark wiederum weiß man, dass sich dort der Anteil von B.1.1.7 seit Ende November rund alle zehn Tage verdoppelt hat.

Umstritten ist, ob B.1.1.7 auch zu einer um 30 Prozent höheren Sterblichkeit führt, wie am Freitag bei einer Pressekonferenz des britischen Premiers Boris Johnson behauptet wurde. Diese Angaben vom Freitag wurden mittlerweile zurückgenommen, weil die Daten eine solche Schätzung noch nicht hergeben. In Wien dürfte ihr Anteil bereits bei über zehn Prozent liegen.

B.1.351, die "südafrikanische" Mutante

Vieles, was für B.1.1.7 gilt, trifft auch auf die südafrikanische B.1.351 zu. So ist auch der Ursprung dieser Variante nicht klar, sie wurde nur in Südafrika entdeckt, wo ebenfalls viel sequenziert wird. Auch B.1.351 hat recht viele Mutationen angehäuft, unter anderem auch N501Y (oder "Nelly"), weshalb diese Variante auch als 501Y.V2 bekannt ist. B.1.351 ist in Teilen Südafrikas längst die häufigste Variante, obwohl ihr erstes Auftauchen erst in einer Probe vom 8. Oktober festgestellt und erst Mitte Dezember offiziell bestätigt wurde.

Besondere Sorgen bereitet den Forschern aber vor allem eine zweite Mutation namens E484K (mittlerweile als "Erik"), die bei dieser südafrikanischen Variante die Immunantwort bei bereits Infizierten und Geimpften reduzieren dürfte und auch den Einsatz von Antikörpern erschwert, wie "Nature News" vor wenigen Tagen berichtete. Während die mRNA-Impfungen von Biontech/Pfizer und Moderna bei B.1.1.7 tadellos wirken dürften, könnte die Wirkung bei B.1.351 etwas herabgesetzt sein, wie neue Untersuchungen der Firma Moderna ergaben. Doch sie dürfte immer noch wirken.

Wurde die britische Variante bisher bereits in über 60 Ländern nachgewiesen, sind es bei der südafrikanischen bisher knapp 30 Staaten, darunter auch Österreich. Ein erster Fall datierte aus dem Dezember, nun sind zumindest sieben bestätigte Fälle in Tirol dokumentiert; etliche Verdachtsfälle sind nach wie vor offen.

P.1, die Mutante aus Manaus/Brasilien

Sie ist die neueste der drei Mutanten, die mit besonderer Sorge beobachtet werden. Wenn wir die Regel beibehalten, dass die Virusvarianten nach dem Entdeckungsort benannt werden, müsste P.1 genau genommen "Manaus-Mutante" heißen. Denn P.1 wurde erstmals in der Millionenstadt mitten im Amazonas-Regenwald entdeckt.

Die Hauptstadt des brasilianischen Bundesstaats Amazonas gilt als jene Stadt, die am schwersten von der Pandemie betroffen ist: Bereits im Herbst waren dort etwa 75 Prozent der Einwohner mit dem Coronavirus infiziert. Sprich, man war eigentlich davon ausgegangen, dass in Manaus eigentlich schon so etwas wie eine Herdenimmunität herrschen müsste.

Dennoch kam es mit der Regenzeit im November zu einem dramatischen Anstieg der Neuinfektionen mit katastrophalen Zuständen, die bis jetzt andauern: Die Spitäler sind völlig überlastet und es fehlt unter anderem an Sauerstoff. Die Befürchtung ist, dass P.1 aufgrund der Mutationen "Nelly" und "Erik", aber noch weiterer Veränderungen (insgesamt 16 an der Zahl) ebenfalls nicht durch das Immunsystem der bereits Infizierten erkannt wird, was auf Englisch als "immune escape" bezeichnet wird. Noch ist unklar, was das für die Impfungen bedeutet.

Die Mutante P.1 wurde bisher erst in sieben Ländern nachgewiesen, darunter auch in Deutschland und Italien – bisher allerdings nur in Einzelfällen.

Weitere Mutationen drohen

Dass sich die Wissenschaft vor allem um diese drei Varianten sorgt, heißt noch lange nicht, dass es dabei bleiben wird, eher im Gegenteil. Es ist zu erwarten, dass sehr viel mehr Varianten mit unangenehmen Eigenschaften auftauchen werden. Jüngstes Beispiel: eine Mutante in Kalifornien namens B.1.426, über die unter anderem die "LA Times" am Wochenende berichtete. Diese Mutante, die wissenschaftlich bereits beschrieben ist, trägt fünf Mutationen in ihrem genetischen Code. Eine davon, bekannt als L452R, verändert das Spike-Protein des Virus.

Forscher am Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles fanden heraus, dass der Stamm, obwohl er Anfang Oktober kaum nachweisbar war, in den letzten Wochen des Jahres 2020 24 Prozent der rund 4.500 in ganz Kalifornien gesammelten Virusproben ausmachte und vermutlich bereits wesentlich zum starken Anstieg der Infektionsfälle in Kalifornien beitrug. (Klaus Taschwer, 26.1.2021)

Anm. der Red.: Der Artikel wurde um 14:30 um die kalifornische Mutante B.1.426 ergänzt.