Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), hier bei einem Termin unmittelbar nach dem Wiener Terrorattentat, will Anti-Terrormaßnahmen verschärfen.

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Kommende Woche endet die Begutachtungsfrist für das geplante Terrorbekämpfungsgesetz (TeBG), das die Regierung nur wenige Wochen nach dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt vom 2. November auf den Weg gebracht hatte. Wie erwartet, gibt es zu den umfangreichen Änderungen, die in mehrere bestehende Gesetze eingreifen, zahlreiche Stellungnahmen. Ein Großteil davon äußert sich sehr kritisch zum TeBG-Entwurf oder lehnt bestimmte Maßnahmen ab.

Paragraf 247b

Vor allem die vorgesehene Einführung des neuen Straftatbestandes "Religiös motivierte extremistische Verbindung" (§ 247b Strafgesetzbuch) ist sehr umstritten. Amnesty International hat schwere menschenrechtliche Bedenken, weil es in der vorliegenden Fassung zu einer Vorverlagerung der Strafbarkeit kommen könne. Auch die Meinungsfreiheit sei dadurch bedroht.

Die Staatsanwaltschaft Wien weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass der geplante Paragraf 247b bereits durch andere Bestimmungen abgedeckt sei. "Die Schaffung umfangreicher Tatbestände, die sich nur um Nuancen voneinander unterscheiden und in der Praxis kaum zur Anwendung gelangen", ist aus Sicht der Wiener Anklagebehörde nicht sinnvoll.

Politischer Islam

Der Kriminologe und Rechtssoziologe Arno Pilgram meint, dass § 247b nur dazu diene, den "politischen Islam" als "gefährliche Geisteshaltung" zu markieren. Künftig könnten Mitglieder einer "religiös motivierten extremistischen Verbindung" unter Strafe gestellt werden, auch wenn gar nicht sie selbst, sondern andere Mitglieder der Organisation Straftaten begangen haben, so Pilgram.

Auch Muna Duzdar, Rechtsanwältin und frühere Staatssekretärin im Bundeskanzleramt unter dem damaligen Regierungschef Christian Kern (SPÖ), zerpflückt den Paragrafen 247b. So sei eine darin erwähnte Verbindung nur dann verpönt, wenn eine "ausschließlich" religiös begründete Staatsordnung errichtet werden soll. Das heiße im Umkehrschluss, dass alles in Ordnung sei, wenn ein Teil der weltlichen Ordnung erhalten bleibe. Aber auch abgesehen von diesem argumentativen Lapsus sei die Formulierung unbrauchbar, weil dann nämlich beinahe jedes auf religiöser Anschauung beruhendes politisches Handeln potenziell strafbar wäre – was ein klarer Verstoß gegen die Religionsfreiheit wäre, so Duzdar.

Elektronische Fußfessel

Einige praktische Einwände hat der Verein Neustart, der für Bewährungshilfe und Opferschutz zuständig ist. Im TeBG ist unter anderem auch die elektronische Überwachung von Extremisten auch nach deren bedingter Entlassung vorgesehen. Die Bewährungshelfer weisen aber drauf hin, dass bestimmte Termine wie etwa Deradikalisierungstreffen unregelmäßig und auch spontan stattfinden können. Eine E-Fußfessel wäre in diesem Zusammenhang schwer programmierbar. Auch dem Entzug des Führerscheins für Straftäter steht Neustart generell skeptisch gegenüber. Für Jobs nach der Haft sei ein Führerschein häufig notwendig. (Michael Simoner, 28.1.2021)