Der charakteristisch geschwungene Pfeil weist dem Paketboten den Weg zum Empfänger: Endlich lässt sich wieder Kaffee rösten und endlos Zappa hören.

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Der dreieinhalbte Lockdown, den wir häuslich miteinander verleben, genießt unter uns Betroffenen keinen besonders guten Ruf. Durchaus zu Unrecht, bildet er doch die natürliche Fortsetzung des Weihnachtsfestes. Wenn auch der holde Knabe im lockigen Haar längst kein Säugling mehr ist, sondern als mittlerweile Zwölfjähriger im Tempel des Herren wohl inzwischen seine erste Pressekonferenz abhält ("Bin hier in dem, was meines Vaters ist…").

Die Verlängerung von Weihnachten ist hingegen nicht spiritueller, sondern materieller Natur. Kein Tag, an dem in unserer schmalen Gasse nicht ein verbeulter Lieferwagen anhält, um ein etwa ziegelgroßes Paket – echt nur mit dem geschwungenen Pfeil unter dem Firmennamen – an uns Pandemie-Nerds loszuwerden.

Was erreicht uns Hinterwäldler nicht alles aus dem Versandhaus: Röstmaschinen; Zwiebelschäler; ein Karton mit Frank Zappas Gitarrengedudel im "Roxy" (sieben Silberlinge im Schuber). Und doch haben sich die Kaufgepflogenheiten gegenüber der Reformära Kreisky ihrem Wesen nach kaum verändert. Als kleiner Babyboomer folgte ich meiner Mutter jede Woche brav aufs Postamt, wo ein Paket des "Quelle"-Versands auf uns Kleinfamilie wartete.

Müffelnde Kontore

Nie werde ich die Atmosphäre in diesen nach Karton und Stempelfarbe müffelnden Kontoren vergessen. Die Stempel knallten wie Proletarierfäuste auf den Tisch. Alle Kugelschreiber waren dermaßen kostbar, dass sie an Kugelschnüren hingen, um nicht in den Taschen zerstreuter Postwertzeichen-Lecker zu verschwinden. Die weite Welt des Konsums fand Eingang in bescheidene Wohnungen. Versandhäuser lieferten frei Haus, das heißt: frei Postamt.

Auch ich hatte in den bunten Katalogen meine exotischen Favoriten. Den Vogel schossen Trinkgläser ab, deren Glaswände von spärlich bekleideten Schönen geziert wurden. Füllte man die Gläser bis an den Rand, fielen die Textilien, wie von Zauberhand gezupft, von den erhitzten Damen ab. Wenigstens stand besagter Vorgang so in der Anleitung sorgfältig beschrieben. Doch meine Eltern hinderten mich kategorisch an der Überprüfung ihres Wahrheitsgehalts. (Ronald Pohl, 27.1.2021)