Pamela Rendi-Wagner positioniert sich in der Krise konstruktiv – während die SPÖ Burgenland der Regierung den Rücktritt nahelegt.

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Die Erwartungen der Opposition und mancher Länder haben Montagabend einen Dämpfer verpasst bekommen. Die Regierung hatte die Landeschefs und Parlamentsparteien kürzlich eingeladen, aktiver am Pandemiemanagement mitzuwirken – und die waren grundsätzlich angetan. Vor eineinhalb Wochen fand eine gemeinsame Pressekonferenz der türkis-grünen Bundesspitze mit Wiens rotem Bürgermeister Michael Ludwig statt. Es wird jetzt mehr telefoniert, weniger über die Medien ausgerichtet, man hört einander zu.

Montagabend folgte ein Konferenzmarathon via Video – zuerst sprachen Kanzler, Vizekanzler und Gesundheitsminister mit Experten, dann mit den Landeshauptleuten, schließlich mit der Opposition. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger sagt nun: "Echte Einbindung in die Entscheidungsfindung, wie von mir gefordert, war das nicht."

Was ist dort also passiert? Was war der Hintergrund des Treffens? Und ist der politische Burgfrieden inmitten der Krise schon wieder Geschichte?

Der Termin mit der Opposition begann um 20.30 Uhr und dauerte gut eine Stunde. Zuerst waren die Experten am Wort, die in wenigen Minuten die aktuelle Situation umrissen. Zusammengefasst: Die Infektionszahlen in Österreich würden zwar leicht sinken, aber nicht ausreichend, der dritte Lockdown zeige nicht mehr die erhoffte Wirkung.

Entscheidungen stehen aus

Danach hatten die Oppositionsführer die Möglichkeit, Fragen zu stellen, die – so erzählen es Dabeigewesene – von Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz recht oberflächlich beantwortet worden seien. Schnell sei klar gewesen: Die relevanten Entscheidungen werden erst kommende Woche fallen. Das Treffen diente mehr einer Erläuterung des Status quo. "Es war eine hochtheoretische Debatte. Konkrete Antworten gab es wenige", sagt FPÖ-Chef Norbert Hofer. Die Frage, wie es nach dem eigentlich anberaumten Ende des Lockdowns am 7. Februar weitergehen könne, sei gar nicht diskutiert worden.

Zumindest bei SPÖ, Neos und in den meisten Ländern wird Verständnis dafür aufgebracht, dass man derzeit noch keine finalen Entscheidungen treffen kann. Die Situation sei volatil, man müsse das noch beobachten. Enttäuscht sind manche dennoch – ein bloßer Informationstermin sei doch etwas wenig, hört man von mehreren Seiten. Eingebunden wurde die SPÖ in die inzwischen beschlossene neue Teststrategie – da war allerdings auch die Zustimmung der Sozialdemokraten im Bundesrat entscheidend. Wo können die außerkoalitionären Kräfte nun aber künftig eigentlich wirklich mitreden?

Ob das jüngste Treffen mit Kanzler Kurz nur ein Showtermin war, alles türkise Taktik ist und somit der Burgfrieden schon wieder brüchig wird, beantwortet der Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser gewohnt vorsichtig: "Es ist vielleicht von allem etwas dabei." Viel wichtiger sei es nun aber, die Pandemie "in großer Gemeinsamkeit" zu bewältigen. Da müssten neben den medizinischen Experten, den Virologen und Epidemiologen auch "ganz stark die Sozialwissenschafter, die Pädagogen, Soziologen, Psychologen und Verhaltensökonomen mit ihren Expertisen hereingenommen werden", verlangt Kaiser. "Wir müssen jetzt die Menschen in ihren Lebenssituationen erreichen, um sie für die Maßnahmen, die nötig sind, mitzunehmen."

Zwischen Kooperation und Kalkül

Parteipolitik dürfe derzeit keine Rolle spielen, sagt Kaiser – ganz auf Linie der Bundes-SPÖ, die sich möglichst konstruktiv positionieren will. Der Nachsatz des Kärntner Landeschefs richtet sich wohl dennoch an Kurz: "Wer in der jetzigen Situation glaubt, mit politischem Kleingeld spielen zu können, und nicht das Wohl der Menschen im Sinn hat, wird scheitern."

Noch klarere Worte findet der SPÖ-Abgeordnete Max Lercher, der seinen Genossen rät: "Hellhörig bleiben bei den Schalmeientönen, die aus der ÖVP kommen." Der Kanzler habe erkannt, dass die Stimmung in der Bevölkerung kippe, und brauche deshalb eine breite politische Allianz, auf die er sich stützen könne. "Es muss uns klar sein, dass bei Sebastian Kurz immer alles Kalkül ist", sagt Lercher, der innerhalb seiner Partei immer wieder als Quergeist aneckt.

Dennoch sagt auch Lercher: Die SPÖ sei keine Fundamentaloppositionspartei und solle deshalb all jene Entscheidungen mittragen, die sie auch als Regierungspartei verantworten könnte. "Eine rote Linie wird sich sehr deutlich bei den zu erwartenden Wirtschafts- und Sozialkrisen zeigen", ist Lercher überzeugt. "Da werden wir bedingungslos sein."

Am schärfsten geht die burgenländische SPÖ mit Türkis-Grün ins Gericht: Einige Stunden vor dem abendlichen Termin am Montag ließen die Genossen im Osten der Regierung ausrichten, sie sei aufgrund des "Impfstoffchaos" eigentlich "rücktrittsreif".

Wie es weitergeht? Manche vermuten, die Kooperation werde nicht mehr lange gutgehen. Andere glauben, punktuelle Zusammenarbeit könne künftig sehr wohl besser funktionieren. Für kommenden Montag hat die Regierungsspitze ein neuerliches Treffen mit der Opposition vereinbart – diesmal nicht per Video, sondern am Besprechungstisch des Kanzlers. "Dieser Termin wird über die zukünftige Zusammenarbeit entscheiden", sagt ein Oppositionspolitiker. (Katharina Mittelstaedt, Walter Müller, 26.1.2021)