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Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte wird dem Ministerrat zufolge am Dienstag seinen Rücktritt einreichen.

Foto: REUTERS/Yara Nardi/File Photo

Rom – Die Minderheitsregierung von Giuseppe Conte hat genau eine Woche gehalten: Am vergangenen Dienstag hatte der italienische Premier noch die Vertrauensabstimmung im Senat mit einfacher Mehrheit gewonnen, aber die absolute Mehrheit um fünf Stimmen verfehlt. In der Folge versuchte er seine Wackelkoalition durch Überläufer aus anderen Parteien zu verstärken. Montagabend strich er die Segel: Der Premier hatte in den Tagen zuvor lauter Absagen erhalten. Conte kündigte am Montag bereits an, seinen Rücktritt bei Staatspräsident Sergio Mattarella einzureichen. Am Mittwoch hätte die Regierung im Senat bei der Abstimmung über eine Justizvorlage Schiffbruch erleiden können – das wollten sich Conte und insbesondere seine Regierungspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten, ersparen.

Hintertürchen offen

Richtig aufgegeben hat Conte freilich noch nicht: Er hofft, dass sein formeller Rücktritt alte und neue Koalitionspartner dazu bringen könnte, zur Bildung einer neuen Regierung unter seiner Führung Hand zu bieten. In diesem Fall könnte er darauf hoffen, von Mattarella umgehend wieder mit einem Auftrag zur Bildung einer neuen Regierung betraut zu werden. Insbesondere Ex-Premier Matteo Renzi, der mit dem Abzug seiner beiden Ministerinnen aus dem Kabinett die Regierungskrise ausgelöst hatte, hat in den letzten Tagen immer wieder zu verstehen gegeben, dass er nach Contes Rücktritt durchaus gesprächsbereit wäre.

Die beiden wichtigsten Koalitionspartner, die Fünf-Sterne-Bewegung und die Sozialdemokraten, haben ohnehin stets betont, dass an Conte kein Weg vorbeiführe. Gut möglich wäre auch, dass sich einzelne Christdemokraten und Mitglieder der Berlusconi-Partei Forza Italia zu einer neuen Fraktion zusammenschließen und der Regierung beitreten. Sie könnten im Gegenzug bei der Bildung einer neuen Regierung mit Ministerposten und anderen wichtigen Ämtern rechnen. Sollte Conte die Krise überleben, würde in einigen Tagen bereits seine dritte Regierung seit 2018 vereidigt: Erst regierte der parteilose Jurist mit der rechtsradikalen Lega von Matteo Salvini, dann mit den Linken – und nun vielleicht bald mit einem um die Christdemokraten verstärkten Kabinett.

Keine Garantien

Dem Vernehmen nach soll Conte von seinen Koalitionspartnern Garantien verlangt haben, dass sie ihn unbeschadet durch die von ihm erhoffte "pilotierte Krise" führen würden. Doch Garantien vermag in der verfahrenen politischen Situation in Rom derzeit niemand zu geben. Und was die Treueschwüre der Fünf Sterne und der Sozialdemokraten wert sind, wenn Conte erst einmal sein Rücktrittsschreiben übergeben hat, wird sich weisen müssen. Ab Dienstag wird aber ohnehin wieder Staatspräsident Sergio Mattarella Regie führen: Er wird bei den Parteien sondieren, ob sich eine neue, stabile Regierungsmehrheit wird zimmern lässt – unter welchem Premier auch immer. Dann wird er entscheiden, ob die Legislatur fortgeführt werden kann oder ob er das Parlament auflösen und vorzeitige Neuwahlen ausschreiben muss.

Contes größte Chance ist die Uneinigkeit der Opposition: Lega-Chef Salvini und die Führerin der rechtsnationalen Fratelli d'Italia, Giorgia Meloni, fordern seit langem Neuwahlen und schließen eine Unterstützung einer dritten Conte-Regierung aus. Der mehrfache Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi wiederum hat wenig Interesse an Neuwahlen und hat sich am Montag offen für die Bildung einer "Regierung der nationalen Rettung" gezeigt. Der Cavaliere hat immer unterstrichen, dass sich das Land mitten in der Pandemie und in der größten wirtschaftlichen und sozialen Krise seit Jahrzehnten eigentlich keine Regierungskrise leisten könne. (Dominik Straub aus Rom, red, 25.1.2021)