Michael Gerstmair entwickelt nicht nur neue Radartechnologien. Er möchte auch Schüler für sein Forschungsgebiet begeistern.

Foto: Infineon Austria

Autos, die über entsprechende Assistenzsysteme verfügen, "wissen" heute, wie groß der Abstand zum nächsten Fahrzeug ist, ob es sicher ist, die Spur zu wechseln, oder ob man in der schmalen Parklücke noch Platz findet.

Langfristig ist es das Ziel, nebst nötiger Rechenleistung genug Radar-, Lidar-, Ultraschall- und Kamerasensoren zu verbauen, um ein vollständig autonomes Fahren möglich zu machen. Die Assistenzsysteme jeder neuen Autogeneration nähern sich diesem Ziel einen Schritt mehr an – mit Sensoren und Algorithmen, die jeweils ein Stück leistungsfähiger sind als ihre Vorgänger.

Radarsensoren sind beispielsweise längst Standard im Auto. Sie helfen bei Abstandswarnungen, automatischen Notbremsungen und Spurwechseln. Die verbauten Radarchips schicken dabei ein speziell moduliertes elektromagnetisches Signal – ähnlich einem Radio- oder Funksignal, nur in höheren Frequenzbereichen – aus und messen die zurückkommenden Reflexionen.

Aus der Laufzeit des Signals kann die Entfernung zu einem Objekt gemessen werden. Die Analyse der Dopplerverschiebung lässt auf dessen Geschwindigkeit rückschließen. Dank mehrerer verbauter Antennen im Chip, an denen das Signal knapp hintereinander eintrifft, kann auch der Winkel, also die genaue Richtung zum Objekt, abgeleitet werden.

Bildgebende Radarsysteme

Ein nächster Schritt in diesem Bereich sind sogenannte bildgebende Radarsysteme. Mit ihnen wird die Auflösung – und damit die Genauigkeit – der Radarmessung wesentlich besser werden. Der Clou dabei: Man schaltet eine ganze Reihe von Radarchips zusammen, um damit die Zahl der vorhandenen Antennen, die die Reflexionen aufnehmen, zu vervielfachen – und so eine Datenbasis für umfassendere Auswertungen bereitzustellen.

Michael Gerstmair, der auf diese Art die zukünftige Sensorgeneration erklärt, hat sich auf Radarsysteme spezialisiert – sowohl in seiner Doktorarbeit, die er gerade am Institut für Signalverarbeitung an der Johannes-Kepler-Universität Linz schreibt, als auch in seinem Job als Radar System Ingenieur beim Chiphersteller Infineon Technologies in Linz. Er ist sowohl an der Weiterentwicklung bestimmter Aspekte der Technologie beteiligt, möchte aber auch Schüler und Studierende für die Technologie begeistern.

Phasenrauschen

In seiner Dissertation widmet sich Gerstmair einem speziellen Phänomen in Radarsystemen: dem Phasenrauschen. "In den bildgebenden Radarsystemen ist einer der zusammengeschalteten Chips dafür zuständig, ein Sendesignal zu erzeugen, das dann auf die weiteren verteilt wird", erklärt er. "Diese senden es aus und nehmen die eintreffenden Signale wieder auf. Auf diese Art lässt sich die Position eines Objekts im Raum sehr viel genauer ermitteln."

Es wird eine Punktewolke errechnet, die umliegende Objekte genau verortet. Im Gegensatz zu Technologien wie Stereokameras funktioniert das auch bei Nebel, Gegenlicht oder anderen optischen Einschränkungen.

Jedes Sendesignal bringt aber auch ein gewisses Grundrauschen mit, das die Leistungsfähigkeit reduziert, führt der Entwickler weiter aus. "Je weiter das gemessene Signal diesen ,noise floor‘ überragt, desto genauer und reichweitenstärker wird das System."

Garantierte Genauigkeit

Wenn man nun ein System hat, das dieses Phasenrauschen in den Chips überwacht, kann ein eventueller Leistungsabfall während des Betriebs entdeckt werden. "Hersteller können auf diese Art also mehr Genauigkeit und Reichweite garantieren, weil sie in den Spezifikationen nicht mehr vom schlechtesten Fall ausgehen müssen", resümiert Gerstmair – der genau so ein Kontrollsystem für das Phasenrauschen entwickelt hat.

Im Labor würde man das Phasenrauschen messen, indem man es mit einem Referenzsignal eines Messgeräts vergleicht – was im Fahrzeug natürlich nicht möglich ist. Es gibt Ansätze, das Signal mit einer verzögerten Version von sich selbst zu vergleichen – wofür es aber einer Hardwarelösung bedarf, die das Vergleichssignal etwa durch eine längere Leitung schickt.

Lego-Züge

Gerstmairs Lösung geht aber einen anderen Weg. Sie nutzt den Umstand, dass eine ganze Reihe von Chips vorhanden ist, die auch über eigene Signalquellen verfügen – auch wenn diese gewöhnlich nicht benutzt werden. "Die Idee ist, beim Systemstart die Signale aller Chips zu vergleichen", erklärt der Forscher.

"Durch ein mathematisches Verfahren wird die sogenannte spektrale Leistungsdichte von jeweils zwei Signalen verglichen. Auf diese Art probiert man alle Chipkombinationen durch. Hat der Chip, der das Sendesignal erzeugt, eine fehlerhafte Signalquelle, wird dies also zwangsläufig entdeckt." Das Gute daran: Es bedarf keiner weiteren Hardwarekomponente. Das Prüfsystem läuft als Algorithmus auf dem Mikrocontroller, der die Signalauswertung des Radarsystems organisiert.

Neben der Arbeit an neuen Radarkomponenten für die Autos der Zukunft baut Gerstmair aber auch an jenen für die Lego-Züge der Gegenwart – meist in Workshops gemeinsam mit HTL-Schülern. Die Frage, wie man in einer Hands-on-Experience die Konzepte der Technologie jungen Menschen vermitteln kann, wurde zu einem weiteren Thema seiner Doktorarbeit. Zuletzt konnte er den Ansatz auch auf einer Konferenz zum Thema Signalverarbeitung präsentieren.

Wenn die Lok stoppt

Die Lego-Züge bekommen dabei Radarchips verpasst, die bei Infineon eigentlich für Smartphones entwickelt wurden. Die Steuerung übernimmt ein Raspberry-Pi-Minicomputer, die Energie kommt vom Akkupack, das in einem Waggon mitfährt. Die Schüler lernen mit diesem Aufbau schrittweise, den Zug zum Fahren zu bringen, das Radarsignal einzubinden und bei Hindernissen auf den Schienen die Lok automatisch stoppen zu lassen.

In Projekten mit FHs wird es schon anspruchsvoller: Hier werden ferngesteuerte Autos nicht nur mit Radar-, Lidar- und Ultraschallsensoren ausgestattet, sondern die Daten – soweit es die kostengünstige Computertechnik zulässt – sogar mithilfe künstlicher Intelligenz ausgewertet, um die Fahrzeuge ihre Umgebung erkennen zu lassen. (Alois Pumhösel, 2.2.2021)