Am Mittwochvormittag hat der Regisseur des Ibiza-Videos Julian H. erstmals sein Schweigen gebrochen: Im Interview mit dem STANDARD und in einem gemeinsamen Gespräch mit "Spiegel" und "SZ" erzählte der Wiener, der in Berlin in Haft ist, seine Sicht der Ereignisse. Einige Aussagen erregten besondere Aufmerksamkeit: So gab H. an, rund eine Woche vor dem Erscheinen des Videos einem Mitarbeiter von Bundespräsident Alexander Van der Bellen Ausschnitte davon vorgespielt zu haben.

Alexander Van der Bellen (links) und Sebastian Kurz (Mitte) sollen Gerüchte über Heinz-Christian Straches (rechts) Ibiza-Urlaub gehört haben.
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"Davon ist der Präsidentschaftskanzlei nichts bekannt", lautet deren offizielle Aussage. Auch Van der Bellens einstiger Wahlkampfmanager Lothar Lockl und der Werber Martin Radjaby dementierten, Julian H. je getroffen zu haben. Dessen Aussagen werden in den Ermittlungsakten allerdings von Anwalt M., einem weiteren Drahtzieher des Videos, untermauert. Außerdem gab Julian H. an, dass ihm der Name eines in der Öffentlichkeit nicht allzu prominenten Van-der-Bellen-Mitarbeiters genannt wurde. Bei diesem könne er eine Art "Testament" platzieren.

E-Mail für den Präsidenten

Den Eingang einer solchen E-Mail bestätigte die Präsidentschaftskanzlei: "Zutreffend ist, dass Julian H. das Schreiben mit seinem Namen kennzeichnete. Nicht zutreffend ist hingegen, dass er die Veröffentlichung des Ibiza-Videos ankündigte."

Er habe "lediglich vage Andeutungen über eine bevorstehende Veröffentlichung zum Thema Korruption gemacht sowie geäußert, dass er mit Repressalien rechne", sagte die Präsidentschaftskanzlei dem STANDARD. Die E-Mail sei "ad acta" gelegt worden; der Bundespräsident habe erst einen Tag vor der Videoveröffentlichung von "Gerüchten" über eine Aufnahme erfahren, zuvor sei er auf Staatsbesuch im russischen Sotschi gewesen.

Für die FPÖ ist der Vorgang Grund genug, eine Ladung von Van der Bellen und Lockl in den U-Ausschuss vorzunehmen. Der blaue Fraktionsführer Christian Hafenecker sprach von einer "skandalösen Enthüllung".

Dirty Campaigning

Eine "Bombe" sah sein rotes Pendant Jan Krainer hingegen in Interviewpassagen, denen zufolge Julian H. für belastende Aussagen gegen die SPÖ und Hans Peter Haselsteiner Millionenbeträge geboten wurden. Krainer kommentierte, dass die ÖVP seit Erscheinen des Ibiza-Videos versuche, dieses der SPÖ in die Schuhe zu schieben. "Genau das ist das Narrativ, an dem die ÖVP festhält", sagte Neos-Fraktionsführerin Stephanie Krisper. Ihr türkises Gegenüber Wolfgang Gerstl ortete "ÖVP-Bashing".

Die ÖVP soll angeblich schon vor Ibiza die FPÖ-Spitze vor einer drohenden Falle gewarnt haben, erzählte Julian H. dem STANDARD. Der damalige FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus sagt, er sei "nie konkret" von dieser Videofalle informiert worden. Es habe aber im Wahljahr 2017, als das Ibiza-Video aufgenommen wurde, "ein eigenartiges Klima und Gerüchte, die an Strache und mich herangetragen wurden", gegeben, sagte Gudenus.

In die Videofalle auf Ibiza sei Gudenus getappt, weil er dem Anwalt M. vertraut habe. "Abgesehen davon hatte ich bei Treffen prinzipiell keine Bedenken, da wir nie etwas Illegales besprechen wollten", beteuert Gudenus, der die Glaubwürdigkeit von Julian H. anzweifelte. (Fabian Schmid, 28.1.2021)