Proteste gegen unnachgiebige rechtliche Härten, die verhallen. Argumente, doch bitte das Kindeswohl zu respektieren, die nicht gehört werden. Eine Demo vor einem Schubhaftzentrum, von der vor allem das Winken einer liebgewonnenen Schulkollegin aus einem Fenster in Erinnerung bleiben wird, bevor Fremdenpolizisten sie und ihre Familie in einen Frontex-Flieger in Richtung Kaukasus zwangen.

Tatsächlich können die Ereignisse rund um die Abschiebung von zwei den Medien bekannten Familien mit Kindern und einer Reihe anderer anonym gebliebener Personen wütend oder resigniert machen. Zumindest jene Menschen, die mehr Humanität im Asyl- und Fremdenrechtswesen fordern: in Österreich laut Umfragen leider nach wie vor eine – wenn auch knappe – Minderheit.

Doch wie kommt es überhaupt zu solchen existenzgefährdenden Entscheidungen? Warum werden Minderjährige aus ihrem langjährigen Umfeld gerissen und in Länder zurückgebracht, die sie fast oder gar nicht kennen? Was müsste anders werden, um ihnen und ihren Angehörigen eine solche Misere künftig zu ersparen? Da ist etwa der Umstand zu nennen, dass die Kinderrechte in Österreich zwar im Verfassungsrang stehen, sich die Republik aber Vorbehalte ausbedungen hat: Das Kindeswohl von Minderjährigen mit ausländischem Pass hat einen geringeren Stellenwert als jenes von Kindern, die Österreicher sind.

Das Familien-Schubhaftzentrum in Wien-Simmering.
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Konkret gelten manche Kinderrechte in Belangen der "öffentlichen Sicherheit" nicht. Das vereinfacht Abschiebungen Minderjähriger in der Praxis beträchtlich; denn zur "öffentlichen Sicherheit" gehört in Österreich auch das dem Innenministerium unterstehende Asyl- und Fremdenwesen.

Bleiberecht

Doch was ist mit dem sogenannten Bleiberecht? Hätte in Fällen wie den nunmehrigen nicht die in Österreich 2009 verankerte Prüfung des Integrationsausmaßes die Abschiebung der Familien verhindern müssen?

Tatsächlich ist hierzulande vorgeschrieben, in Asyl-Erstverfahren ebenso wie bei Berufungen jeweils zu beurteilen, ob ein Abtransport gegen das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach dem Artikel acht der Europäischen Menschenrechtskonvention verstößt; eine Folge des spektakulären Abschiebefalls der kosovarischen Familie Zogaj. Doch leider hat sich die Rechtsanwendung in den vergangenen Jahren weit von der Absicht dieser Regelung wegentwickelt, kritisieren die Experten der Asylkoordination.

Konkret hat das dem Innenministerium weisungsgebundene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl – der seit 2016 politisch massiv propagierten Asylwerberabwehr folgend – gegen viele positive Bleibeentscheide Amtsrevision eingelegt. Diese wurde vom Verwaltungsgerichtshof allermeist bestätigt – Höchstgerichtssprüche, denen nun viele Asylrichter beim Bundesverwaltungsgericht schon in den Erstverfahren folgen.

Hinzu kommt, dass Last-Minute-Anträge auf humanitären Aufenthalt keine aufschiebende Wirkung gegen einen Abtransport haben – und dass im Fall eines rückwirkenden positiven Entscheids de facto keine Rückkehrchancen bestehen.

Zusammengefasst: Um skandalöse Abtransporte wie am Donnerstag zu verhindern, müssten Entscheidungen revidiert werden, die unter Schwarz-Rot und Türkis-Blau sehenden Auges eingeführt wurden – unter Inkaufnahme genau der Härten, gegen die sich nun Protest regt.(Irene Brickner, 28.1.2021)