Speziell am frühen Abend und Morgen sind Himmelsaufnahmen unweigerlich mit Satellitenspuren übersät. Bei langer Belichtungszeit zeigen sie sich als Striche.
Foto: Andreas Hänel

Am Himmel zeichnet sich derzeit ein Wandel ab, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hat. Während immer mehr Sterne hinter dem Schleier der Lichtverschmutzung verschwinden, nimmt die Zahl künstlicher Leuchtpunkte zu, ob Satelliten oder Weltraummüll. Vor kurzem erst veröffentlichten deutsche Astronomen eine Stellungnahme, die bislang kaum Wellen schlug, obwohl sie das historische Ausmaß dieses Wandels drastisch auf den Punkt bringt: Nach Umsetzung aller derzeit konzipierten Satellitenstarts werden mit bloßem Auge mehr falsche Sterne am Nachthimmel zu sehen sein als echte.

Zwei Fronten der Lichtverschmutzung

In der Regel sind mit Lichtverschmutzung die Emissionen künstlicher Lichtquellen am Boden gemeint, die das himmlische Geschehen buchstäblich ausblenden. In urbanen Gebieten verdichten sie sich zu sogenannten Lichtkuppeln, die altehrwürdigen Sternwarten die Arbeitsgrundlage entzogen und Astronomen zur Stadtflucht gezwungen haben: Je weiter weg, desto besser, denn diese urbanen Gebiete strahlen aus. 2018 legten die Astronominnen Constance Walker und Margarita Metaxa den ernüchternden Befund vor, dass ein Drittel der Menschheit die Milchstraße nicht mehr sehen kann. Ihnen bietet der Nachthimmel neben dem Mond nur noch ein paar verstreute Einzelsterne.

Wie zum Hohn füllt sich das Firmament dafür mit falschen Sternen. Dies ist die immer erbitterter umkämpfte zweite Front der Lichtverschmutzung und jener Aspekt, auf den die Verbände der deutschen Fach- und Amateurastronomen zusammen mit der Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien nun hinwiesen. Künstliche Objekte im Erdorbit reflektieren Sonnenstrahlen, übersäen Himmelskarten mit irritierenden Leuchtquellen und ziehen auf länger belichteten Aufnahmen Strichspuren quer über den Himmel. Die astronomische Arbeit wird dadurch deutlich erschwert.

Mehr Satelliten als sichtbare Sterne

Der aktuell größte Stein des Anstoßes trägt den Namen Starlink und steht für Elon Musks ehrgeizigen Plan, den Orbit mit zehntausenden Kleinsatelliten zu füllen, die weltweiten Internetzugang ermöglichen sollen. Die ersten Prototypen erwiesen sich nach ihrem Start aber als unerwartet auffällige Erscheinungen. Nach einer Welle der Kritik experimentierte das Unternehmen Space X mit verschiedenen Konstruktionsänderungen zur Abdunkelung der Satelliten, etwa dem Einbau von Sonnenvisieren.

Astronomen bleiben jedoch skeptisch, was die Wirksamkeit solcher Maßnahmen betrifft. Und verweisen dabei auf die schiere Größe der geplanten Starlink-Flotte: das Fünffache der Gesamtzahl aller heute schon im Orbit befindlichen Satelliten. Und es wäre nur der Output eines einzigen Unternehmens – andere wie Amazon oder Oneweb stehen mit ähnlichen Konzepten bereits in der Schlange.

Trügerisches Blinken

Dabei sind aktive Satelliten nur eine der unerwünschten Lichtquellen. 2020 dokumentierte ein Team um Hank Corbett von der University of North Carolina mithilfe von Roboterteleskopen sechs Monate lang, wie oft es zu sogenannten orbitalen Flashes kommt – Blitzen künstlichen Ursprungs, die nur einen Sekundenbruchteil währen. Das Ergebnis: Rund tausendmal pro Stunde blinkt am Himmel ein falscher Stern auf, weil irgendein Stück Weltraumschrott Sonnenlicht reflektiert.

Zwar ist nur eine Minderheit dieser Fake-Sterne mit bloßem Auge sichtbar. Doch je genauer ein Teleskop ist, desto kleiner kann ein solcher Störfaktor sein, um Fehlalarm auszulösen, weil ein vermeintliches kosmisches Phänomen registriert wurde. Die empfindlichsten Anlagen reagieren selbst auf herumschwebende Muttern und Bolzen oder von der Außenseite eines Raumfahrzeugs abgeplatzte Farbe.

Ende einer Ära?

Projekte wie das von Corbett oder ein neues im Schwarzwald geplantes Observatorium sollen es ermöglichen, Weltraumschrott zu identifizieren, damit Astronomen künstliche Lichtquellen aus ihren Himmelskarten herausrechnen können. Denjenigen, die den Sternenhimmel einfach nur genießen wollen, wie es Menschen seit jeher getan haben, ist damit allerdings nicht geholfen. Weil er die Menschheit seit Jahrtausenden fasziniert und inspiriert hat, stuft ihn die Astronomische Gesellschaft Deutschlands als Kulturgut ein – und warnt davor, dass dieses drauf und dran ist, für immer verloren zu gehen. (jdo, 5.2.2021)