Hans Peter Doskozil hat das Burgenland im Griff – aber dieses nicht immer ihn.

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Es hätte das Jahr des Hans Peter Doskozil sein sollen. Manche sagen: müssen. Vor einem Jahr, am 26. Jänner 2020, haben er und seine burgenländische SPÖ ja ein kleines Wunder gewirkt. Sie – in der Hauptsache er – haben die Landtagswahl mit 49,9 Prozent, mit absoluter Mehrheit gewonnen. Und weil die Landesverfassung von 2014 das so vorsieht, regieren die Sozialdemokraten seither alleine.

Doch dann erwies sich Doskozils Kehlkopferkrankung als hartnäckiger als erhofft; unlängst musste er sich dem schon vierten Eingriff unterziehen. Dann kam Corona und damit jede Menge anderer Sorgen. Und schließlich explodierte die Commerzialbank Mattersburg, der gleich einmal Soziallandesrat Christian Illedits zum Opfer gefallen ist. Nein: 2020 war dann doch nicht das Jahr des Hans Peter Doskozil.

Offensives Wesen

Für politische Beobachter war es gleichwohl spannend. Doskozil ist ja keiner, der mit sich hinter dem Berg hält. Sein Wesen ist offensiv. Er schont weder Gegner noch die Eigenen. Letzteres bringt ihn immer wieder in innerparteiliche Bredouillen. Aber immerhin schaffte er es so, das bis Corona bestimmende Migrationsthema – bei dem die SPÖ so gerne weder Fisch noch Fleisch wäre – für sich und die burgenländische SPÖ abzuhaken. Bei Doskozil weiß ein jeder, woran er ist. Und das war nicht zum Schaden seiner "SPÖ – Liste Doskozil".

Stattdessen forcierte er klassische Sozialthemen: 1.700 Euro netto Mindestlohn, Anstellung pflegender Angehöriger, Stärkung der öffentlichen Hand in allen Bereichen. Vor allem Letzteres ging er schließlich an, als dauerte die Legislaturperiode nicht eh fünf Jahre.

Etatist und Zentralist

Hans Peter Doskozil ist ein klassischer Etatist. Und als solcher handelt er. Ausgelagerte Tätigkeiten wie etwa der Reinigungsdienst wurden wieder in die öffentliche Hand genommen. Im Herbst wälzte das Burgenland dann auch schon recht konkrete Pläne für ein Solarenergie-Monopol. Unlängst eröffnete eine Buslinie aus dem Südburgenland nach Graz, betrieben vom Land selbst. Die auf Bio umzustellende Landhauskantine stülpt sich bald nach außen; in den umliegenden Wirtshäusern hat man darüber schon vorm Lockdown bitter als "VEB Landhausküche" gespottet.

Aber Doskozil ist auch – oder vielleicht noch mehr – ein Zentralist. Überall dort, wo er zu viel selbstverwalteten Wildwuchs wittert, fährt er drein. Er fasst zusammen, schafft neue, starke Hierarchieebenen. Begonnen hat das im Amt der Landesregierung. Da wurde mit der Schaffung von vier übergeordneten Verwaltungsgruppen eine neue Kommandobrücke eingezogen, in die alle Stabsstellen münden. Und die wieder bei ihm. Im LH-Büro.

Ein neues Tourismusgesetz strafft die 15 bestehenden Verbände zu dann drei. In denen soll auch das Vermögen der alten aufgehen. "Enteignung", ruft die ÖVP. Das Jagdgesetz überträgt Aufgaben, die bisher der Jagdverband ausgeübt hat, der Landesverwaltung; der Jagdverband wird de facto aufgelöst. Auch in der Kultur wird gestrafft. Die Operettenbühne in Mörbisch und die kleine Opernbühne in Jennersdorf erhalten mit Alfons Haider einen gemeinsamen Intendanten.

Verwaltbare Welt

Von oben betrachtet schaut die Welt so ein wenig geordneter, verwaltbarer aus. Unten, wo bislang versucht worden ist, den je eigenen Garten zu bestellen, regt sich allmählich Unmut. Im Sommer hatte Doskozil überraschend – vieles, was Doskozil tut, passiert überraschend, als wäre es ihm beim Reden gerade eingefallen – die Auflösung der kommunalen Verbände angekündigt, was dort für entsprechende Aufregung sorgte. Müll-, Wasser-, Abwasserverbände würden Unterschlupf finden in der landeseigenen Energie Burgenland. Die solle dann ein umfassendes Unternehmen für die Daseinsvorsorge werden; eine Art "Landwerke Burgenland". Man sollte das Wienerische an Doskozil nicht unterschätzen.

Doskozils Weltschau, das ist klar geworden in diesem Jahr, ist zweifellos die Vogelperspektive. Die eines Generalstäblers. Das gibt ihm die Möglichkeit schneller Entscheidungen. Freilich um den Preis, das Engagement der Eigenen, ohne das eine politische Partei im Wortsinn nicht läuft, zu riskieren.

Sudern

Wie man sich so in bester Absicht ins eigene Schienbein hacken kann, hat Alfred Gusenbauer einst vorgezeigt mit seinem flapsigen Sager über die Basis. Auch Doskozil ist kein Freund des "üblichen Gesuderes". Sitzungsstunden in den Gremien sind ihm verhockte Stunden. Altgediente Landeshauptleute sind so. Aber Doskozil ist ein Frischg’fangter. Das – und nicht nur inhaltliche Differenzen – erklärt auch so manches Ungemach zwischen ihm und der Bundespartei.

Doskozil umgibt sich mit einer kleinen, agilen, eingeschworenen Truppe rund um seinen Büroleiter Herbert Oschep. Nicht nur im Landhaus, auch im Parteihaus verstehen das manche als Befehlskette. Ein ungenannt bleiben wollender Bürgermeister – ein altgedienter Roter – sagt: "Er ist halt ein Kieberer."

Innere Emigration

So mancher Genosse zieht sich in die innere Emigration zurück und wartet dort einmal ab. Unklar, ob auf bessere Zeiten oder auf noch bessere. Denn es ist durchaus auffällig, dass die innerparteiliche Kritik – das Herummosern, denn offen spricht das ja niemand aus – sich ausschließlich auf die Manieren des Parteichefs bezieht. Dass er im Grunde ein Rüpel sei.

Einer allerdings, der auf die richtigen Themen setze: klar in der Frage der Zuwanderung, deutlich in der der sozialen Gerechtigkeit. Roland Fürst, sein Geschäftsführer, geht so weit, den Konservativen und den Neoliberalen die Slogans streitig zu machen. "Leistung muss sich lohnen" und "Wer arbeitet, darf nicht der Dumme sein" seien doch ursozialdemokratisch. Der 1.700-Euro-Mindestlohn, der jetzt auf die Gemeinden ausgeweitet werden soll, sei die Konsequenz. "Aufstieg, Leistung, Sicherheit. Mit diesem Slogan ist ja Kreisky groß geworden."

Niemand – kaum jemand – kritisiert in der burgenländischen SPÖ diesen Doskozil'schen Weg, auf dem etwa auch die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen unterwegs ist. Aber viele stört die Marschordnung. Dieses "Mir nach!".

Strahler

Noch überstrahlt freilich "Dosko" die Basis-Suderanten. Meinungsforscher Peter Hajek hat im Dezember erhoben, dass nun 53 Prozent der Burgenländer die SPÖ wählen würden. In einer fiktiven Landeshauptmann-Wahl gar 76 Doskozil. Dass das so nicht wird bleiben können, liegt auf der Hand. Da und dort hört man deshalb schon den uralten Hoffnungsseufzer aller Beiseitegeschobenen. "Man sieht sich immer zweimal im Leben." (Wolfgang Weisgram, 29.1.2021)