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In Serbien kann man den US-amerikanischen, den russischen, den chinesischen oder den europäischen Impfstoff bekommen.

Foto: REUTERS/Marko Djurica

Belgrad/Tirana – Nach Albanien wurden bisher nur zehntausend Pfizer-Impfdosen geliefert. Premier Edi Rama setzte sich trotzdem in Szene, indem er den Oberkörper freimachte und sein Brusthaar zur Schau stellte, als ihm die Spritze im Stadion von Tirana vor laufenden Kameras verabreicht wurde. Er kritisierte die EU als "moralisch inakzeptabel", weil sie bei den Impfungen nur an sich denke.

Abgesehen von den EU-Mitgliedern Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Kroatien, die den Vorteil haben, dass sie auf die Bestellungen der EU-Kommission zurückgreifen können, versuchten die südosteuropäischen Staaten über das System Covax an die Impfstoffe zu kommen.

Covax, ein Impfstoffbeschaffungsprogramm der Weltgesundheitsorganisation (WHO), soll eine faire und zeitnahe Verfügbarkeit von Covid-19-Impfstoffen gewährleisten, unabhängig von der Kaufkraft der Länder. Doch tatsächlich sind die Südosteuropäer, die sich darauf verließen, nun ins Hintertreffen geraten. Im Kosovo und in Montenegro gibt es noch nicht einmal ein Show-Impfen – vor März wird wohl nicht geliefert werden können. Dabei gab es gerade in diesen beiden Staaten viele Ansteckungen und Covid-19-Tote. Im Kosovo fehlt es zudem an ausgebildeten medizinischen Kräften, um die Impfungen überhaupt zu verabreichen. Sie werden zurzeit auch mit der Hilfe der WHO trainiert. In Bosnien-Herzegowina rechnet man Ende Februar mit einer ersten kleinen Lieferung.

Reiserestriktionen

Die Reiserestriktionen für die Westbalkan-Staaten werden wohl auch deshalb länger erhalten und Verwandtenbesuche schwierig bleiben. Dabei sollten die EU-Staaten aufgrund der engen Verbindungen – etwa der hunderttausenden Gastarbeiter – ein Interesse daran haben, dass die Ansteckungsgefahr auch in der Region schnell gedämpft wird.

Der bosnische Ministerpräsident Zoran Tegeltija kündigte nun an, dass Bosnien-Herzegowina wegen der Probleme mit Covax und der EU parallel mit den Pharmakonzernen verhandeln werde, etwa mit Russland, um an den Sputnik-V-Impfstoff zu kommen. Serbien und Nordmazedonien haben das längst getan. In Belgrad verlässt man sich vor allem auf den chinesischen Impfstoff Sinopharm, von dem bereits eine Millionen Dosen geliefert wurden. Dieser wird nun auch in Montenegro und in Nordmazedonien zur Anwendung kommen. Die Impfpolitik auf dem Balkan zeigt einmal mehr, dass der geopolitische Einfluss von Russland und China genau dann maßgeblich steigt, wenn der Westen zögerlich agiert.

Qual der Wahl

In Serbien ist die Wahl des Impfstoffs sogar zu einer Art ideologischem Bekenntnis geworden. Als Erste ließ sich die serbische Premierministerin Ana Brnabić, die in den USA studiert hat, eine Dosis von Pfizer-Biontech in den Oberarm spritzen. Der prorussische Parlamentspräsident Ivica Dačić und Innenminister Aleksandar Vulin zogen die Sputnik-V-Immunisierung vor. "Ich wollte einen russischen Impfstoff bekommen, weil ich an die russische Medizin glaube", sagte Vulin.

Auf der Regierungswebseite namens "Immunisierung" kann man bei der Impfanmeldung ankreuzen, ob man den amerikanischen, den russischen, den chinesischen oder den europäischen Impfstoff will. Aber auch das ist nur Show. Denn an den einfachen Bürger wird natürlich das verimpft, was zur Verfügung steht, also Sputnik V oder Sinopharm. (Adelheid Wölfl, 27.1.2021)