Treffen sich vor der Eheberatung immer im Pub: Rosamund Pike als Ärztin und Chris O'Dowd als arbeitsloser Musikkritiker in "State of the Union".

Foto: Confession TV Limited / Parisatag Hizadeh

Die wöchentlichen Pubbesuche zu zweit sind einem Vertrauensbruch geschuldet: Eine Affäre hat die in die Jahre gekommene Ehe der Ärztin Louise (Rosamund Pike) und des arbeitslosen Musikkritikers Tom (Chris O’Dowd) ins Schleudern gebracht. Um zu retten, was noch zu retten ist, gehen die Eltern zweier Kinder zur Eheberatung. Treffpunkt ist immer zehn Minuten vorher im Pub gegenüber, wo man sich bei einem Glas Weißwein für sie und einem Pint Bier für ihn auf die Therapiestunde einstimmt. Genug Zeit also, um noch vorab mit bissigem Witz die gegenseitigen Schwächen ins Visier zu nehmen, die Vergangenheit aufzurollen oder einfach nur die Umgebung zu beobachten.

Zehnmal zehn Minuten dauern die Folgen der vom britischen Regisseur Stephen Frears nach einem Drehbuch von Bestsellerautor Nick Hornby inszenierten Miniserie State of the Union, die ganz auf diese Aufwärmrunden im Pub fokussiert. Dank der ARD schaffen es die schon 2019 produzierten Folgen am Sonntag, um 23.35 Uhr, nun auch ins deutschsprachige Fernsehen, und zwar als eine sehr kurzweilige Form des Binge-Watching. Aneinandergereiht ergeben die zehn Kapitel eine Beziehungskomödie in Spielfilmlänge, die die feinen Nuancen beim Durchdeklinieren der Grundsituation noch deutlicher zum Vorschein bringt. Einzig die deutsche Synchronisation, die dem kongenialen Hauptdarstellerduo seine Originalstimmen raubt, nagt am Vergnügen.

Hornbys Musiknarren

Chris O’Dowd hat sich bereits einmal als Idealbesetzung einer Hornby-Verfilmung erwiesen: In Juliet, Naked (2018) überzeugte er als Musikfan, dessen Beziehung von seiner Obsession für einen obskuren Musiker stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Natürlich ist der joblose Musikkritiker Tom in State of the Union auch mit einer anderen bekannten Hornby-Figur verwandt, dem Musiksnob Rob aus dem später ebenfalls von Stephen Frears verfilmten Romanerfolg High Fidelity (1995).

In State of the Union haben Hornby und Frears die Uhr aber gewissermaßen weitergedreht. Immerhin ist Tom, trotz des unausrottbaren Kindes im Manne, doch noch in einer langjährigen Zweierbeziehung samt Kindern angekommen. Der juvenile Enthusiasmus ist einer von Sarkasmus durchsetzten Ernüchterung gewichen. Jetzt wird nicht mehr über Listen von Lieblingsmusikern gestritten, sondern – nicht weniger komisch – über eine Arithmetik des Ehebruchs.

Die von Rosamund Pike sympathisch verkörperte Ärztin Louise ist zwar alles andere als unschuldig an der Ehekrise. Aber ganz klar ist sie es, die mit beiden Beinen im Leben steht, die für den Familienverdienst wie für die Kinder sorgt. Hornby hat ähnliche Konstellationen in seinen Büchern schon oft durchgespielt, aber besonders überzeugend hier.

Die Beschränkung auf einen Ort lässt viele Schattierungen beim Ringen um die Rettung einer angeschlagene Beziehung zu. Aus den zehn Aufwärmrunden im Pub, bei denen die Ereignisse der Vorwoche immer bruchstückhaft auftauchen, ergibt sich allmählich ein Bild, in dem die mit trockenem Humor skizzierten Figuren zunehmend an Tiefe gewinnen. Hier werden keine großen Traumata zutagege fördert, sondern die kleinen Erschütterungen, die jede Zweierbeziehung begleiten. Dabei gelingt es, selbst Themen wie den Brexit realitätsnah zu servieren.

Szenen einer Ehe

Es spricht einiges dafür, dass Frauen und Männer bei State of the Union an unterschiedlichen Stellen auflachen oder Partei ergreifen – bei Szenen einer Ehe, die auf den ersten Blick so anders angelegt sind als Ingmar Bergmans vielstündiger TV-Serienklassiker. Im vielleicht schönsten Moment wird aber auch hier davon erzählt, dass es sich lohnen kann, die eigenen Ansprüche zu adaptieren, ohne es notwendigerweise billiger zu geben. (Karl Gedlicka, 29.1.2021)