Viele Väter werden arbeitslos, wenn das Lkw-Werk in Steyr geschlossen wird.

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München/Steyr – Der Betriebsrat von MAN in Steyr hat sich gegen den Konzernbetriebsrat in Deutschland offenbar nicht durchgesetzt: Die Nutzfahrzeugsparte des Volkswagen-Konzerns dürfte das Aus für das Werk in Steyr besiegeln. Im Gegenzug fällt der ursprünglich mit acht- bis neuntausend Stellen geplante Kahlschlag in deutschen Werken geringer aus als geplant. Das Werk in Steyr mit 2.200 Mitarbeitern, in dem mit staatlicher Forschungsförderung an der Entwicklung eines Elektro-Lkws gearbeitet wurde, stehe zur Disposition, hieß es am Dienstag seitens MAN. "Hier prüft der Vorstand alle Optionen, inklusive eines Verkaufs oder einer Schließung."

Am Donnerstag wird weiter verhandelt

Aufgeben will der Betriebsratsvorsitzende, Erich Schwarz, noch nicht. Es werde weiter verhandelt. Am Donnerstag ist eine Runde mit Konzernführung, IG Metall und den Österreichern samt Gewerkschaft Proge geplant.

Anhängig ist laut STANDARD-Informationen auch noch die Klage gegen die wirtschaftliche Führung des Lkw-Herstellers. Am 3. Februar findet die zweite Anhörung vor der Schlichtungsstelle des Wirtschaftsministeriums statt. MAN in Steyr sei immer profitabel gewesen.

Standortsicherungsvertrag bis 2030

Und da ist noch der vor gut einem Jahr unterschriebene Standortsicherungsvertrag, der den Bestand des Lkw-Werks in Steyr bis 31. Dezember 2030 sichern sollte. Er kann den "worst case", eine Schließung, zwar nicht verhindern, aber es könnte teuer werden für MAN. Denn jeder einzelne Dienstnehmer könnte im Fall einer Kündigung klagen. Das werde man auch tun, gibt man sich in der Belegschaftsvertretung kämpferisch.

Als Niederlage sieht Arbeitnehmervertreter Schwarz das Agreement des Konzernbetriebsrats trotz schlechter Vorzeichen für Steyr nicht. Es würden deutlich weniger Stellen gestrichen, es soll Sozialpläne und einvernehmliche Trennungen geben statt betriebsbedingter Kündigungen, und die Auslagerung der Logistik sei auch vom Tisch.

Abkehr vom Kahlschlag

Das MAN-Werk in Steyr müsse weiter erhalten bleiben, betonte die Produktionsgewerkschaft (Proge). Auch für Österreich müsse es "eine Abkehr von der angekündigten Kahlschlagstrategie" des Lkw- und Busherstellers geben. Der Erhalt der deutschen Standorte müsse auch für Steyr möglich sein. "Alles andere wäre verantwortungslos und schäbig", polterte Proge-Chef Rainer Wimmer.

Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) kündigte für 3. Februar eine Sitzung in Linz über die Zukunft des Betriebes an. "Einsparungen Ja, Erhalt des Standorts Ja, betriebsbedingte Kündigungen Nein. Der Standort Steyr kann und soll bei der angestrebten Neuausrichtung des Konzerns in Richtung Zukunftstechnologien eine wichtige Rolle spielen", betonte der Landesrat. In Steyr "wurden immer Gewinne geschrieben".

3.500 statt 9.500

Laut der Vereinbarung zwischen MAN und dem Konzernbetriebsrat sollen in Deutschland bis Ende des kommenden Jahres 3.500 Jobs gestrichen werden, der Abbau solle so sozialverträglich wie möglich erfolgen, wird betont. Traton-Chef Matthias Gründler und MAN-Chef Andreas Trostmann hatten ursprünglich 9.500 der weltweit 36.000 Arbeitsplätze streichen wollen, vor allem in Deutschland und Österreich. In Steyr hatte man sich gegen die Schließungspläne zwar massiv gewehrt und auf die Profitabilität des Standorts verwiesen. Die politische Unterstützung, wie sie insbesondere Wirtschaftsministerin Margarethe Schramböck signalisiert hatte, zeitigte bis dato allerdings wenig Erfolg.

Federn lassen muss auch der MAN-Standort Wittlich in Rheinland-Pfalz, er bleibt allerdings zumindest erhalten. Als wenig vielversprechend gilt auch die Zukunft des Produktionsstandorts in Plauen, Sachsen, mit 150 Mitarbeitern. Auch dort gibt es unter dem Dach von Volkswagen keine Zukunft.

Ursprünglich hatte MAN angekündigt, etwa 5.600 Stellen im Lkw-Werk München, im Dieselmotorenwerk Nürnberg und im Komponentenwerk Salzgitter abbauen zu wollen. Auch die Produktion in Dachau wäre nach dem Willen der Konzernführung unter die Räder gekommen. Davon soll nun Abstand genommen werden, heißt es in Belegschaftskreisen.

Fokus Neuaufstellung

Unter dem Druck der EU-Klimavorgaben soll MAN völlig neu ausgerichtet und zu einem "führenden Nutzfahrzeughersteller im Bereich Elektro- und Wasserstoffantriebe" umgebaut werden. Das nun vereinbarte Eckpunktepapier sieht "eine Neuaufstellung des Entwicklungs- und Produktionsnetzwerks mit einem starkem Fokus auf Zukunftstechnologien" vor.

Die Vereinbarung dient als Grundlage für Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen, die in diesem Jahr abgeschlossen werden sollen. Der Stellenabbau soll sozialverträglich erfolgen. MAN schwächelt schon seit Jahren. Die EU-Klimavorgabe, den Kohlendioxidauszustoß bei Lastwagen bis 2025 um 15 Prozent und bis 2030 um mindestens 30 Prozent zu reduzieren, erhöht den Druck. Dazu kommt zurzeit die Corona-Krise.

Der Betriebsrat hatte die ursprünglichen Pläne zum Stellenabbau als "Kahlschlag" bezeichnet und war im November vor Gericht gegangen. Der Vorstand hatte sie als notwendige Restrukturierung bezeichnet, um mit dem eingesparten Geld in alternative Antriebe und Digitalisierung investieren zu können. (ung, dpa, Reuters, 26.1.2021)