EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides steht massiv unter Druck.

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Es war eine jener Gelegenheiten, bei denen wenig gesagt wurde und zugleich doch viel. Dienstag, kurz nach 18 Uhr, Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides tritt in Brüssel mit ernstem Gesicht vor die Presse – oder zumindest vor jene Livekamera, die dort steht, wo normalerweise Journalisten ihre Fragen rufen würden. Sie habe gerade ein Gespräch mit den Vertretern von Astrazeneca absolviert, gibt sie zu Protokoll, "die Antworten waren nicht ausreichend". Vor weiteren Verhandlungen stellte sie die Rute ins Fenster. Es müsse geklärt werden, wohin in der EU produzierter Impfstoff in den letzten Monaten gegangen sei, sagte sie andeutungsschwer – und: Künftig werde es dafür ein Register geben.

Klar machte der Auftritt: Die EU und die verantwortliche Kommissarin – sie stehen in der Impfstoff-Frage massiv unter Druck. Nicht nur, weil andere Staaten bei der Immunisierung mittlerweile davonziehen, sondern auch, weil sich zunehmend die Frage stellt, ob sich die Kommissarin aus dem 850.000-Einwohner-Land Zypern bei den Verhandlungen im Sommer von der 70.000-Mitarbeiter-Firma nicht womöglich hat über den Tisch ziehen lassen.

Fachliche Eignung, wenig Erfahrung

Kyriakides’ fehlende Erfahrung an der Spitze einer großen Bürokratie war es auch gewesen, die nach ihrer Nominierung 2019 am ehesten für Fragen gesorgt hatte. An der fachlichen Eignung der heute 64-Jährigen gab es kaum Kritik. 27 Jahre hatte Kyriakides nach ihrem Studium der klinischen Psychologie an englischen Unis im Gesundheitsministerium Zyperns verbracht. Von 2006 bis 2017 arbeitete sie sich als Abgeordnete der liberalkonservativen Partei Dimokratikos Synagermos zur Vertrauten von Staatspräsident Nikos Anastasiadis hinauf. Der ermunterte sie 2018 zur dreimonatigen Amtszeit an der Spitze der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, wo sie ihr Land seit 2012 vertrat.

Zwischenzeitlich hatte sich Kyriakides schon in anderer Sache einen Namen gemacht: Selbst Brustkrebs-Überlebende, leitete die Mutter zweier Kinder 2006 bis 2008 die größte Brustkrebs-Interessengruppe Europas, Europa Donna. In ihrer Heimat trat sie derweil besonders für Patientenrechte auf – was sie später auch zu einem Kernpunkt ihrer Kommissionsbewerbung machte. Ein ideologisch-politisches Profil fehlt Kyriakides – abgesehen von ihrem Eintreten gegen ein Abtreibungsverbot – aber auch in ihrer Heimat. Doch vielleicht wird zumindest Astrazeneca sie noch genauer kennenlernen. (Manuel Escher, 29.1.2021)