Eine Delegation des Repräsentantenhauses schritt am Montag durch das Kapitol Richtung Senat, um dort offiziell die Impeachment-Anklage einzubringen. Republikanische Senatoren müssen nun Farbe bekennen.

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Der Senator mit der hoch erhobenen Faust: Es ist eines der Bilder, die nach der Erstürmung des Kapitols im Gedächtnis bleiben. Statt die Wogen zu glätten, heizte Josh Hawley die Stimmung noch zusätzlich an. Auf dem weitläufigen Platz zwischen Kapitol und dem Obersten Gericht hatten sich an jenem Vormittag des 6. Jänner schon hunderte Trump-Anhänger versammelt, zornig, aber noch nicht im Angriffsmodus. Noch standen ihnen niedrige Metallzäune, bewacht von einer überschaubaren Zahl von Polizisten, im Weg. Noch hatte das Parlament nicht zu tagen begonnen, da wandte sich Hawley der Menge zu, ballte die Linke zur Faust und ließ sich feiern.

Die Geste hatte er sich von Donald Trump abgeschaut, der sich auf Kundgebungen gern in der Rolle des Arbeiterführers inszenierte. Hawley, Sohn eines Bankers, hat an einer katholischen Privatschule gelernt und in Stanford und Yale studiert. Seit zwei Jahren sitzt er im US-Senat, und obwohl er mit seiner Biografie der Inbegriff eines Privilegierten ist, gibt er den Anti-Elitären, der dem Establishment im Namen des Volkes den Kampf ansagt.

Mit Ted Cruz, seinem Senatskollegen aus Texas, wetteifert der 41-Jährige darum, die Führung jenes republikanischen Parteiflügels zu übernehmen, der sich vom Populismus eher Erfolg verspricht als von der Rückkehr zu traditionell konservativen Positionen. Sie waren Wortführer jener Fraktion, die anzweifelte, dass Joe Biden die Wahl in Swing States wie Arizona, Georgia und Pennsylvania gewonnen hatte.

Wieder in der Offensive

Danach hatte sich der Senator aus Missouri in der Defensive wiedergefunden. Demokratische Abgeordnete beantragten Ermittlungen, um zu klären, welche Rolle er beim Sturm auf das Kapitol spielte. Der Verlag Simon & Schuster trat von einem Buchvertrag zurück. Nun hat sich Hawley zurückgemeldet, mit einem Meinungsbeitrag in der schrillen "New York Post" – in der Opferrolle. Eine Allianz zwischen der Linken und politisch motivierten Kapitalisten, wettert er, wolle nicht nur ihn zum Schweigen bringen, sondern auch die Gedankenwelt eines jeden Amerikaners kontrollieren.

Dass Hawley sich wieder traut, in die Offensive zu gehen, zeigt zumindest eines: Der Richtungsstreit bei den Republikanern hat gerade erst begonnen. Für kurze Zeit hatte es den Anschein, als setzten sich die Parteigranden durch, nur noch darauf bedacht, die Bande zu Trump zu kappen. Die Annahme, es werde einsam um den Abgewählten, hat sich mittlerweile jedoch als Trugschluss erwiesen.

Völlig offen ist, wie der Impeachment-Prozess ausgeht, der am 9. Februar im Senat beginnt. Sicher ist, dass das Verfahren die Republikaner vor eine Zerreißprobe stellt.

Lohn der Trump-Arbeit

Liz Cheney, die prominenteste der zehn Konservativen, die im Abgeordnetenhaus für ein Impeachment stimmten, muss damit rechnen, von einer Parteibasis bestraft zu werden, die zu großen Teilen noch immer loyal zu Trump steht. Bei den nächsten parteiinternen Vorwahlen in ihrem Heimatstaat Wyoming muss sie sich auf einen Gegenkandidaten einstellen und auf eine mögliche Niederlage, was fast zwangsläufig bedeuten würde, dass sie ihren Sitz im Kongress verliert. Schon jetzt melden Trumpisten Ansprüche an, um sie als Nummer drei der Parteihierarchie im Repräsentantenhaus abzulösen.

In Arizona haben die Republikaner sowohl Cindy McCain, der Witwe John McCains, als auch dem Ex-Senator Jeff Flake eine Rüge erteilt: McCain hatte im Herbst Joe Biden zur Wahl empfohlen, Flake gehörte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Parlament zu den wenigen in seiner Fraktion, die es wagten, Donald Trump im Zenit seiner Macht zu widersprechen.

In Arkansas gab Sarah Huckabee Sanders, einst Sprecherin des Präsidenten, ihre Bewerbung für den Gouverneursposten bekannt, den schon ihr Vater Mike Huckabee innehatte. In einem Video rühmte sie sich, aus dem Weißen Haus heraus den Medien und der "radikalen Linken" Paroli geboten zu haben – wofür Trump sie nur Stunden später als "Kriegerin" pries.

Drohende Spaltung

Wenn nicht alles täuscht, läuft also alles auf eine veritable Machtprobe während der Impeachment-Verhandlung zu. Einerseits haben Altgediente wie Mitch McConnell, die republikanische Nummer eins im Senat, angedeutet, dass sie sich einen Schuldspruch durchaus vorstellen können. Andererseits wächst die Zahl derer, die schon jetzt betonen, dass Letzteres für sie nicht infrage kommt. Ein Präsident, der nicht mehr im Amt sei, könne auch nicht seines Amtes enthoben werden, dies lasse die Verfassung nicht zu, sagt Tom Cotton, ein aufstrebender Senator aus Arkansas.

Marco Rubio, 2024 womöglich wie schon 2016 Kandidat fürs Oval Office, spricht von einem kontraproduktiven, "dummen" Verfahren, das die Spaltung im Land nur noch vertiefe. Am Dienstagnachmittag (Ortszeit) plädierten 45 der 50 republikanischen Senatoren dafür, den Prozess gar nicht erst zu führen. Es lässt nicht darauf schließen, dass sich eine Zweidrittelmehrheit finden wird, die Trump für schuldig befindet.

Rund drei Wochen nach dem Sturm auf das Kapitol, den Trump den Demokraten zufolge mitangezettelt hat, haben die Sicherheitsbehörden mehr als 400 Verdächtige identifiziert. Das sagte der stellvertretende Chef des FBI-Büros in Washington, Steven D'Antuono, am Dienstag. Mehr als 130 Personen seien bereits festgenommen worden. Die Sicherheitsbehörden hätten auf digitalem Weg mehr als 200.000 Hinweise aus der Bevölkerung bekommen. Manche hätten Freunde oder Familienmitglieder unter den Randalierern identifiziert. (Frank Herrmann aus Washington, 26.1.2021)