Thomas Bernhard und sein Verleger Siegfried Unseld (re.), gezeichnet von Nicolas Mahler,

Foto: Nicolas Mahler

Die Idee ist nicht neu, den Übertreibungskünstler Thomas Bernhard und den Reduktionsartisten Nicolas Mahler zusammenzubringen: Schon 2011 hat der Wiener Zeichner für seine bei Suhrkamp erscheinende Reihe von Weltliteratur in Comicform Alte Meister des 1989 verstorbenen Autors gezeichnet, später folgte Der Weltverbesserer. Die Satzwürste der Originale wurden von Mahler jeweils aufs Wesentliche ausgedünnt und mit knappen, aber so überlegten wie gewitzten Strichen bebildert. Nun hat er sich den Autor selbst vorgeknöpft.

Thomas Bernhard. Die unkorrekte Biografie heißen die schnell gelesenen 119 Seiten. Unkorrekt deshalb, weil Mahler sich Scherze leistet, wie den "Schreibkerker" in Ohlsdorf wörtlich zu nehmen. Oder jenen, dass Bernhards Nachgeburt die Form Österreichs hatte. Als schwarzer Fleck liegt sie in der ersten von 99 Szenen am Boden zwischen Baby und Mutter. Mahlers Witz ist direkt.

Gemäßigt unkorrekt

Doch die Unkorrektheiten halten sich in Grenzen, und Mahler beichtet seine Flunkereien im Anhang Seite für Seite. Das nimmt dem Buch also nichts von seinem Erkenntnispotenzial für Unkundige. Insbesondere, als Mahler genauso gewissenhaft Quellen aufzählt, auf die er sich für seine Lebenserzählung stützt.

Die Seiten folgen alle einem Prinzip: Mahler entwirft eine Situation im Leben Bernhards, drunter illustriert er sie und staffiert sie mit passenden Zitaten aus dessen Büchern, Briefen, Reden aus. Oder mit Äußerungen von Wegbegleitern wie dem Freund Karl Ignaz Hennetmair oder dem Verleger Siegfried Unseld.

Der Schulbesuch war für Thomas Bernhard kein Vergnügen.
Foto: Nicolas Mahler

Schmollend sitzt Bernhard in seinem hohen Lehnsessel, als Unseld auf einem Schemel vor ihm hockend versucht zu erklären, warum sein Romanzweitling Verstörung sich schlecht verkauft. Das trifft das Verhältnis gut, das damit enden wird, dass Unseld seinem Schützling im letzten Telegramm mitteilt: "fuer mich ist eine schmerzensgrenze nicht nur erreicht, sie ist ueberschritten ... ich kann nicht mehr".

Originelle Bilder

Ob der traumatisierende Schuleintritt (durch eine Guillotine in der Tür), dass Bernhard sich gerne bei Paaren von landadeligem Stand einnistete (in einem Vogelnest) oder für den Streit um Holzfällen (Forstverbotstafel) – Mahler findet viele originelle Bilder. Mit seinem Lebensmenschen Hedwig Stavianicek sitzt der Autor in Lederhose vor dem Vierkanter und überreicht der alten Dame ein hängendes Blümchen.

Es finden sich die großen Bögen sowie Klatschgeschichten. Mit Lakonie, Ironie und Mitgefühl ist das Buch ein große Lust machendes Einstiegstor in den Kosmos Bernhard. (Michael Wurmitzer, 27.1.2021)